Axel Deppe, Röstkontor, Foto: Irene von Uslar
Axel Deppe, Röstkontor, Foto: Irene von Uslar

Interview: Axel Deppe über das Kaffee-Konzept Röstkontor

"Die Wertschätzung für Kaffee steigern"

Axel Deppe, Bielefeld, über das "Röstkontor", die Konzepterweiterung zu seinem "The Coffee Store"

fizzz: Ihre Kaffeebar „The Coffee Store“ in der Altstadt von Bielefeld läuft seit 2003 durchgehend erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurde die Kaffeebar um das neue Konzept „Röstkontor“ im ersten Stockwerk erweitert. Warum war diese Konzepterweiterung notwendig?

Axel Deppe: Das Ursprungskonzept des Systems „The Coffee Store“ stammt bereits aus dem Jahr 1999 und hat sich damals an US-amerikanischen Vorbildern orientiert. Eben eine klassische Coffee-Bar, die allerdings immer den Anspruch an höchste Qualität hatte. Dieser Anspruch hat nach kurzer Zeit dazu geführt, dass alle Kaffees per Direktimport von unseren Farmern in Brasilien, Mexiko und Indien bezogen wurden. Diese einmalige Story mit der vollen Nachhaltigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Kaffees bis auf die einzelne Parzelle in einer Plantage wollten wir endlich umfassend darstellen und unseren Kunden erzählen. Natürlich auch, um das Gastronomieerlebnis noch emotionaler zu gestalten.

fizzz: Und das war im Rahmen des bisherigen Konzeptes nicht möglich?

Axel Deppe: Wir haben das zwar immer schon versucht, mit Bildern an der Wand etwa, aber für viele Kunden waren wir in der Wahrnehmung erst einmal eine klassische Kaffeebar. Dazu kommt, dass wir das Luxusproblem genießen, immer sehr viel zu tun zu haben. Das führte jedoch dazu, dass wir zu wenig Zeit hatten, unsere Geschichte den Kunden näherzubringen.

fizzz: Wie ist dann die Idee zum „Röstkontor“ entstanden?

Axel Deppe: Unser übergeordnetes Ziel war, die Wertschätzung für das Produkt zu steigern, indem wir zeigen, wie viel Arbeit dahinter steckt. Wir haben uns überlegt, wie man das umsetzen könnte und sind dann auf die Kontor-Idee gekommen. Wir wollten bewusst weg von den Anglizismen und haben einen allgemeinverständlichen, handwerklichen Begriff gesucht, der sich auch gestalterisch umsetzen lässt.

fizzz: Apropos Gestaltung – das „Röstkontor“ sieht mit seinem Industrial-Look ja sehr trendig aus.Blick in das Bielefelder Röstkontor, Foto: Irene von Uslar

Axel Deppe: Den Industrie-Kontor-Stil haben wir nicht gewählt, weil er gerade en vogue ist, sondern obwohl er en vogue ist. Mir ging es in erster Linie um Authentizität und darum, das Thema Kontor möglichst detailgetreu umzusetzen. Alle Materialien sind echt, da ist nichts Fake, und zu jedem Teil können wir eine Geschichte erzählen, ähnlich wie zu unseren Kaffees.

fizzz: Was passiert im „Röstkontor“ und wie unterscheidet sich das Konzept vom „The Coffee Store“ im Erdgeschoss?

Axel Deppe: Im „Röstkontor“ setzen wir die Dinge um, die wir organisatorisch und zeitlich unten nicht hinbekommen. Außerdem wird der Fokus oben noch stärker auf die Qualität gelegt. Wir arbeiten ausschließlich mit großen Sieben, das heißt es gibt nur doppelte Espressi, und der Cappuccino wird auch mit einem doppelten Espresso zubereitet. Getränke mit einem noch größeren Milchanteil gibt es im „Röstkontor“ gar nicht. Stattdessen bieten wir Specials wie Cold Brew, einen geeisten Cappuccino mit einem Kaltschaum oder einen Shakerato als klassisches italienisches Kaltgetränk an.

Blick in das Bielefelder Röstkontor, Foto: Irene von Uslarfizzz: Wie groß ist die Auswahl im „Röstkontor“?

Axel Deppe: Die Gäste können aus rund neun verschiedenen Espressi wählen. Insgesamt haben wir bis zu 150 verschiedene Kaffees im Angebot, davon immer 40 bis 50 parallel vor Ort. Aus diesen kann der Gast nach intensiver Beratung seine Tasse Kaffee wählen, die wir frisch mit Hilfe eines Glasfilters zubereiten. Das dauert natürlich ein bisschen, aber im „Röstkontor“ haben wir die Zeit dafür und kommunizieren den Gästen auch, dass es etwas länger dauert. Wer sich als Kunde auf das Thema einlassen möchte, bekommt ganz viele Informationen und ein Aromaprofil zu den Kaffees. Die Tatsache, dass wir direkt vor Ort, quasi permanent, rösten, steigert die Aufmerksamkeit noch einmal. Und ganz besonders ist, dass sich die Kunden unter Anleitung ihren persönlichen Kaffee zusammenstellen und dann rösten lassen können.

fizzz: Der „Coffee Store“ bleibt davon unangetastet und läuft weiter wie bisher?

