Thomas Eckel, Kaffeeröster, Barista, Q-Grader und Geschäftsführer der Murnauer Kaffeerösterei
Thomas Eckel, Kaffeeröster, Barista, Q-Grader und Geschäftsführer der Murnauer Kaffeerösterei

„Kaffee wird definitiv ein teures Produkt“

Thomas Eckel, Kaffeeröster, Barista, Q-Grader und Geschäftsführer der Murnauer Kaffeerösterei über den wachsenden Markt der Kaffeespezialitäten, die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes und die Zukunft des Kaffeeanbaus.

Corona und der Shutdown haben dazu geführt, dass sich viele Leute zu Hause etwas gegönnt haben. Man hört, dass der Verkauf von Siebträgermaschinen für den Heimbereich stark angestiegen ist. Welche Veränderungen haben Sie als Kaffee-Experte und Röster in der Zeit festgestellt?

Eckel: Der Gastronomiebetrieb ist in der Zeit natürlich komplett eingebrochen, dafür haben wir bei weitem mehr Kaffee an Endkunden verkauft, etwa über den Lebensmitteleinzelhandel oder den Bio-Fachhandel. Das Umsatzwachstum betrug auf gleicher Fläche fast 100 Prozent. In dieser Zeit hat sich die Beliebtheit von Spezialitätenkaffee deutlich erhöht. Und als die Pandemie dann abflaute, die Leute wieder ihr Stamm-Café besuchen konnten, ist der Umsatz dennoch nicht wieder eingebrochen. Wir im Spezialitätenbereich haben bemerkt: Wenn die Konsumenten einmal auf einer gewissen Qualitätsebene angekommen sind, dann bleiben sie dort.

Spezialitätenkaffee war bis dato eher ein Fall für kleinere Röstereien. Nun zeichnet sich ab, dass auch größere Anbieter den Markt bedienen wollen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung und welche Chancen geben Sie denen?

Eckel: Wie sehe ich die Chancen? Ich sehe, dass sie gute Chancen haben. Und ich sehe, dass wir kleinen Kaffeeröster noch gar nicht wirklich begriffen haben, was da auf uns zukommt. Woran mache ich das fest? Ich hänge es mal an dem Living-Income-Gesetz, dem Lieferkettengesetz, auf. Das Lieferkettengesetz tritt in Deutschland ab 2023 in Kraft und betrifft zunächst alle Unternehmen, die mehr als 3.000 Mitarbeiter haben. Das Gesetz regelt unter anderem, dass alle Beteiligten entlang der Lieferkette, also vor allem auch die Kaffeebauern, ein Living-Income, also ein Einkommen erhalten müssen, von dem sie leben können. Bislang haben sich die kleinen Kaffeeröster hingestellt und gesagt: ,Wir zahlen gute Preise. Wir arbeiten fair mit den Bauern zusammen.‘ Ab 2023 können die großen Unternehmen aber offiziell nachweisen, dass sie einen Living-Income-Preis bezahlen und wiederum die Frage aufwerfen, wie es denn tatsächlich bei den Kleinen um die Preise steht. Ich glaube, die großen Anbieter können die Klaviatur der fairen Preise, der Nachhaltigkeit und der Zusammenarbeit durchaus spielen – und sie werden das auch gut spielen, ohne ein Green Washing betreiben zu müssen.

 

Die Nachfrage nach Kaffeespezialitäten ist während der Pandemie stark angestiegen.
Die Nachfrage nach Kaffeespezialitäten ist während der Pandemie stark angestiegen.
Doch woher sollen die begehrten Bohnen angesichts des Klimawandels in Zukunft kommen?
Doch woher sollen die begehrten Bohnen angesichts des Klimawandels in Zukunft kommen?

Das macht aber noch lange keinen guten Kaffee aus…

Eckel: Kaffee auf einem kleinen Röster zu rösten, gute Qualität hinzubekommen, das können die Großen genauso wie die Kleinen. Ich muss eben qualitativ hochwertigen Rohkaffee einkaufen und die Bohnen gut rösten, aber das ist kein Hokuspokus. Wir Kleinen können das, warum sollten die Großen das nicht ebenfalls können?

Wie erklären Sie sich grundsätzlich das gestiegene Interesse der großen Anbieter an dem Thema der Spezialitätenkaffees?

