Michael Steiger brennt für Agaven-Spirituosen und hat aus der Liebe zu Mexiko ein boomendes Business gemacht (Foto: Aromas of Mexico)
Michael Steiger brennt für Agaven-Spirituosen und hat aus der Liebe zu Mexiko ein boomendes Business gemacht (Foto: Aromas of Mexico)

„Man muss überlegen, ob die aktuelle Definition von Tequila bestehen bleiben kann.“

Mit seiner Firma „Aromas of Mexico“ importiert und vertreibt Michael Steiger Tequila und mehr. Wie erlebt er als Nischen-Händler den wachsenden Agaven-Trend? Wir sprechen mit ihm, als er gerade eine besondere Bestellung bearbeitet.

Interview: Helmut Barro

Michael, was treibt Dich gerade um? 

„Ich habe eine wunderbare Bestellung aus Georgien bekommen, durch einen neuen Kontakt auf der ProWein, die haben jetzt mal aus der Hüfte einfach 4 Paletten bestellt. Da geht es jetzt darum, Transportunterlagen und Zahlungsbedingungen zu klären. Das macht mir viel Spaß, das Verhandeln, meist in Fremdsprachen dazu. Das ist das Schöne und Schwierige zugleich: Der Tequilamarkt an sich ist pro Land nicht so groß, dass man von einzelnen Ländern unbedingt leben kann, und automatisch dazu gezwungen ist, wenigstens innerhalb Europas zu expandieren, so wie wir jetzt tun. Das macht das ganze schon zu einer sehr interessanten und herausfordernden Sache.“

Ich habe neulich noch gelesen, Deutschland sei mit der größte Markt für Tequila, also neben den USA natürlich, da verblasst ja alles dagegen. 

„Ja, das ist richtig, der Markt hierzulande ist wirklich so strukturiert, dass wir sehr beeindruckende Zahlen haben. Da fließen viele Faktoren mit ein. Grob gesagt: als Europäische Union liegen wir ganz sicher an zweiter Stelle. Und innerhalb der EU liegt Deutschland noch vor Spanien, Frankreich und Großbritannien. Was ich erklären will: Auch für Weiterimporte innerhalb der Europäischen Union wird vieles zuerst über Deutschland importiert, dann aber weiter transportiert. Wir importieren also nach Deutschland, das wird sozusagen als Input für den deutschen Markt registriert, verkaufen und liefern aber weiter in ein anderes EU-Land, und da verschwimmt die Statistik ein bisschen.“

Ist anhand dieser Zahlen und deiner Erfahrungen ein Unterschied erkennbar, welche Qualität welche Länder bevorzugen? 

„Das geben die Statistiken nicht ganz so her, wir bekommen aber die Aussage, dass Deutschland ein sehr starker Tequila-Markt ist, mit sehr viel Potenzial. Wir haben immer noch eine sehr hohe Ratio Mixto zu 100% Agave, meine letzten Zahlen waren, dass auf 200000 Liter 100%-Agave im Vergleich fast 4000000 Liter Mixto kamen, also ein Verhältnis 1:20. Das bedeutet auch, dass der Markt enorme Wachstumszahlen aufzeigt, und für 100%-Agave-Tequila im Speziellen eine Steigerung von zwischen 20 und 25% in Deutschland über die letzten Jahre erkennbar wird.

Anzeige | Produkt-Tipp
Los Muertos® Cristalino

Der Original Mexican Cristalino verbindet den unvergleichlichen Geschmack eines hochwertigen Tequila Reposado mit einer kristallklaren und samtigen Textur zu einem modernen und ganz besonderen Geschmackserlebnis mit einzigartigen Aromen von Vanille, Karamell, Nüssen und Schokolade.

100 % Original mexikanisch

Das reicht aber nicht, wie ich vorhin schon gesagt habe, um sich als Unternehmen nur auf den deutschen Markt zu konzentrieren, und deswegen schauen wir in andere europäische Länder. Und da ist tatsächlich auch ein Mixto weiterhin ein ganz großes Thema, allein schon aus Preisgründen, die Kaufkraft in Deutschland, Frankreich und Großbritannien ist im Vergleich zu Bulgarien, Rumänien einfach viel größer, in solchen Ländern kannst du zwar 100%-Agave-Tequila verkaufen, aber damit definitiv nicht die Volumina drehen. Und dann muss man sich halt überlegen, welches Geschäftsmodell man machen will, ob jetzt Online-Händler in Deutschland oder Großhändler europaweit, da muss man sich selbst Perspektiven aufbauen.“

Daraus entnehme ich, dass Du alle Kundenkreise bedienst – andere Großhändler, Gastronomie und Hotellerie, aber auch den Endverbraucher. 

