1% fürs Klima mit Zero Foodprint (Foto: ©fedorovacz - stock.adobe.com)
1% fürs Klima mit Zero Foodprint (Foto: ©fedorovacz - stock.adobe.com)

1% fürs Klima

Essen gehen und damit Klimaschutzprojekte fördern: Das macht die Initiative Zero Foodprint möglich. Gegründet in den USA, können ab sofort auch Betriebe in Deutschland zusammen mit ihren Gästen regenerative Landwirtschaft monetär unterstützen.

Text: Jan-Peter Wulf

Ein Herbstabend im „Bonvivant Cocktail Bistro“ in Berlin-Schöneberg: Butternusskürbis mit der koreanischen Gewürzpaste Gochujang, Sanddorn, Schafsmilch und Schafgarbe als Vorspeise, gefolgt von Pastinake mit geräucherter Hefe, Quitte, Kerbel, Sonnenblumenkernen und Kornelkirschen sowie zum Abschluss Johannisbeerholz, Mandel, Karamell und wilder Apfel stehen auf dem Dreigang-Menüplan. Die wilden Äpfel hat das Küchenteam um Nikodemus Berger eigenhändig in einem Berliner Park gepflückt, auch die Schafgarbe und die Kornelkirschen kommen aus innerstädtischen Grünflächen. Dazu gibt es selbstgemachte Drinks auf Basis von Apfelessig, Absinth und Verjus. 

Dieses besondere Menü hatte das vegetarische Bar-Restaurant als Teilnehmer des „Stadtmenüs“ der „Berlin Food Week“ konzipiert: In Berlin und dieses Jahr erstmalig im ganzen Land boten rund 70 Restaurants eine Woche lang je ein Menü aus regionalen und saisonalen Zutaten an, mit dabei waren unter anderem die „Bachstelze“ in Erfurt, das „Blumen“ in Frankfurt, das „Organic Garden“ in München und das „hæbel“ in Hamburg. Unter dem Motto „eine kulinarische Klimakampagne“ sollten sie zudem einen besonders geringen CO2-Ausstoß verursachen, um zu zeigen: Das Thema Klimaschutz ist auf den Tellern der Gastronomie angekommen und lässt sich genussvoll umsetzen. 
 

Das Stadtmenü des "Bonvivant Cocktail Bistro" zur...
Das Stadtmenü des "Bonvivant Cocktail Bistro" zur...
..."Berlin Food Week" setzt auf eigens gesammelte Zutaten (Fotos: Bonvivant)
..."Berlin Food Week" setzt auf eigens gesammelte Zutaten (Fotos: Bonvivant)

Boden gut machen

Zugleich war dieses Stadtmenü der offizielle Start einer neuen Nachhaltigkeits-Initiative: „Zero Foodprint“ heißt sie und hat sich zum Ziel gemacht, mit Umsätzen aus der Gastronomie Klimaschutzprojekte zu fördern. Das Ganze kommt aus den USA, dort wurde „Zero Foodprint“ im Jahr 2015 gegründet, im Jahr 2020 wurde rund eine halbe Million US-Dollar nach dem Prinzip „ein Prozent fürs Klima“ eingesammelt. 2021 nun startet das Projekt auch in Deutschland, Lizenzpartner und mit der Umsetzung beauftragt ist Greentable e.V., der Verein für nachhaltige Gastronomie, der auch schon eine „Beste-Reste-Box“ für übrig gebliebene Lebensmittel sowie den „KlimaTeller“, eine App zur Berechnung der CO2-Emissionen von Gerichten, mit auf den Weg gebracht hat. 

„Zero Foodprint“ funktioniert so: Ein Prozent der Rechnungen (aufgeschlagen oder eingepreist) spenden die teilnehmenden Restaurants an das Projekt, die Gelder werden in einem eigens eingerichteten Fonds, dem „Zero Foodprint Bodenfonds“, gesammelt und dann an ausgewählte Projekte gespendet. Bodenfonds heißt es deshalb, weil sich die Initiative auf das Thema Böden, genauer Agrar- und Forstwirtschaftsflächen, fokussiert: Unterstützt werden mit den Geldern Betriebe, die nach den Methoden der regenerativen Landwirtschaft arbeiten. Bei dieser wird darauf geachtet, dass das natürliche Gleichgewicht des Ökosystems intakt bleibt. Insbesondere geht es darum, die wertvolle Humusschicht zu schützen und zu stärken. Unter anderem geschieht dies durch Kompostierung, Fruchtfolge (also nicht alljährlich dieselbe Feldfrucht anzubauen) und indem Spritzmittel sowie Pestizide vermieden werden. Das hat viele positive Effekte: Mehr Biodiversität, nährstoffreichere Böden und eben auch Klimaschutz, denn Humus bindet Kohlenstoff bzw. CO2 aus der Atmosphäre. Heißt: Mit jedem Euro, der in einem Restaurant ausgegeben wird, das Partner von Zero Foodprint ist, geht ein Cent in aktiven Klimaschutz. Und weil solche besseren Böden auch werthaltigere, gesündere und eventuell sogar besser schmeckende Feldfrüchte hervorbringen, wird auch in dieser Hinsicht eine Brücke zur Gastronomie gebaut – und es schließt sich ein Kreis. 