Axel Deppe: Ja, uns ist ganz wichtig, dass das „Röstkontor“ nicht als Abkehr vom „Coffee Store“ verstanden wird, sondern als Ergänzung. Wir stehen nach wie vor voll hinter diesem Konzept der Kaffeebar, und die Kunden nehmen es auch weiterhin sehr gut an. Die Erweiterung hat nun aber dazu geführt, dass sich beide Konzepte ergänzen.

fizzz: Inwiefern?

Axel Deppe: Wir haben im Ganzen deutlich an Kunden gewonnen und werden in Bielefeld mittlerweile ganz anders wahrgenommen. Denn die Leute begreifen, dass die Qualität des Kaffees und die Transparenz, die wir im Rahmen des „Röstkontors“ herausarbeiten, für beide Konzepte gelten.

fizzz: Es gibt also kein „Oben-Unten-Denken“?

Axel Deppe: Nein, wir wollen das „Röstkontor“ nicht als elitären Club oder Nerd-Geschichte positionieren. Alle Bereiche stehen allen offen. Deshalb darf der Gast, der sich im „Coffee Store“ seinen Latte Macchiato mit Karamell holt, selbstverständlich damit nach oben gehen und diesen dort trinken. Er muss allerdings akzeptieren, dass er ihn oben nicht bestellen kann.

fizzz: Was bedeutete die Erweiterung für das Personal?Im Bielefelder Röstkontor wird vor Ort geröstet, Foto: Irene von Uslar

Axel Deppe: Auch beim Personal soll es keine Zweiklassengesellschaft geben. Wir sehen uns als ein Team, und das Ziel ist, dass möglichst viele Mitarbeiter die Möglichkeit haben, im „Röstkontor“ zu arbeiten. Aber natürlich sind dies zunächst einmal die Leute, die schon länger dabei sind und sich bestens auskennen. Die also nicht nur einen guten Cappuccino machen, sondern auch erklären können, warum er so gut ist. Aber alle Mitarbeiter werden intern und auch extern beim Coffee Consulate geschult, um da langfristig hineinzuwachsen.

fizzz: Wie haben Sie die Konzepterweiterung vor Ort für die Kunden kommuniziert?

Axel Deppe: Das war recht einfach. Alleine der aufwändige Umbau des Hauses, in dessen Zuge uns die oberen Räume angeboten wurden, hat in der Stadt für viel Aufsehen und Presse gesorgt. Nach der Umbauphase hatten die Kunden natürlich reges Interesse am Ergebnis und sind quasi von alleine die Treppe hochgelaufen. Eine Soft-Opening-Phase hat uns geholfen, das Konzept erst einmal langsam einzuführen und das Rösten sowie die neuen Produkte aufeinander abzustimmen. Wir mussten den Kunden ja schließlich deutlich machen, dass es in der regulären Bar andere Produkte gibt als oben. Den ganzen Prozess haben wir mit Flyern und erklärenden Broschüren begleitet, doch nichts geht über direkte Kommunikation. Dem Kunden also zum Beispiel zu sagen: Du bekommst hier zwar keinen Caffè Creme, aber dafür einen frischen Aufguss aus dem Glasfilter.

Filterkaffees werden im Bielefelder Röstkontor per Glasfilter zubereitet, Foto: Irene von Uslar fizzz: Und die Kunden haben das Konzept gleich angenommen?

Axel Deppe: Ja, wozu unsere offizielle Eröffnungsfeier sicherlich auch beigetragen hat. Außer unseren Kunden und Leuten aus der Kaffeebranche hatten wir außerdem drei unserer vier Kaffeefarmer vor Ort. Für die Farmer war dieser Tag ganz besonders, weil sie gemerkt haben, wie ihre Arbeit aus der Anonymität herausgekommen ist. Und dass ihre Anstrengung, die sie auf der Plantage in Kauf nehmen, um ein Produkt dieser Güte zu produzieren, wertgeschätzt wird. Da sind Leute auf sie zugekommen und haben gesagt: „Ich trinke jeden Tag ihren Kaffee.“ Das war hoch emotional.

fizzz: Was bewirkt so ein Zusammentreffen wiederum für den Gast?

Axel Deppe: Das steigert natürlich noch einmal die Transparenz und das Vertrauen – und nimmt vor allem uns in die Verantwortung. Bei uns geht nicht ein Kaffee über die Theke, dessen Herkunft nicht zu 100 Prozent nachvollziehbar ist. Wir haben mit den Farmern abgestimmt, wie der Kaffee angebaut und geerntet wird, wir haben den Rohkaffee selber gelagert, wir rösten ihn selber und wir bereiten ihn selber zu. Wenn bei uns ein Kaffee nicht schmeckt, gibt es keine Ausrede, dann sind wir schuld.

www.coffee-store.de

fizzz 04/2024

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