Irish Whiskey

Was wünschen wir uns vom Irish Whiskey? Wo soll er hin und was kann man mit ihm machen? Beim FIZZZ-Whisk(e)y-Roundtable 2012 spielten die irischen Vertreter des Gerstendestillats die Hauptrolle. Seine Zukunft und Verwendbarkeit an der Bar standen im Kern der Diskussion.

Irish Wiskey Gruppenfoto

Der diesjährige FIZZZ-Whisk(e)y- Roundtable führte thematisch auf die Grüne Insel, nach Irland. Oliver Kirschner lud nach Nürnberg in seine Bar „Gelbes Haus“, um dort ausgiebig über Irish Whiskey zu diskutieren – und diesen natürlich auch zu verkosten. Neben dem Gastgeber mit dabei: Uwe Christiansen („Christiansen’s“, Hamburg), Pino Trisolino (Barchef des Hotels „Maritim“, München), Bernd Schäfer (Spirit-Consulter und Autor, Nürnberg) und Blogger Sven Koerper, München. Von der Redaktion FIZZZ mit dabei: Benjamin Brouër, Jan Andrew Brown und Werner Obalski.

Im Zentrum der Diskussion stand natürlich die Frage, welche Rolle Irish Whiskey heute an der Bar spielt. Und bei dieser Frage bleibt es natürlich nicht aus, dass die Schotten zum Vergleich herangezogen werden. Denn die Iren hinken fast überall auf der Welt hinter ihren östlich der Grünen Insel, zwischen Orkney und Glasgow produzierenden Kollegen her – nicht unbedingt, was die Qualität betrifft, aber in jedem Fall hinsichtlich der verkauften Menge. Schuld daran ist nicht nur die Tatsache, dass einer Handvoll Brennereien in Irland über 100 in Schottland gegenüberstehen, verantwortlich dafür sind wohl auch unternehmenspolitische Dinge, die den Erfolg über Jahre gebremst haben. „Die Schotten“, weiß Bernd Schäfer, „waren während der Prohibition in den USA wesentlich konsequenter als die Iren, wenn es darum ging, die Restriktionen zu umgehen. Aber auch danach hat sich nicht allzu viel geändert – sogar im eigenen Land herrschte quasi Stillstand“. „Die Iren sind vermutlich sehr spät aufgewacht“, ergänzt Uwe Christiansen. „Allerdings“, so der Nürnberger Whisk(e)y-Experte Schäfer weiter, „wird das Thema immer spannender, denn die Jungs geben richtig Gas“. Ein Beispiel: Tullamore Dew (Campari), in der Vergangenheit in Deutschland erheblich bekannter als in seiner Heimat, baut bis 2015 eine komplett neue Brennerei auf der Insel. Schäfer: „In zehn Jahren stehen die ganz anders da!“

Reihenweise wurden die Irish Whiskeys verkostet

Die geringe Auswahl im Vergleich zu Schotten und Amerikanern sieht Uwe Christiansen als eine der Ursachen dafür, dass die Iren keine dominantere Rolle spielen: „Irish Whiskey ist ein Tiger ohne Zähne. Die überschaubare Auswahl macht es wohl schwer, den Anschluss an andere Whisk(e)y- Nationen zu schaffen, zumal jetzt ja auch noch die Japaner, Inder und andere Nationen mit Getreidebränden auf den Markt drängen.“ Natürlich haben sich auch bei den Iren Favoriten herauskristallisiert. Neben Tullamore Dew sind das vor allem Jameson, der Weltmarktführer im Vertrieb bei Pernod- Ricard, und Powers (Irisch Lifestyle). Das „irische Paket“ erklärt Pino Trisolino: „Bei uns in der Bar laufen vor allem Jameson und Bushmills gut.“ Viele der ohnehin wenigen irischen Whiskey-Marken blühen hingegen im Verborgenen, dazu gehört auch Paddy (Pernod Ricard). Oliver Kirschner: „Paddy kennen in Irland alle, in Deutschland kaum jemand. Woran liegt das?“ Nach den gängigen Drinks gefragt, antworten die Roundtable-Teilnehmer fast unisono: „Irish Coffee!“ Danach wird es aber auch schon dünn...