„Ja, das wir machen alles. Wir verkaufen über eine Website an Endverbraucher, das ist aber nur ein minimaler Anteil des Geschäfts. Es ist trotzdem wichtig für uns, einfach, um den Kontakt zu haben mit den Verbrauchern und zu wissen, was bestellt wird, worauf geachtet wird, was wird dazu bestellt, und so weiter. Dann beliefern wir noch Gastronomiekunden und Fachhändler innerhalb einer Stunde Fahrzeit um Köln herum direkt mit Außendienstfahrern. Unser dritter Verkaufskanal sind Getränkelieferanten in den Großstädten ab einer gewissen Größe, also zum Beispiel jemand, der ganz Hamburg abdeckt, oder Köln; dazu kommen noch Partnerschaften mit Firmen, die ähnliches für eine ganze Region machen.

Zu guter Letzt sind wir auch noch Exklusivpartner für die Marken, die wir vertreiben - wir haben also mit den Herstellern Exklusivverträge pro Marke und Zonen abgeschlossen, für manche Marken haben wir nur Deutschland exklusiv, für andere Deutschland, Österreich, Belgien und Holland, und für wieder andere ganz Europa. Und entsprechend versuchen wir dann auch in anderen Ländern uns einen Einblick zu verschaffen, wie es dort vor Ort aussieht, was funktioniert, was nicht funktioniert.“  

(Advertorial) Mit dem kreativen Eventformat Taco Tuesday setzt die Kölner "Suderman Bar" frisches mexikanisches Streetfood und exzellenten Tequila wie Corazón gleichermaßen in Szene. 

Das ist eine interessante Fragestellung, die du da aufgeworfen hast - was du wo verkaufen kannst und was nicht. Ist das „Trial-and-Error“, oder hast du so ein Gefühl dafür, was geht und was nicht geht? 

„Wir suchen Hersteller danach aus, dass sie Tiefe und Breite im Portfolio haben, und dass wir mindestens 3 Preissegmente abbilden können über einen Partner. Also zum Beispiel Mixer, Premium Entry und Premium, grob in einer Preiskategorie von 10€, 25€ und 50€. So ein Hersteller muss auch relativ ordentlich entwickelt sein, das heißt, dass die eine breite Aufstellung an Materialien haben, dazu gehören gute Bilder, technische Daten, 700-Milliliter-, 1000-Milliliter- und vielleicht 50-Milliliter-Flaschen, sie eventuell noch Likör dazu machen. Gerade in Deutschland funktionieren für uns Liköre sehr gut, damit können wir Türen öffnen und dann eventuell die Tequilas nachziehen. Das heißt: „Trial-and-Error“ war noch vor 5 Jahren. Mittlerweile ist das Portfolio ausreichend breit aufgestellt, sodass wir die Partner eigentlich nur fragen müssen, was genau sucht ihr? Restaurants und Hotels wollen gern die Liter-Flaschen, die Großhändler etwas anderes als die Endkunden.“ 

Du sagtest vorhin, ihr habt einen sehr großen Anteil an Mixto-Tequila – für einen Artikel in der fizzz hatte ich als Aufhänger, dass heutzutage eigentlich niemand mehr Mixto trinken muss. Wie siehst du das Spannungsverhältnis zwischen diesen Formen des Tequila? 

„Das ist eine Kernfrage für mich auf drei Ebenen. Als Verbraucher, als Tequilafreund und als Mexikaner, und dann noch als Händler. Als Deutscher mit mexikanischen Wurzeln ist natürlich 100%-de-Agave für mich ein absolutes Muss, weil es auch die Kultur darstellt, die ganze Handwerkskunst und Tradition. Als Verbraucher davon unabhängig ist es für mich ebenso klar, dass dem 100%-de-Agave die Zukunft gehören muss, rein aus Qualitäts- und Geschmacksgesichtspunkten.

