Solide Fachdiskussion anstatt operative Hektik

Den Württembergischen Wengertern steht im Jahr 2009 erstmals das baden-württembergische Struktur- und Qualitätsprogramm zur Verfügung. "Wir als zuständige Behörde, werden alles daran setzen, den zur Verfügung stehenden Rahmen auszunutzen", unterstrich Anita Schmitt vom Regierungspräsidium Stuttgart, die durch das Programm der 56. Württembergischen Weinbautagung am 4. Februar 2009 in Weinsberg führte.

Dr. Konrad Rühl vom Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum informierte zum Stand der EU-Weinmarktnovelle. Ganz besonders im Magen liegt ihm der für spätestens 2018 anvisierte Wegfall des Anbaustopps. Dr. Rühl befürchtet negative Auswirkungen für die Steillagenweinberge, hofft aber, dass man mithilfe von Verbündeten beliebige Neuanpflanzungen ausbremsen kann. Auch am neuen EU-Rodungsprogramm besteht keinerlei Interesse. Während in Spanien schon 100.000 ha Weinberge zur Prämienrodung angemeldet wurden, so habe es in Baden-Württemberg nur rund ein Dutzend Anfragen gegeben, davon blieb letztendlich "ein Fall" übrig.

Erfreut zeigte sich Rühl über die ermöglichten Nationalen Weinbudgets. Hierfür stehen Baden-Württemberg bis einschließlich 2014 um die 40 Millionen Euro zur Verfügung. Davon wird das Struktur- und Qualitätsprogramm mit seinen vier Säulen gespeist. Dennoch sorgt auch hier Brüssel für bürokratischen Aufwand, denn wer einen Antrag zur Umstrukturierung stellt, muss derzeit einen weiteren Gemeinsamen Antrag stellen sowie die Förderfläche separat ausmessen. Rühl warb um Verständnis und stellte für 2010 eine Neuregelung in Aussicht. In Sachen Neuregelung des Bezeichnungsrechtes plädierte Dr. Rühl für eine solide Fachdiskussion - operative Hektik sei dagegen fehl am Platz. Gut zu überlegen sei insbesondere, wie man mit der neuen Kategorie der Weine ohne Herkunftsangabe umgehe. "Es darf nicht passieren, dass ein Wein ohne Hektarhöchstertragsregelung auf den Markt kommt, der - einschließlich erlaubter Rebsorten- und Jahrgangsangabe - neben unseren anderen Weinen platziert wird. Das würde alle bisherigen Bemühungen konterkarieren". Nutzbar, so unterstrich Dr. Rühl weiter, seien neue g.U.-Begriffe (garantierter Ursprung) erst am dem Jahr 2011, wenn in Brüssel die sogenannten Lastenhefte ausgefüllt seien. Erzeuger oder Erzeugergruppen, die sich eine neue g.U.-Angabe schützen lassen möchten, sollten mit einem 3 bis 5 Jahre dauernden Antragsverfahren rechnen: "Das schwierige Verfahren wird eine Antragsflut wohl verhindern."

Hanns-Christoph Schiefer, LVWO Weinsberg, berichtete zu aktuellen Tendenzen in der württembergischen Weinerzeugung. Hier ist eine relative Konstanz angesagt - dies sowohl in Bezug auf die Ertragsrebfläche (11.336 ha), als auch in Punkto Rot-Weiß-Verhältnis, das nach wie vor bei 71% rot zu 29% weiß liegt. Bei den Wieder- und Neuanpflanzungen (im Jahr 2008) führt der Riesling mit 41 ha vor Lemberger (34 ha). Einen weiteren Rückgang gab es bei der Anzahl der Weinbaubetriebe, allerdings nur im Bereich der Nebenerwerbsbetriebe unter 1 ha. Aktuell bewirtschaften 13.257 Betriebe die Württemberger Rebfläche, größtenteils in genossenschaftlicher Organisation (51 Weingärtnergenossenschaften), zudem zählt man 705 Selbstvermarkter und 24 Erzeugergemeinschaften.

Mit einer Probenanzahl von 14.408 hat die Nachfrage zur Qualitätsweinprüfung im Jahr 2008 einen neuen Höchststand erreicht. Eine vergleichende Auswertung zeigt: "Wir haben in Württemberg die süßesten Weine in ganz Deutschland", berichtete Schiefer als Leiter der Qualitätsweinprüfung. Trollinger werden zu 23 % trocken, zu 47% halbtrocken und zu 30% lieblich ausgebaut. Beim Spätburgunder (23%), und vor allem beim Schwarzriesling (95), ist die als trocken vermarktete Weinmenge noch geringer. Beim Weißwein gilt der Kerner als "süßeste Sorte", während Müller-Thurgau und Riesling zu 30% trocken ausgebaut werden. Die Ablehnungsquote liegt beim Wein um die 3,6% (533 Proben). Beim Sekt wurde im letzten Jahr nur einer von 540 Anträgen abgelehnt. - Für Hanns-Christoph Schiefer ein Beweis, dass das "System funktioniert".

Im Anschluss informierte Dr. Claudia Stein-Hammer von der Deutschen Weinakademie über aktuelle alkoholpolitische Diskussionen und über das laufende WINEinMODERATION-Programm (wir berichteten): "Wir setzen auf Aufklärung anstatt auf Verbote", betonte Dr. Stein-Hammer und berichtete von positiven Rückmeldungen seitens der teilnehmenden Schulen (u.a der LVWO Weinsberg) und IHKs. Bevor es am Nachmittag in den praxisbezogenen Teil der Weinbautagung überging, galt das Interesse der Zuhörer Dr. Emilio Pedron vom italienischen Weingiganten GIV (Gruppo Italiano Vini), der ungefähr soviel Wein vermarktet wie alle württembergischen Erzeuger gemeinsam. Daraus wird ein Jahresumsatz von nahezu 300 Millionen Euro generiert. Pedron, der glaubt, dass die Bedeutung Herkunft in Zukunft weniger wichtig und die der Marke steigen wird, lobte die qualitativen Anstrengung der deutschen Winzer: "In Italien wird viel über die neuen, qualitativ hochwertigen Weine aus Deutschland gesprochen." Auch er kritisierte einige Punkte der EU-Weinmarktreform: "Die neue Weinklasse ist das Ende unserer IGT-Weine", befürchtet Pedron. web

ddw 08/24 vom 19. April 2024

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