Irish Pub als Image-Maschine

Der Erfolg der Irish Whiskeys ist untrennbar mit der Institution der Irish Pubs verbunden, die es allerorten in Deutschland gibt. Sven Koerper: „Hier spielt natürlich auch noch die irische Musik mit rein. Diese Komponenten vermitteln überall Authentizität.“ Allerdings: Die absolute Hochzeit der Pub-Zeiten scheint vorbei, die Zahl nimmt langsam ab – und damit ein eminent wichtiger Absatzkanal für den Irish Whiskey. Was also tun, um dennoch im Gespräch zu bleiben? Bedeutend war sicherlich die (Wieder)Entdeckung der „Pure Pot Still Whiskeys“ (heute Single Pot Still), also ‚andere‘ Whiskeys als die gewohnten milden Blends. Single Pot Still Whiskeys werden ausschließlich in kupfernen Brennblasen hergestellt. Das Ausgangsprodukt ist hierbei, im Gegensatz zum Single Malt Whisky, nicht ausschließlich gemälzte Gerste (Malz), sondern enthält auch ungemälzte Gerste. Puristen bestehen darauf, dass der Anteil der ungemälzten Gerste überwiegt und der Whiskey, wie in Irland üblich, dreimal destilliert wird.

Besonders Claudius Elsenberger (Irisch Lifestyle) hat diese Pot- Still-Entwicklung mit seinen beiden Marken „Red Breast“ und „Green Spot“ angekurbelt. Pino Trisolino: „Es ist sehr gut, dass es so etwas gibt, denn diese Single Pot Stills zielen eher auf erfahrene Aficionados – und bei denenkann man durchaus Interesse für diese Alternative wecken.“ Der Erfolg dieser Kategorie kann auch daran abgelesen werden, dass der „Jameson 15 y.o.“, ebenfalls ein Single-Pot-Still-Klassiker, immer besser angenommen wird.

Zurück an die Spitze?

Whiskey Experten bei der Arbeit

Eines ist klar: Die Destillerien und Importeure irischer Whiskeys stehen im Vergleich zu ihren schottischen Mitbewerbern vor einer Herkules-Aufgabe, wenn sie ihren Stoff wieder dahin bringen möchten, wo er eigentlich hingehört: ebenfalls an die Spitze. Oliver Kirschner stellt Bedingungen, wenn er für seine Bar ein Produkt kaufen soll: Es soll „ankommen“ bei seinen Gästen. Und um das zu erreichen, „muss der Whiskey eine Geschichte erzählen, die ich vermitteln kann“. Bei all den Vergleichen, die immer wieder, auch in unserer Diskussion, zum schottischen Nachbarn gezogen werden, wirft der Nürnberger Barchef eine spannende Frage auf: „Wie wünschen wir uns Irish Whiskey denn eigentlich? Soll er Holz haben, torfig sein? Ich finde es falsch, wenn plötzlich versucht wird, den schottischen Stil zu kopieren, denn das hat mit der Entwicklung der Iren nichts zu tun. Grundsätzlich kommt irischer Whiskey eher wie Scotch Blend rüber – das ist gar nicht negativ gemeint. Es wäre wichtig, diesen ganz eigenen Stil zu pflegen und ihn wieder stärker an die Bar zu transportieren.“ Die höchst wertvollen Single Malts, die schon aufgrund ihrer Seltenheit sehr teuer sind, spielen bei den Iren noch keine große Rolle, doch es gibt sie. Was auf der Grünen Insel möglich ist, hat Bernd Schäfer bei seinem Whiskyclub- Mitgliedskollegen Otto Steudel, dem wohl renommiertesten Whiskyhändler der Frankenmetropole, in Erfahrung gebracht: „Da gab es einmal einen Irish mit dem Namen, Old Comber‘; der kostet mittlerweile – sofern er noch erhältlich ist – auch schlappe 600 Euro die Flasche.“ Das ist beim alten Stoff auch das Problem für die Bars – genau wie bei den Raritäten aus anderen Ländern. Uwe Christiansen: „Die alten irischen Midleton Whiskeys sind großartig – aber einfach zu teuer.“

