Thomas Wenk, Inhaber des "Liebesbier" in Bayreuth, mit dem Serviceroboter Bella.
Thomas Wenk, Inhaber des "Liebesbier" in Bayreuth, mit dem Serviceroboter Bella.

„Der Roboter ist eine große Hilfe“

Thomas Wenk, Inhaber des Bayreuther „Liebesbier“, über seine Praxiserfahrungen mit dem Serviceroboter Bella, Grenzen der Technisierung und das Kreuz mit der Mitarbeitersuche.

Wie läuft es bei euch im „Liebesbier“ im Herbst 2022?

Thomas Wenk: Über Gäste können wir uns derzeit nicht beschweren, es ist ordentlich viel los. Allerdings könnten wir noch 30 Prozent mehr Umsatz machen, wenn wir genug Mitarbeiter hätten. Aber es ist nichts am Markt. Wir haben jetzt eine Personalreferentin eingestellt, die ausschließlich die Aufgabe hat, für uns Mitarbeiter zu suchen. Trotzdem kommen wir nicht groß vorwärts.

Woran liegt das?

Wenk: Die Work-Life-Balance und damit die Freizeit stehen für die jüngeren Mitarbeiter viel stärker im Mittelpunkt. Und in der Gastronomie haben wir nun einmal relativ unattraktive Arbeitszeiten, es ist ein anstrengender Job. Bei uns im „Liebesbier“ ist es jeden Abend voll, die Leute haben jeweils eine relativ große Station zu bearbeiten. Vielen ist das zu anstrengend und sie hören, kurz nachdem sie angefangen haben, bereits wieder auf. Da gibt es einige, die lieber auf 200 Euro im Monat verzichten und in ihren ruhigeren Job zurückkehren. Die Leistungsbereitschaft ist in der Breite nicht mehr da.

Was kann die Lösung sein?

Wenk: Die Lösung ist für mich, die Stationen zu verkleinern und langfristig auf eine 4-Tage-Woche mit je zehn Stunden zu gehen. Aber das kann ich alles erst umsetzen, wenn ich genügend Leute habe – und die sind momentan nicht verfügbar.

Eure neueste Mitarbeiterin heißt Bella, ist ein Serviceroboter und seit einem guten halben Jahr im Einsatz. Wie kam es dazu?

Wenk: Ich war im Frühjahr – wie so viele – endlich mal wieder in Hamburg auf der Internorga. Eigentlich war ich gar nicht auf der Suche nach technischen Geräten, sondern wollte vor allem Leute treffen, die Tipps haben, wie man die Personalnot besser in den Griff bekommt, zum Beispiel über Agenturen, die Mitarbeiter aus dem Ausland vermitteln. Und dann lief uns buchstäblich dieser Roboter über den Weg. Meine Frau hat mir dann einen Kick gegeben, das doch einfach mal auszuprobieren – und kurze Zeit später hatten wir Bella für zwei Wochen zum Testen im „Liebesbier“.

Wie sind die Reaktionen ausgefallen – sowohl innerhalb Eures Teams als auch bei den Gästen?

Wenk: Als ich unseren Mitarbeitern nach der Messe davon erzählt habe, waren sie zunächst völlig aufgelöst. Sie dachten, der Roboter soll Mitarbeiter ersetzen. Sie haben dann aber schnell gemerkt, dass es darum geht, die Mitarbeiter zu unterstützen und sie von schweren Arbeitsschritten zu entlasten. Die Gäste waren ohnehin von Beginn an begeistert und fanden den Roboter witzig und originell. Er blinzelt mit den Augen, er spricht, er ist also kein rein technisches Gerät, sondern erregt positives Aufsehen.

Wie genau setzt Ihr den Roboter ein?

Wenk: Vor allem erleichtert er das Servieren und Abräumen. Du schickst den Roboter zum Beispiel an einen Tisch, an dem du abräumen musst, stapelst die schweren Teller drauf – bei uns sind das zum Beispiel die Steakbretter, die jeweils gut 1,5 Kilogramm wiegen – und schickst ihn dann in die Spülküche. Oder umgekehrt: Du willst an einem 6er-Tisch gleichzeitig das Essen servieren: Zwei Teller nimmst du selbst, die anderen vier Essen stapelst du in der Küche auf den Roboter, gibst die Tischnummer ein und der Roboter fährt dir hinterher zum Tisch. So musst du nur einmal statt dreimal laufen. Auf solche Erleichterungen fahren alle ab.

Die Gastronomie der Zukunft können Gäste im “Liebesbier Restaurant & Bar” im fränkischen Bayreuth erleben. Dort setzt das Team mehr denn je auf persönlichen Kontakt, Gastlichkeit und einen hohen Servicegedanken – und nutzt dabei die moderne Technik in Form eines Service-Roboters. Doch wie passt das zusammen? 