Eckel: Sie bemerken natürlich auch die schleichende Marktverschiebung. In den letzten Jahren hat sich der Markt jeweils um etwa ein Prozent zugunsten der Spezialitätenröster verschoben. Das entspricht in etwa 600.000 Kaffeetrinkern pro Jahr. Nach zehn Jahren würden den Großen 6 Millionen Kaffeetrinker fehlen. Der Deutsche Kaffeeverband hat einmal geschätzt, dass der Spezialitätenmarkt auf 16 bis 18 Prozent anwachsen und somit in etwa die Größe des Kapselmarktes erreichen könnte.

Sie sprachen von den Living-Income-Preisen. Wie hoch sind diese in etwa und was wiederum wird aktuell im Schnitt bezahlt?

Eckel: Fairtrade hat die ersten Living-Income für Kolumbien und Indonesien berechnet und bereits veröffentlicht. Diese liegen aktuell zwischen  2,03 und 2,94 US-Dollar. Im Vergleich dazu liegt der herkömmliche Fairtrade-Preis bei 1,40 US-Dollar, was den Leuten gerade einmal hilft, nicht zu verhungern. Das sind plötzlich ganz neue Preise, die die Großen allerdings auch zahlen werden, weil sie ihren Kunden sonst gar nichts mehr anbieten können. Die Kleinröster wiederum fallen zwar nicht unter das Lieferkettengesetz, müssen  sich aber gegen die Konkurrenz auch argumentativ behaupten. Letztlich muss sich also jeder im Markt mit dem Thema beschäftigen.

Wie geht’s generell weiter mit den Preisen?

Eckel: Ich glaube, im Spezialitätenbereich wird der Kaffeepreis nicht mehr heruntergehen. Grundsätzlich sind die Preise dadurch gestiegen, dass sich die Kaffeebauern im letzten Jahr am gestiegenen Börsenpreis orientiert und ihre Preise diesem angepasst haben. Und so werden wir das auch mit den Living-Income-Preisen erleben. Wieso sollte der Kaffeebauer, wenn er den Living-Income-Preis garantiert bekommt, höhere Qualität liefern? Wir als Spezialitätenröster werden also auf den Living-Income-Preis noch einmal ordentlich etwas aufschlagen müssen, damit wir den hochwertigen Kaffee auch weiterhin bekommen. Die Konsumenten werden sich im Spezialitätenmarkt also an Preise von über 30 bis zu 34 Euro pro Kilogramm gewöhnen müssen.

Manufakturröstereien wie die Murnauer Kaffeerösterei konnten ihren Absatz zuletzt stark steigern.
Manufakturröstereien wie die Murnauer Kaffeerösterei konnten ihren Absatz zuletzt stark steigern.

Ist Kaffee damit auf dem Weg zum Luxusprodukt?

Eckel: Das ist ein kompliziertes Thema. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass bis 2050 klimabedingt auf den aktuellen Anbauflächen nur noch 50 Prozent des jetzigen Kaffees geerntet werden kann. Dazu kommt, dass der Kaffeekonsum weltweit weiter steigen wird. Wenn ich die jetzigen Parameter zur Grundlage nehme, wird Kaffee also definitiv ein teures Produkt werden. Die klimatischen Veränderungen führen allerdings auch dazu, dass neue Anbaugebiete hinzukommen und den Wegfall in Teilen kompensieren können. Und dann gibt es noch Länder wie Angola, bis vor 30 Jahren noch einer der größten Exporteure für Kaffee. Seit dem Bürgerkrieg ist das Land quasi von der Kaffee-Landkarte verschwunden, bemüht sich nun aber langsam wieder, Kaffee anzubauen und in den Markt wieder einzusteigen. Hohe Preise helfen dabei natürlich, zumal Kaffee mit anderen landwirtschaftlichen Produkten um Anbauflächen konkurriert.

Angesichts der wachsenden Professionalität im Home-Bereich – wie sehen Sie die Perspektive des Kaffees in der Gastronomie? Was müssen Gastronomen jetzt tun, um weiterhin den Markt mitzugestalten?

Eckel: Was wir in der Gastronomie häufig feststellen: Der Gastronom kauft sich eine gute Maschine und ordentlichen Kaffee und geht dann davon aus, dass ein guter Kaffee rauskommt. Es wird aber nicht in Schulungen investiert. Eine Flasche Bier machen Sie auf und schenken es ein, das ist ein fertiges Produkt. Kaffee jedoch ist ein halb fertiges Produkt, das müssen Sie erst zubereiten. Den Fisch und den Schweinebraten müssen Sie auch erst zubereiten, dafür gibt es Köche, die eine Lehre machen. Und Kaffee, den soll man nebenbei kochen können? Da sehen wir noch großes Potenzial, damit in der Gastronomie dauerhaft guter Kaffee angeboten wird.

murnauer-kaffeeroesterei.de

fizzz 04/2024

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