
Themen der Ausgabe
Der Sommer 2021 wird uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Wir alle haben die Bilder der Flutkatastrophe im Kopf, sie gehören zu den Schlimmsten und Schockierendsten, die uns seit langem erreicht haben. Was muss es für ein Gefühl sein, wenn man innerhalb von ein paar Stunden alles verliert? Wenn Möbel, Erinnerungsstücke, sein ganzes Haus von den Wassermassen mitgerissen werden. Die Starkregenkatastrophe hat ein ganzes Weinbaugebiet zerstört, viele der Weingüter an der Ahr wurden hart getroffen. Wir alle kennen die Winzer vor Ort, deren Betriebe und ihr ganzes Equipment einfach weggespült wurden. Fässer, Tanks, technische Hilfsmittel wurden teilweise Kilometer weit entfernt im Schlamm gefunden. Die Folgen sind erschütternd. Neben den vielen Einzelschicksalen hat es eine ganze Kulturlandschaft hart getroffen. Allein 60 Brücken wurden im Ahrtal zerstört, die Landesregierung schätzt die Schäden auf rund 15 Milliarden Euro. Auch Wochen nach der Katastrophe gibt es vielerorts keinen Strom, fließendes Wasser wird es aller Voraussicht nach erst im Herbst wieder geben. Es wird lange dauern, bis wieder ein normales Leben stattfinden kann.
Doch so groß die Not auch ist, mindestens genauso groß ist die Hilfsbereitschaft. Vor allem unter den Winzern herrscht Solidarität. Viele Kollegen aus den anderen Anbaugebieten haben sich auf den Weg gemacht, um bei den Aufräumarbeiten und bei den anfallenden Arbeiten im Weinberg zu helfen. So wurden Notstrom- Aggregate, Pumpen, Trinkwasser, Schaufeln oder Essen in den Kofferraum geladen, um den Kollegen an der Ahr unbürokratisch zu helfen. Die Anteilnahme ist überwältigend. Und die positive Stimmung, die vor Ort herrscht, ist beeindruckend. Für viele ist es eine Herzensangelegenheit, zu helfen.
Die gesamte Weinbranche hält dieser Tage zusammen – es wurden binnen kürzester Zeit verschiedene Hilfsaktionen auf die Beine gestellt. Besonders hervorzuheben ist die Initiative „SolidAHRität“ von Dirk Würtz vom Niersteiner Weingut St. Antony, der über die Sozialen Medien einen Aufruf an die Kollegen startete, Weine zu spenden, die dann in 6er-Kartons zu 65 Euro zugunsten der Kollegen an der Ahr verkauft werden sollten. Die Spendenbereitschaft war enorm. Winzer aus ganz Deutschland, aus unseren Nachbarländern und sogar aus Übersee schickten Weine nach Nierstein. Und innerhalb der ersten 48 Stunden waren bereits 10 000 Pakete bestellt. Schnell gelangte das Weingut an seine Kapazitätsgrenzen und es galt, die logistische Herausforderung zu stemmen. Die Weine mussten gecheckt, sortiert, verpackt und versandfertig gemacht werden. Eine Firma stellte eine Halle in Bodenheim zur Verfügung und so wurde die Packstation dorthin verlegt. Hunderte Freiwillige machten sich täglich auf den Weg, um Pakete zu packen – der Spendenerlös liegt derzeit bei etwa einer Million Euro. Aktionen wie diese geben Mut. Und es zeigt sich einmal mehr, welch großes Privileg es ist, in der Weinbranche zu arbeiten. Eine Branche, die in guten Zeiten miteinander feiert und in Krisenzeiten zusammenhält und sich gegenseitig hilft.
Ilka Lindemann, Chefredakteurin, [email protected]