Seelenlose Straßen
Streetfood – der Begriff hat wirklich eine atemberaubende Karriere hingelegt: von den asiatischen Straßenküchen über beliebige Gastronomiekonzepte mitten rein in die Tiefkühlvitrinen westeuropäischer Supermarktketten. Einst stand Streetfood für im öffentlichen Raum gekochtes und dort aus der Hand verzehrtes Essen, schnell und frisch zubereitet, typisch für die Region und aufgrund der extremen Spezialisierung der Anbieter von bester Qualität. Heute steht Streetfood für… ja, für was eigentlich noch?
Die beispiellose Bedeutungs-Verwässerung hat Folgen – Folgen für Leib und Seele. Denn wer heute ganz vorne sein möchte, schreibt sich schon nicht mehr Streetfood auf die Fahne, sondern geht mit Soulfood hausieren. Das nächste Missverständnis. Ursprünglich wurde damit eine Arme-Leute-Küche beschrieben, nämlich die der in den Südstaaten der USA lebenden Afro-Amerikaner. Einmal durch die Trendmühle gedreht, bleibt als Soulfood all das übrig, was irgendwie glücklich machen soll, vom Schokopudding bis zum Kartoffelauflauf. Und ich dachte, das sei Hausmannskost...
Benjamin Brouer
Stv. Chefredakteur
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