"Ideal fürs Gästegespräch"

Heinz Wehmann, Inhaber und Chefkoch des "Landhaus Scherrer" nahm in der Pilotphase der Initiative teil (Foto: Bertold Fabricius)
Heinz Wehmann, Inhaber und Chefkoch des "Landhaus Scherrer" nahm in der Pilotphase der Initiative teil (Foto: Bertold Fabricius)

So habe der Service diese bei der Bestellungsaufnahme am Tisch konkret darauf hingewiesen: „Was Sie heute bei uns essen, tut etwas Gutes fürs Klima“ – mit kurzer Erklärung, was „Zero Foodprint“ ist und wohin das gesammelte Geld geht. Dies sei bei allen Gästen auf positive Resonanz gestoßen, so Wehmann junior, und besonders, dass ein lokales Landwirtschaftsprojekt damit gefördert wurde: Der „Gut Haidehof“ in Wedel bei Hamburg wurde mit dem Betrag von 5.000 Euro, der in der Pilotphase zusammen kam, bedacht. Genauer: dessen Hühner. Sie dürfen nun in einem mobilen Hühnerhaus wohnen, das verschoben werden kann – so wird „regeneratives Weidemanagement“ noch effektiver möglich. Ein weiterer landwirtschaftlicher Projektpartner ist „Gut&Bösel“ bei Frankfurt/Oder, renommierter Lieferant von Erzeugnissen u.a. für die Gastronomie in Berlin. 

Das „Landhaus Scherrer“ hat sich entschieden, das „Klimaprozent“ einzupreisen und nicht sichtbar aufzuschlagen. Es abzuführen, sei technisch betrachtet mit einem modernen Kassensystem überhaupt kein Problem, so Wehmann. Wichtig sei allerdings, das Team mitzunehmen, sodass alle den Gästen etwas über das innovative Projekt erzählen können. „Investiert diese Zeit in euch selbst und eure Mitarbeiter – und nennt auch Beispiele, was ihr darüber hinaus selbst für mehr Nachhaltigkeit tut“, rät Julian Wehmann den Kollegen. 

Generation Greta

Claus Peter und sein Team von "Peters Genusshotel" gehen nun noch sorgsamer mit Lebensmitteln um (Foto: Kirk Dahmke)
Claus Peter und sein Team von "Peters Genusshotel" gehen nun noch sorgsamer mit Lebensmitteln um (Foto: Kirk Dahmke)
Peters Genusshotel in der Wingst (Foto: www.kdfoto.de)
Peters Genusshotel in der Wingst (Foto: www.kdfoto.de)

Auch „Peters Genusshotel“ in der Wingst hat sich an der Pilotphase beteiligt. „Wir haben nur gutes Feedback darauf erhalten“, so Inhaber Claus Peter. Er hat sogar ein eigenes Menü kreiert, um seinen Gästen das Thema im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen, zudem hat er die regionale Presse zum Probieren eingeladen: „Zero Foodprint ist, wenn man es richtig einsetzt, ein gutes Marketingtool.“ Im Gegensatz zum „Landhaus Scherrer“ hat er den Aufpreis von einem Prozent in die Karte hineingeschrieben, um es plakativ zu machen. Was kein Problem sei, im Gegenteil: Dieser überschaubare Betrag werde gerne zusätzlich entrichtet, hat er beobachtet. „Und gerade jüngeren Gästen, der ‚Generation Greta‘, signalisieren wir damit auch: Wir setzen das bei uns um, was euch beschäftigt.“ Zusätzlich, so Peter, habe die Teilnahme an „Zero Foodprint“ auch interne positive Effekte: Sein „sehr junges“ Team gehe nun noch sorgsamer mit Lebensmitteln um, es werde kaum noch spontan bestellt, sondern besser geplant, gelagert und verbraucht.

„Es fördert die Motivation bei uns“, so Peters, und er findet, dass es sogar ein Pro-Argument vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels bietet: Junge Menschen, so vermutet er, würden sich tendenziell eher für einen Betrieb entscheiden, der sich nachhaltig engagiert. Was „Peters Genusshotel“ als Mitglied im Verein Nachhaltiger Norden e.V., von Greentable e.V. und vom Dehoga Umweltcheck in der höchsten Stufe Gold zertifiziert, durchaus tut. Wie Julian Wehmann rät auch Peters dazu, das Team in Sachen Zero Foodprint fit zu machen, damit Service und Küche das Gespräch mit den Gästen dazu führen und Fragen beantworten können. Das Projekt stellt allen teilnehmenden Betrieben Informationsmaterialien zur Verfügung, sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Gästekommunikation. 

Jeder Cent zählt

Mitmachen können übrigens alle gastronomischen Betriebe, vom Sternerestaurant bis zur Betriebskantine, auch getränkelastige Konzepte wie Cafés oder Bars. Sie müssen dafür noch kein ausgewiesenes Nachhaltigkeitsprofil vorweisen – jeder Cent zählt.

„Wir laden alle ein, mit uns Genuss und Klimaschutz in Verbindung zu bringen und Brücken zwischen Gastronomie und Landwirtschaft zu bauen“, so Projektleiter Matthias Tritsch. Im kommenden Jahr können sich auch Restaurants in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein der Initiative anschließen. 

Mehr Informationen: www.zerofoodprint.de 

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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