Whiskeyexperte Jan Christensen, Roundtabler der ersten Stunde

Es gibt nur rund 30 verschiedene Irish Whiskeys – und die gängigen sind auch durchaus in den Bars zu finden, werden allerdings seltener geordert als ihre Kollegen aus anderen Whisk(e)yländern. Tatsache ist: Irish ist, siehe stellvertretend das Erfolgsprodukt „Tullamore Dew“, eine unkomplizierte Whiskeygattung, nicht so erklärungsbedürftig wie manche Single Malts. Und selbst für die Single-Malt-Fans dieser Welt haben die Brenner von der Grünen Insel hervorragende Produkte zu bieten, siehe etwa Bushmills (TeamSpirit) und Connemara aus der Cooley-Destillerie (Beam Deutschland). Natürlich stellt sich dann beim Geschmack mancher die Frage: „Wenn schon Rauch, dann gleich Scotch Malt – wozu also soll ein Irish Single Malt ins Regal?“ Oliver Kirschner: „Grundsätzlich gibt es wohl von der Barbetreiberseite keine Kritik am Irish Whiskey – warum auch? Die Schwierigkeit ist bloß, den Knoten zwischen der Erwartung der Gäste und dem Angebot der Destillerien und Importeure zu lösen.“

Nachgerade erfreulich war die Einigkeit unter den Teilnehmern des Roundtables hinsichtlich der Konsumart: Irische Whiskeys sind der größte Genuss, wenn sie pur kredenzt werden. Als Mixdrink bleibt der legendäre „Irish Coffee“ als einziger Klassiker, ansonsten nur vereinzelte Kreationen, die sich nach den nicht unkomplizierten Aromen richten.

Das allgemeine Whisk(e)y-Geschehen

Die Daten des Bundesverbandes der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure sprechen eine eindeutige Sprache. Beim Whisk(e)y, egal ob beim schottischen, irischen, amerikanischen usw., werden mittlerweile zum Teil zweistellige Zuwachsraten geschrieben, was sicherlich ein Riesenerfolg ist. Die Antreiber dieses Trends sind insbesondere die großen Scotch-Blend-Marken wie Chivas Regal und andere. Hinzu kamen ein paar Übernahmen. So hat Beam Global die Cooley-Gruppe in Irland (Connemara, Tyrconnell, Kilbeggan) geschluckt. Das Gequake der bekannten Unken in der Branche, dass mit solchen Übernahmen die Individualität verlustig gehe, ist natürlich Blödsinn. Keiner der Jumbos wird es wagen, irgendetwas an einem Erfolgsrezept zu ändern, das schon seit ein paar hundert Jahren funktioniert.

Den Kern der spektakulärsten Entwicklung beim Whisk(e)y spricht Uwe Christiansen an: „Eine entscheidende Neuerung war z.B. die Einführung des Ardbeg Galileo im Sommer 2012 – der ist heute kaum noch zu kriegen.“ Durch den Trend, relativ junge Single Malts zu limitieren, um den „Sammlerwert“ hochzutreiben, wird eine große Gruppe von Konsumenten mehr oder weniger ausgeschlossen, weil sie sich den Stoff schlicht und einfach nicht mehr leisten kann. Diese Raritäten in Bars auszuschenken, ist nicht weniger schwer: Wer bezahlt schon einen hohen, zweistelligen Eurobetrag für 4 cl einer solchen Rarität? „Eigentlich“, so Bernd Schäfer, „müsste man sich gegen eine solche Entwicklung wehren. Was soll ein Single Malt, bei dem die Flasche 2.600 Euro kostet, bewirken?“ Akzeptabel erscheinen da womöglich nur wirklich alte Single Malts, etwa wie die von „Glenfarclas“, einer der letzten Familienbetriebe, die diesen Stoff gelagert haben. Gleichwohl: Nachgefragt werden diese teuren Spirits in den Bars durchaus.

Werner Obalski

Credit: Konstantin Himonakis

fizzz 04/2024

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