Der einzige wahre Killer bezüglich dieser Einstellung ist der Händlerstandpunkt, da finde ich es ein bisschen schade, dass hier so eine typisch mitteleuropäische Arroganz entsteht zu sagen, ja, man darf nur noch 100%-de-Agave trinken, weil das das einzig wahre ist; aber damit hast du in Aserbaidschan, Rumänien oder in Georgien keine Chance als Händler. Was, wenn da die gehobene Mittelklasse zum Feiern gehen und auch was authentisch Mexikanisches genießen will? Dass die mal eben 40-50€ für eine Flasche ausgeben, ist illusorisch. Für die ist zum Beispiel ein Tequila auch dann „Premium“, wenn er in Mexiko abgefüllt ist, egal ob Mixto oder 100%. Da ist das teilweise bereits ein Fortschritt im Vergleich zu vielen anderen Sachen. Der Tequilaliebhaber in mir sagt, klar, 100%-de-Agave muss sein, der Geschäftsmann, der seit 5 Jahren auch das europäische Ausland im Blick hat, sagt, hey, das ist so typisch deutsch, nur die höchsten Ansprüche haben, und dann die auch für andere mitdefinieren müssen. Auch andere Länder mit sehr viel niedrigerer Kaufkraft wollen Mexiko-Feeling haben. Da bekommt Mixto plötzlich eine andere Daseinsberechtigung.“ 

Von der Erweiterung des Farbspektrums über Transparenz und Tradition bis zum globalen Agaven-Craze: Wir werfen einen Blick darauf, was Tequila und Mezcal aktuell bewegt.

Persönlich habe ich auch ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Mixto. Ich denke mir halt auch, wenn die US-Amerikaner jetzt plötzlich alle anfangen würden, 100%-de-Agave zu trinken, dann würde die Industrie zusammenbrechen, so viele Agaven können in Mexiko ja gar nicht wachsen, wie die dann benötigt würden. 

„Ganz klar ist das ein wichtiger Punkt. Wenn der Amerikamarkt hustet, dann kriegen alle anderen Agavenmärkte sofort Schnupfen, einfach weil die so einen unfassbaren Anteil verkörpern. In 2022 gingen 338 Millionen Liter in die USA und 30 Millionen Liter nach Deutschland, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Und deswegen muss man überlegen, ob die aktuelle Definition von Tequila so bestehen bleiben kann, und wenn ja, womit die Nachfrage in Zukunft bedient werden soll. Wenn das so bleiben soll, ist für Mixto in alle Zukunft Raum, es gibt einfach keinen Ersatz dafür, rein mexikanischer 100%-de-Agave-Tequila könnte den Markt niemals sättigen. Wenn wir in die Glaskugel schauen und überlegen, wie Angebot und Nachfrage mit dem aktuellen Wachstum überein gebracht werden sollen, ist das völlig ungeklärt. Davon leiten sich enorm viele Fragen, aber auch Möglichkeiten, für Unternehmer ab.“ 

Greifen wir das direkt auf - deine Firma heißt ja „Aromas of Mexico“, es gibt ja aber auch Trends, dass in anderen Ländern Agaven angebaut und Spirituosen daraus hergestellt werden, zum Beispiel Südafrika oder Australien. Ist das für dich ein Thema als Importeur? 

„Nur indirekt, dazu muss ich etwas ausholen. Für Premixes, bottled Cocktails und so etwas, war es früher relativ einfach, sagen wir, 10000 Liter Mixto nach Europa zu holen und dann selber abzufüllen. Mittlerweile sind derartige Sachen schwieriger geworden, ich hatte eine Anfrage von einem Cocktailhersteller, der nur so 5000-10000 Liter pro Jahr verarbeiten wollte – muss man dafür ein Abkommen mit dem Hersteller schließen, mit dem Importeur, mit dem CRT, in dem Herstellung und Abnahme reglementiert sind, auch die Weiterverarbeitung des Produktes „Mixto“ im Zielland. Das wird einigen zu viel, und denen reicht es auch aus, wenn „Agavenschnaps“ auf der Flasche steht, was auch immer drin ist, das kann eine Mixtur aus Weberagave und Espadin sein, oder was halt da ist. Da passieren dann viele Dinge, die einem Tequilapuristen und -idealisten und kulturhistorisch interessierten Menschen den Magen umdrehen. Aber die Nachfrage, die Herstellung und die Regulation lassen einfach nicht zu, dass die Nachfrage bedient werden kann, und deswegen werden Agavenkulturen außerhalb Mexikos in Zukunft ein absolutes Topthema sein. Muss ich mich dann aber auch an mexikanischer Kultur mitbedienen und das als Inspiration verkaufen, obwohl ich die Kultur nicht respektiere? Gehen wir aber mal vom Guten im Menschen aus. Das ist dann vielleicht nichts anderes als diese Craftbier-Marke in Mexiko, die sagt, dass sie Bier „wie nach deutschem Reinheitsgebot“ macht.“ 

Anzeige | Drink-Tipp
Cristalino - Neat

Ungekühlt entfaltet sich das ausgewogenene Profil unseres Cristalino in der Nase und am Gaumen am besten.

