Peter H. Müller spricht mit spitzer Feder Themen aus der Gastro- und Wein-Szene an, die ihm persönlich am Herzen liegen.
Peter H. Müller spricht mit spitzer Feder Themen aus der Gastro- und Wein-Szene an, die ihm persönlich am Herzen liegen.

„Es ward vegan dem Planeten und so.“

Peter H. Müller spricht über den bedachtvolleren Umgang mit Lebensmitteln.

Um, dem derzeit erneut beliebten Schwarz-Weiß-Denken vorzubeugen, folgende Einleitung: Ich bin ein Riesen-Fan des Brachiosaurus – des größten Sauropoden. Mittlerweile probiere ich neugierig alles – es sei denn, es widerstrebt meinem halbwegs gesunden Menschenverstand. Yotam Ottolenghi hat mit seinen Wohlfühlgerichten unseren Haushalt immens bereichert. In meinem kleinen Wirtshäuschen ist die Hälfte der Gerichte auf der Speisekarte grundvegetarisch und wenn es einen Gang mit Fleisch oder Fisch gibt, ist dies nicht als ein großes Stück totes Tier zu verstehen, gepaart mit einer zu dickflüssigen Jus und einer Kartoffel, sondern vielmehr als Ensemblestück aus Gleichwertigem.

Ich sehe es als bescheuert an, in ein – oftmals leider sehr austauschbares – Steakhaus zu gehen (ganz gleich mit welcher Nationalität da geworben wird), um dort für horrende Summen mehr Antibiotika zu mir zu nehmen, als in den meisten Hausapotheken zu finden sind. Ich sehe es als ebenbürtig bescheuert an, sich vegane Bärchenwurst auf die Semmel zu legen – die hat ihr Gesicht nämlich längst verloren, so wie ihr Fleischabfall-haltiges Pendant.

Oder Hähnchenkeulen aus Tofu nachzubauen oder „ich bin wie Sucuk“ oder „Pulled plant based pork“ in sich reinzustopfen. Es gibt so viele gute vegane Gerichte, die nicht darauf angewiesen sind, so zu tun als ob. Man muss sie nur kochen. Es besteht keinerlei Grund, so viel Fleisch und Wurst und deren Waren zu fressen, wie davon derzeit in der westlichen Welt bis zum Zäpfchen verschlungen wird. Es besteht allerdings auch keinerlei Grund, deswegen direkt panisch ins Pissbecken des nächsten Extrems zu springen und nurmehr vegane Konzepte zu fordern – in Gastro und Kühltheken.

Was benötigt wird, ist schlichtweg ein Umgang mit Nahrungsmitteln mit Bedacht. Richtig. Nichts weiter. Lediglich Bedacht. Peruanische Schamanen, zum Beispiel, finden Veganismus sehr seltsam. Sie verstehen den Hintergrund dessen nicht, da es für sie alles im Leben gleichermaßen zu achten gilt und somit auch jeder Pflanze achtenswertes Leben innewohnt. So erübrigt sich für sie auch die unleidliche Diskussion, welches Tier weiter oben als ein anderes steht. In ihrem Sinne gilt es schlichtweg, jedem genommenen Leben Respekt zu zollen.

Wir brauchen mehr Bedacht und weniger Parolen. Mehr Sinn und Verstand und weniger den liebgewonnenen Fingerzeig der Monokultur des Weinbaus Europas auf die Monokultur der Palmenplantagen Asiens. Nur mal so als ein einfaches plakatives Beispiel:  Um es im verlorengegangenen Paradoxon der Übersetzung des Liedes von Baloo, dem Bären, aus dem Dschungelbuch zu formulieren: Wir brauchen weniger Gemütlichkeit - und mehr „bare necessities“.

Schlagworte

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote