Ausgabe 03/2019

König ohne Reich
Meiningers Sommelier Ausgabe 3 - 2019

Der Riesling gilt unbestritten als der König der deutschen Weine. Die größten, trockenen Weißweine der Welt werden aus Riesling oder Chardonnay gekeltert. Punkt. Einzelne Ausnahmen räume ich den großen Chenins, Sauvignons, Veltlinern oder Albariños gerne ein. Über die Ausnahmestellung des Rieslings bei rest- und edelsüßen Weinen gibt es ohnehin keine Diskussion. Allerdings auch kaum einen nennenswerten Markt, von der Renaissance des „Kabi“ einmal abgesehen. Doch jung getrunken, fällt der klassische Mosel-Kabinett eher in die Kategorie Lifestyle, die Trinkgelegenheiten gleichen denen eines Gin Tonics. Immerhin.

Eine repräsentative Befragung der Hochschule Geisenheim belegte, was jedem Sommelier aus dem täglichen Kontakt mit den Gästen ohnehin bekannt ist: Riesling polarisiert. Die Aromatik und vor allem der Säuregehalt teilen die Weintrinker in eine Pro- und eine Contra-Fraktion. Hört man sich bei Weingütern, Fachhändlern und Sommeliers um, scheint der Trend eher wegzugehen vom trockenen Riesling. Eine alarmierende Entwicklung, der es mit aller Macht entgegenzutreten gilt! Die Frage ist nur wie. Dass trockener Riesling im Pairing eine Diva sein kann, besonders in der Jugend, ist kein Geheimnis. Geschmeidige, füllige Weine mit dem dezenten Aromaprofil eines Weißburgunders sind da weitaus dankbarer. Dennoch muss es den Ehrgeiz jedes Sommeliers anstacheln, auch immer wieder spannende Speise- Riesling-Kombinationen zu finden. Ein gewisser missionarischer Eifer gehört nun mal zum Sommelier-Beruf dazu. Und Riesling verdient den Einsatz.

Vielleicht hat auch der eine oder andere Winzer den Bogen etwas überspannt beim Bestreben, den Riesling immer noch einen Tick trockener zu vinifizieren. Staubtrocken funktioniert bei Riesling nur unter bestimmten Voraussetzungen: Kalkboden und/oder Holzfassausbau, biologischer Säureabbau, verlängertes (Fein-)Hefelager. Und so weiter. Reife ist ohne Zweifel das probateste Mittel, um große, trockene Rieslinge zu ebenso eleganten wie stimmigen Speisebegleitern zu machen. 2010, 2007 oder 2004 sind jetzt perfekt zu trinken. Doch wer finanziert die Lagerung dieser Weine? Ich fürchte, die Winzer können sich noch so sehr winden und auf fehlenden Platz verweisen. Am Ende wird ihnen nichts anderes übrigbleiben, als diese undankbare Rolle zu übernehmen, wenn sie verhindern möchten, dass sie in wenigen Jahren unter einer Überproduktion an Spitzen-Riesling zu leiden haben.