NASE: mild mit Noten von Karamell und Mandel, ergänzt durch dezente Agave-Noten.

GAUMEN: Noten von Toffee, Vanille und Schokolade, sowie leichte fruchtige Anklänge von Trockenfrüchten und reifer Banane. Die Süße ist in keiner Weise aufdringlich. Im Finish runden Toffee- und Mandelnoten den Gesamteindruck ab.

Wenn wir schon über Trends und Veränderungen reden - wie siehst Du denn sowas wie Cristalino und Rosa, um einfach mal um zwei Stichworte in den Raum zu werfen, die gerade so ein bisschen trendig sind. 

„Als Fachhändler gesprochen läuft das im Moment bei mir noch unter „ferner liefen“, die Produktionsmengen sind dafür einfach nicht groß genug. Aber schauen wir mal, ich sehe das Potenzial schon. Als Konsument finde ich die Entwicklung gut. Wenn ich zwei bis dreimal im Jahr in Mexiko bin, und dann einfach die Straße in Oaxaca entlanglaufe, dann sieht man da am Wegesrand einfach irgendwelche Bauern, die ihre eigenen, selbst gebrannten, nicht gelabelten Flaschen hinstellen, und da ist alles dabei. Die schmeißen alles rein in den Brand, Mango, Maracuja, Habaneros oder irgendwelche Insekten, diese Geschmacksvielfalt und die Variantenvielfalt ist Teil der Ursprungskultur der Agavenbrände. Wenn man das mal so sieht und erlebt, denkt man sich, also, da geht eigentlich noch viel mehr als nur Rosa oder Cristalino. Der Markt wird irgendwann Mexiko dazu zwingen, mehr Varianten zuzulassen, mehr Geschmäcker. Rosa ist da nur der erste Schritt. Wer sich dagegen stemmt, wird Geschäft an Südafrika und Australien verlieren. Und persönlich finde ich zum Beispiel Cristalino auch einfach saumäßig lecker, wenn er gut gemacht ist.“ 

Modern, klassisch oder puristisch: Wir haben drei Empfehlungen für echtes Mexiko-Feeling zusammengestellt, in denen die Tequila- und Mezcal-Expertise natürlich nicht zu kurz kommt.

Das schließt an meine Schlussfrage an: wie überschneidet sich der Markt, den man in Deutschland so als Endverbraucher beobachten kann, mit dem Markt in Mexiko? Trinken wir in Deutschland jetzt zurzeit das Gleiche, was die Mexikaner auch gern trinken? 

„Das kann man überhaupt nicht pauschal sagen. Du hast ja schon in Deutschland von Stadt zu Stadt unterschiedliche Konsumvorlieben. Hamburg und Berlin sind wahrscheinlich die modernsten Tequilastädte, und wenn du runter nach Stuttgart fährst, dann bist du diesbezüglich fast 10 Jahre hinter Hamburg. Vielleicht etwas übertrieben dargestellt, sorry Stuttgart (lacht). Aber ähnliches hat man auch in Mexiko. Einfach mal ein Beispiel aus meiner Familie dort: An den Geburtstagen wird immer schon seit Ewigkeiten ein Reposado mit Squirt (eine mexikanische Limonade) gemischt, da gibt es schlicht keine Trends. Das Einzige, was da ausprobiert wurde, ist dann den Tequila ins Eisfach zu legen. Ich kann mir darum nicht wirklich anmaßen, ein Statement über ganze Länder geben zu können. Deutschland wie Mexiko ist viel zu groß dafür, mit vielen eigenen Kulturen, von Yucatán über das zentrale Hochland bis in den an die USA grenzenden Norden, in Deutschland ist es ähnlich komplex. Da hilft Pauschalisieren nicht. Das ist, als würdest Du fragen: Welches Bier mag der Deutsche und wie trinkt er es am liebsten?“

Schlagworte

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

Aperitivo-Konzepte

Die Aperitif-Kultur ist auf dem Vormarsch – wir zeigen brandaktuelle Gastro-Beispiele.

Le Big TamTam

Der neue Hamburger Food-Markt setzt Maßstäbe − auch bei der Zusammenarbeit der Betreiber.