Text: Barbara Becker
Dieses Close Up erschien ursprünglich in der Ausgabe #06-22 des fizzz Magazins. Für diese Veröffentlichung wurde der Text an einigen Stellen gekürzt. Die Printausgabe können Sie hier bestellen.
Ihr Ziel: der Auf- und Ausbau einer Infrastruktur für populäre Food-Angebote aus ganz Deutschland – und darüber hinaus. Die beiden Männer an der Spitze von Chefly vereinen internationale Business-Erfahrung mit Delivery-Know-how: Bevor CEO Beschir Hussain 2017 Vertical Food – das nach der Beteiligung von Unilever in Chefly umbenannt wurde – gründete, hatte er bereits in sechs Ländern den Liefer-Marktplatz Hellofood aufgebaut und an Delivery Hero verkauft. Grenzerfahrung sammelte der passionierte Sportler als Profi-Kletterer auf den höchsten Bergen der Welt wie dem Kilimandscharo und dem Mount Everest.


Co-Founder Egor Korolkov, der als CFO das Finanzmanagement des Unternehmens verantwortet, bringt Erfahrung aus seiner Tätigkeit für das Beteiligungsunternehmen Rocket Internet und der Investmentgesellschaft BlackRock mit, wo er in verantwortlicher Position unter anderem die Implementierung der Risiko- und Investmentplattform Aladdin steuerte. Das sind keine schlechten Voraussetzungen für den Aufbau einer zukunftsorientierten Business-Idee, die gemeinsam mit einem finanzstarken Partner umgesetzt wird.
Vergangenes Jahr kam es zur Kooperation mit dem Foodriesen Unilever, die neue Möglichkeiten für das 2017 gegründete Unternehmen eröffnete. Beschir Hussain: „Durch die Zusammenarbeit mit Unilever hatten wir die Gelegenheit, noch einmal unsere Mission und Zielsetzung zu reflektieren: Es geht darum, populäre Food-Brands mit lokalen Nachbarschaften zu verbinden. Um geografische Nähe zu den Kunden herzustellen, musste man in der Vergangenheit jedoch ein Restaurant bauen. Diese Verbindung zwischen Food-Brands und Communities wollen wir durch unsere Infrastruktur schaffen. Wir öffnen diese Infrastruktur auch für externe Marken, die daran interessiert sind, ihre Reichweite zu maximieren, ohne viel Geld und Zeit in einen neuen Store zu investieren.“

Die Plattform Chefly.de soll einerseits Beständigkeit bieten und andererseits die Möglichkeit eröffnen, mit verschiedenen Konzepten zu experimentieren: Spannende Angebote können über diese Infrastruktur immer wieder Fuß fassen und Reichweite generieren. Weniger beliebte Angebote können deaktiviert oder entfernt werden. Aber niemand muss einen Laden schließen. Wie bei Netflix, das als Businessmodell Inspiration liefert, werden Inhalte, die nicht mehr so spannend sind, durch den Algorithmus nach hinten geschoben.

„Die Küche funktioniert wie der Server von Netflix: Statt Filme findet der Endkunde auf der Oberfläche die verschiedenen Food-Brands, die entweder von uns entwickelt oder von Kooperationspartnern aufgeschaltet wurden.“
Egor Korolkov: „Für die gastronomische Expansion in neue Regionen gibt es verschiedene Optionen: Alleine, was die Entwicklung eines Standortes voraussetzt, als Franchise-Konzept oder, als neue dritte Option, die Zusammenarbeit mit uns. Wir sehen das als Symbiose zweier Partner, die ihre Stärken zusammenbringen und die Reichweite qualitätsbewusst erweitern können. Basis ist ein hybrides Logistik-Modell, bei dem wir auch mit Anbietern wie Uber Eats, Wolt und Lieferando kooperieren.“
Auf der Plattform von Uber Eats kann Chefly beispielsweise von Bestellung zu Bestellung in Abhängigkeit der eigenen Auslastung entscheiden, ob der Kunde von der hauseigenen Logistik oder vom Partner Uber beliefert werden soll. Chefly agiert mit eigenen Küchen und eigenen Köchen als Kitchen-Operator und übernimmt die Qualitätsgarantie.
Die Küchen sind sieben Tage in der Woche geöffnet, bestellt wird online, sowohl Abholung durch den Kunden als auch Lieferung ist möglich. Je nach Aufbau können bis zu 15 eigene und externe Food-Marken aus einer der 150–200 Quadratmeter großen Küchen heraus angeboten werden. Die verschiedenen Brands werden von durchschnittlich drei bis vier Köchen pro Schicht zubereitet.