Wie sieht dein erstes Fazit nach einem guten halben Jahr aus? Was funktioniert, was noch nicht so gut?

Wenk: Der Roboter ist jetzt schon eine große Hilfe für uns und leistet bislang ohne jegliche Reparaturen seine Arbeit. Aktuelles Manko ist noch, dass man ihn nicht einfach aus der Ferne an einen beliebigen Tisch rufen kann, an dem man beispielsweise gerade abräumt, sondern ihn nur über das eigene Display zu einer bestimmten Stelle schicken kann. Nun soll es aber neu eine Uhr geben, die der Service am Handgelenk trägt und mit deren Hilfe er den Roboter per Knopfdruck rufen kann. Eine weitere Entwicklung, an der wohl gerade gearbeitet wird, ist auch insbesondere für uns wichtig. Aktuell kann der Roboter noch keine Treppenstufen überwinden, daher können wir mit ihm auch bislang nur etwa zwei Drittel unserer Fläche abdecken. Der Rest liegt zwei Stufen höher. Wenn das noch gelöst wird, ist er eine noch größere Hilfe.

Wie lässt sich das in Zahlen ausdrücken, auch in Relation zu den Anschaffungskosten?

Wenk: So ein Roboter kostet 15.000 Euro in der Anschaffung – nicht wenig auf den ersten Blick. Allerdings entlastet er uns täglich um bestimmt zwei Arbeitsstunden. Das sind 60 Stunden im Monat, also gut 1.000 Euro monatlich. Die Kosten haben sich also nach einem guten Jahr amortisiert.

Wie aufwändig ist die Inbetriebnahme?

Wenk: Überhaupt nicht aufwändig. Vorab schickt man der Firma eine Art Grundriss des Restaurants mit Tischplan und Tischnummern. Die Einrichtung der einzelnen Stationen vor Ort hat dann vielleicht noch einmal zwei Stunden gedauert.

Werdet ihr den Einsatz ausweiten?

Wenk: Derzeit kommen wir mit einem Roboter hin, aber ich würde gerne noch einen zweiten nehmen, wenn wir damit dann den Rest des Restaurants und unserem Saal anfahren können.

Wo siehst du Grenzen dieser Technik im Gastro-Alltag? Wo ziehst du für dich eine rote Linie?

Wenk: Die rote Linie verläuft bei mir da, wo die Gäste keinen Kontakt mehr zum Service haben und sich das Essen selbst vom Roboter nehmen müssen. Ich möchte, dass die Bedienung immer noch als Ansprechpartner da ist, berät und Empfehlungen ausspricht, mal einen Scherz macht und so weiter. Die Gäste verlangen ein Erlebnis, und das darf nicht rein technischer Natur sein. In unserer Art von Restaurant möchte ich, solange es geht, diese Servicequalität erhalten. In einem Schnellrestaurant hingegen wird auch der eben erwähnte Schritt schon bald kommen, da bin ich mir sicher.

Was hältst du von Kochrobotern? Ist das für dich denkbar?

Wenk: Kochroboter sehe ich grundsätzlich nicht als ein Problem an, das tangiert ja den Kunden nicht direkt. Hier kann der Einsatz sogar dazu führen, die Qualität stabil zu halten. Allerdings ist diese Technik noch verdammt teuer und setzt ein sehr straffes, eng umrissenes Food-Konzept voraus. In Zukunft wird es immer mehr Konzepte geben, die sich auf ein Produkt spezialisieren – an dieser Stelle kann das funktionieren. Mitarbeiter, die den Job mit Liebe und Leidenschaft machen, sind natürlich immer die bessere Alternative, aber lieber habe ich einen Roboter, der gewisse frische Zutaten zusammenmischt, bevor ich Convenience-Mist einkaufe, der gesundheitlich vielleicht sogar bedenklich ist.

Wie stehst du grundsätzlich zur Digitalisierung im Gastro-Bereich?

Wenk: Eigentlich sage ich seit Jahrzehnten: ,Weg mit der kompletten Technik, die wir nicht brauchen.‘ Ich war schon damals skeptisch, als die Ordermans aufkamen, die Bestellung direkt am Tisch eingegeben wurde und so die Kommunikation und Interaktion mit dem Gast nachließ. Aber mittlerweile weiß ich, es geht nicht mehr ohne, und jetzt schlage ich die entgegengesetzte Richtung ein. Wenn wir keine Mitarbeiter mehr bekommen, dann gehen wir eben aktiv auf die Technik zu und schauen, wie wir unseren wenigen Mitarbeitern das Leben erleichtern können.

www.liebesbier.de

fizzz 03/2023

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