Gegensätzliche Insel-Solitäre

Es ist viel in Bewegung: Während es nach einigen Jahren des Booms auf den Kanaren in puncto Tourismus aus Deutschland wieder etwas gesetzter zugeht, sind die Weine aktuell spannender und gefrager denn je. Ob als feste Größe auf den Karten von unzähligen Top-Weinbars im In- und Ausland oder als Titelgeschichte im hippen englischen Magazin „Noble Rot“ – speziell Teneriffa erfährt aktuell einen nie dagewesenen Zuspruch. Maßgeblich dafür verantwortlich sind das einzigartige Terroir mit hohen Lagen, Vulkanböden und autochthonen Sorten sowie zwei Adressen: Suertes del Marqués und Envínate (die beide sogleich auf dem Noble-Rot-Cover landeten). Stilistisch passen ihre Gewächse so gar nicht in das vorgefertigte Bild der Weine von spanischen Urlaubsinseln. Sie sind nicht plakativ oder dropsig, nicht üppig alkoholisch, sondern meist schlank und leicht, reduktiv statt offen, mehr würzig als fruchtig und letztlich eher subtile, vielschichtige Essensbegleiter als gefällige und wie ein Easy-Drinking-Mitbringsel nebenbei konsumierte Weinchen. 

Schlaraffen-Inseln

Nach dem Erfolg von Envínate & Co. sorgen inzwischen auch ambitionierte Nachwuchswinzer wie Pablo Matallana (Vinícola Taro) oder Borja Pérez (Artífice) dafür, dass Teneriffa Gesprächsthema bleibt. Den tropischen Einfluss merkt man übrigens beim Blick auf das Angebot an exotischen Früchten: kleine, sehr aromatische Bananen (die sogenannten Plátanos canarios), Mangos, Papayas, Ananas und vieles mehr lassen Obst-Fans jubeln, selbst Avocados gedeihen dort prächtig.

In Sachen Käse überzeugen die Kanaren hingegen mit diversen Ziegen-Spezialitäten geschützter Herkunft, etwas Queso Palmero, Queso Majorero und Queso de Flor de Guía. Gut zu wissen, wenn man sich Gedanken im Hinblick auf authentische Pairings machen möchte! Ebenfalls gut umzusetzen, auch in kleinen Küchen: die Kanarische Spezialität Papas Arrugadas, kleine Salzkartoffeln mit runzeliger Schale, zu der scharfer Mojo-Sauce unverzichtbar ist. 
 

Apropos Inselküche: Es gibt sowohl auf Teneriffa als auch auf den Balearen nicht nur Top-Weinmacher, sondern auch hochkarätige Küchenchefs. Teneriffa war 2018 sogar Ausrichtungsort der Guide-Michelin-Gala 2018 und zählt mittlerweile mehr als eine Handvoll Sterne. So konnte bei diesem Event das Restaurant Nub im Norden der Insel (La Laguna) seinen ersten Michelin-Stern erringen. Das Nub bietet einen spannenden Mix aus italienischer, chilenischer und traditioneller kanarischer Küche. Die spanische Kochlegende Martín Berasategui hält mit seinem M. B. Restaurant im Hotel The Ritz Carlton Abama in Guia de Isora die Fahne mit zwei Sternen hoch.

 

 

 

 

Die Gastronomie der Balearen darf sich aktuell mit insgesamt neun Sternen schmücken. Auch in Deutschland nicht mehr unbekannt ist z. B. Andreu Genestra, der mit seinem gleichnamigen Restaurant im Ostern Mallorcas einen Michelin-Stern trägt und vorher unter anderem bei den legendären Dreisternen El Bulli und Arzak Erfahrungen sammelte. Er ist bekannt für seine authentische Küche mit Produkten der Inseln und stellte auch schon in Deutschland auf der Chefsache seine Philosophie vor. 

Zwei Welten

Die Wein-Stilistik auf Mallorca und Ibiza ist völlig anders und liegt näher an der „klassischen“ Vorstellung spanischer Weine: reifer, dunkler, fruchtbetonter, konzentrierter, mehr Holz und bisweilen auch oxidativer – eben mediterran und nicht atlantisch. Nicht nur das Klima, auch die Geologie (Kalk und Kies statt Vulkanböden) und das Sortenspektrum unterscheiden sich deutlich. Während man auf den Kanaren auf die lokalen, oft uralten und wurzelechten Reben setzt und diese auch oft sortenrein ausbaut, geht es auf Mallorca etwas gemischter zu. Neben den beiden autochthonen roten Aushängeschildern Callet und Manto Negro gehören auch die internationalen Player Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah und Chardonnay fest zum Stil-Spektrum der Insel. Verbindende Gemeinsamkeiten liefern die bodenständigen, kräftig-würzigen Inselküchen: Ob die seit dem 16. Jahrhundert angebauten Kartoffelsorten Papas Antiguas de Canarias, puristisch im Ganzen mit Schale und Mojo-Saucen gegessen, oder die mallorquinische Wurstspezialität Sobrasada – auf den Tellern findet man jede Menge herrlich unprätentiöses Comfort Food.

 

 

 

 

 

 

 

Wer Süßspeisen schätzt, muss Spezialitäten wie den spiralförmigen Kuchen Ensaimada de Mallorca probieren, oder den Flaó aus Ibiza, ein mit Frischkäse hergestellter und mit Minze gewürzter Kuchen. Auf der Nachbarinsel Ibiza sieht es hingegen wieder kräftiger aus: Dort dominiert die aus der Levante bekannte, dunkel-würzige Monastrell, und der führende Ibiza-Weinproduzent Totem Wines gibt der Sorte in seinem Ibizkus mit 100 Prozent neuem Holz ein ebenso deftiges Gegengewicht. Ganz gleich, welchen Stil man auch bevorzugt: Die Insulaner machen Spaniens Weinwelt in jedem Fall abwechslungsreicher. Und mit den passenden Produkten auf der Karte lässt sich sowohl im Tapas-Format für Weinbars als auch im Menü für Restaurants originales Insel-Flair verbreiten. cn  

 

 

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote