Mit 160 verschiedenen Gins hat sich das "House of Gin" zum Anlaufpunkt für Wacholderfans entwickelt. Foto: Cordula Giese
Mit 160 verschiedenen Gins hat sich das "House of Gin" zum Anlaufpunkt für Wacholderfans entwickelt. Foto: Cordula Giese

Interview: „Es gibt eine Reizüberflutung“

Roman Bickel, Barmanager „House of Gin“ im Hotel Palace Berlin, über Preisgrenzen, Bestseller und die Probleme der aktuellen Produktflut.

fizzz: Wie groß ist das Angebot an verschiedenen Gins im „House of Gin“? Habt ihr ein Limit oder baut ihr kontinuierlich aus?
Roman Bickel: Wir haben augenblicklich 160 verschiedene Gins. Selbstverständlich sind wir an neuen Produkten interessiert, aber nicht jeder neue Gin findet auch den Weg in unser Rückbuffet. Hinzu kommt, dass wir uns an unseren Gästen und deren Vorlieben und Geschmäckern orientieren. Das heißt, Gins, die augenblicklich wenig getrunken werden, sortieren wir auch aus.

Was gibt den Ausschlag, ob du einen Gin ins Portfolio aufnimmst?
Wir verkosten neue Gins mit den Mitarbeitern und lassen auch Gäste probieren, zudem testen wir verschiedene Variationen im Gin & Tonic und auch in Cocktails aus. Anschließend werten wir die Resonanz aus. Dieses Vorgehen war bislang immer erfolgreich. Der Preis spielt natürlich auch eine Rolle, wenn auch eher eine geringe.

Wo liegt denn die Preisgrenze, ab wann wird ein Gin in der Bar schwer verkäuflich?
Wir haben das Privileg, in einem 5-Sterne-Hotel zu arbeiten, in dem die meisten Gäste nicht unbedingt auf den Preis achten müssen. Aber das gängige Maß sollte bei maximal 40 Euro für eine 0,7-l-Flasche sein. Alles darüber hinaus ist auch schwer zu rechtfertigen, denn in 99 Prozent der Fälle handelt es sich ja um ein reines Destillat ohne Lagerung, Reifung etc.

Was macht einen guten Gin für dich aus?
Er muss auf seine Art komplex und eigenständig sein und für sich selbst sprechen. Nachahmer sind langweilig. Selbst wenn das Eigenständige manchmal eigenartig wirkt, kann es doch interessant sein und seine Klientel finden.

Wie viele Tonics habt ihr im Angebot? Wo ist die Grenze der „Handelbarkeit“?
Wir haben im Moment zehn verschiedene Tonics, wechseln aber auch durch. Die beliebtesten sind Thomas Henry, Schweppes Dry und Fever-Tree. Aufgrund des Mindesthaltbarkeitsdatums und der Vielfalt werden wir in Zukunft zwar bei unseren zehn verschiedenen Tonics bleiben, aber außerhalb der oben genannten Standards immer wieder wechseln.

Bildet sich bei den Gästen langsam eine Gin-Kennerschaft (ähnlich Whisky) heraus?
Als Kennerschaft würde ich das nicht unbedingt bezeichnen. Viele Gäste orientieren sich an ihren Lieblingsmarken und ordern vorwiegend diese. Beste Beispiele sind Monkey 47, Hendrick´s und Bombay. Gleichzeitig merkt man aber, dass sich immer mehr Gäste auf Neuheiten einlassen und diese auch verkosten. Die eingefleischten „Brand-Caller“ und die offenen Neugierigen halten sich in etwa die Waage.

Haben sich die Geschmackspräferenzen der Gäste in letzter Zeit geändert? Werden aromatisch andere Gins bevorzugt als noch vor einer Weile?
Nein, Geschmäcker sind und bleiben generell verschieden. Gins sind immer aromatisch und werden auch von jedem Gaumen anders aufgefasst, da jeder ein anderes Empfinden hat. Aber blicken wir zurück: Vor zehn Jahren hat jeder nur Gordon‘s getrunken. Vielleicht noch Beefeater oder Tanqueray. Vor fünf bis sieben Jahren haben sich dann Bombay und Hendrick´s populär gemacht, und inzwischen kommt jede Woche mindestens ein neuer Gin auf den Markt. Die Gäste lassen sich gerne darauf ein und übernehmen aus der Werbung, dass da ein Stück Rosmarin oder Gurke rein soll.

Wie beurteilst du als Barmanager die Schwemme an neuen Gins, die weiterhin auf den Markt kommt?
Natürlich ist es schön, die Vielfalt zu genießen, auszuprobieren, zu testen, aber es ist einfach zu viel. Ich frage mich: Wo bekommt man die neuen Sorten her, sind sie dauerhaft verfügbar oder haben kleinere Destillen Produktions-/Lieferschwierigkeiten? Und wer denkt an den Endverbraucher? Wo bekommt er die Produkte her? Soll man immer die gleiche langweilige, unpersönliche Antwort geben „Aus dem Internet“? Ich bin der Meinung, dass es eine wahre Reizüberflutung gibt und dass weder die Bars und erst recht nicht der Endverbraucher damit klar kommen.

Ist der Höhepunkt des Gin-Booms also bereits erreicht? Wie geht es weiter?
Der Höhepunkt ist schon vorbei. In meinen Augen war der vor rund sechs bis zwölf Monaten. Gin ist und bleibt populär, aber wie immer: Nach einer gewissen Hype-Zeit wird etwas durch eine andere Spirituose abgelöst. Ich persönlich würde mich mal wieder auf ein Hoch von Rum freuen.

Was sind eure Gin-Bestseller?
Berliner Brandstifter, Bombay Sapphire, Hendrick´s und Monkey47.

Wie groß ist der Anteil an Gin & Tonic bei den Bestellungen in eurer Bar? Was außer Gin & Tonic geht noch gut?
Gut 40 bis 50 Prozent der Gäste ordern einen Gin & Tonic. Der Rest ist auf verschiedene Gin-Cocktails gespannt, wie Martinez in allen Varianten, Gimlet, Martini Cocktail, Sours (mit und ohne Aromaträger), Fizzes etc.

www.palace.de/de/house-of-gin.html

Fotos: Cordula Giese

fizzz 04/2024

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