In der Juni Ausgabe haben wir mit Beschir Hussain und Egor Korolkov von Chefly zwei digitale Gastro-Vorreiter im Porträt.
Außerdem im Heft:
- City Special London
- moderne Hotel-Gastronomie
- AFG-Trend
- Gin & Tonic-Matches
- und viele weitere spannende Themen!
Umsatz mit Retail-Waren
„Dem Kunden ist die Foodqualität wichtig“, betont Egor Korolkov. „Wir haben als Kitchen-Operater vieles gelernt, was funktioniert, und was im Delivery Channel zu berücksichtigen ist. Da wir mehrere Marken betreuen, können wir das Angebot effizienter gestalten, denn es handelt sich bei der Zusammenstellung des Portfolios um Warengruppen, die teilweise ineinandergreifen. Die einzelnen Marken im Portfolio sind komplementär, d. h. sie sprechen unterschiedliche Kundenbedürfnisse an, denn wer isst schon eine Pizza um 10 Uhr morgens? Das hilft, die Auslastung der Ressourcen konstant zu halten und reduziert Abfälle.“

„Die Gründung einer neuen Food-Marke ist zwar einfach, der Aufbau ist aber teuer. Starke externe Brands können dabei sehr hilfreich sein. Deshalb wurde in Kooperation mit Unilever unsere neue vegetarisch-vegane Burgermarke BunUp in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Unternehmen The Vegetarian Butcher entwickelt."
Chefly selbst hat aktuell sieben verschiedene Marken im Portfolio: Fünf Food (Restaurant)-Marken und zwei Retail-Brands. Dass Beschir und Egor mit ihren Gastronomie-Lizenzen Handelsware auch sonntags ausliefern dürfen, ist ein enormer Vorteil: Rund 50 % des Retail-Umsatzes wird an Sonntagen getätigt. Der Fokus liegt auf 100 Produkten, die statistisch betrachtet wöchentlich gekauft werden – die Bestseller aus dem Handel, sozusagen. Dabei greifen Synergieeffekte mit Waren, die Chefly in seinen Küchen ohnehin für die Zubereitung der Speisen benötigt.

Egor Korolkov gibt Einblick in die Systematik, mit der das Angebot effizient und synergetisch auf- und ausgebaut werden soll: „Der operative Aufwand, um einen neuen Store im Marktplatz aufzusetzen, ist relativ gering. Aber die kulinarische Ausrichtung muss stimmen – wie bei italienischer Pizza, die viele Deutsche als ihr absolutes Lieblingsessen bezeichnen, was eine Vielzahl an Bestellungen mit sich bringt. Darüber wächst das Unternehmen. Eine populäre Ableitung davon wäre eine vegane Pizza, die dem Trend zu nachhaltigem Essen folgt.“
Next step: Frankfurt am Main
Aktuell sucht Chefly passende Objekte, die zu Lieferküchen umfunktioniert werden können. Die Liefergebiete und damit die Standorte werden unter Aspekten wie Besiedelungsdichte und Kaufkraft beurteilt. Es läuft gut bei Chefly, auch nachdem jetzt die stationäre Gastronomie wieder geöffnet ist. Die Nachfrage wächst kontinuierlich.
„Der Delivery-Anteil im Food-Markt liegt aktuell bei rund 5 %, im Bereich Fashion oder Elektronik wird inzwischen über 30 % des Umsatzes über Online-Kanäle generiert.", meint Egor Korolkov zum nach wie vor großen Potential.
Bisher produziert und liefert Chefly nur in Berlin. Der nächste Schritt sind Openings in Frankfurt am Main, dort stehen zwei Küchen kurz vor der Fertigstellung und sollen zeitversetzt eröffnet werden. Weitere Standorte sollen folgen. Das Ziel von Chefly bis Ende 2024: 15 Lieferküchen und 150 digitale Restaurants.
Weitere Informationen: www.chefly.de