Betty Kupsa hat dem Tequila mit ihrer Bar "The Chug Club" eine Kathedrale gebaut. (Foto: Tim Gerdts)
Betty Kupsa hat dem Tequila mit ihrer Bar "The Chug Club" eine Kathedrale gebaut. (Foto: Tim Gerdts)

„Diese Explosion im Mund…“

Betty Kupsa über das Konzept ihrer Hamburger Bar „The Chug Club“, die aktuellen Trends im Tequila-Bereich und wie sie ihre Gäste mit der Liebe zur Agave ansteckt.

Interview: Benjamin Brouër, Fotos: Tim Gerdts

„To chug“ bedeutet übersetzt: etwas herunterstürzen, auf Ex trinken. Hinter dem Namen „The Chug Club“ könnte man also eine üble Säuferspelunke vermuten, in der es ab 2 Uhr morgens zusätzlich zum Kurzen einen auf die Nase gibt. Doch weit gefehlt: Im Hamburger „Chug Club“ von Betty Kupsa werden feine Drinkkreationen zubereitet, dargereicht in einer atmosphärischen Mischung aus mexikanischer Kneipe und Kathedrale. Das Cocktailformat allerdings lädt tatsächlich zum schnellen Leeren ein, denn Kern des Angebots und Aushängeschild der beliebten Bar-Adresse sind Mini-Drinks á 4 cl, vorzugsweise serviert in Dreier-Flights, allesamt auf Tequila- oder Mezcal-Basis. Nicht nur aufgrund der hochwertigen und für manch einen immer noch ungewohnten Basisspirituosen sei es aber jedem Gast dringend empfohlen, sich länger als nur einen Schluck mit den Chugs zu beschäftigen.

Als du im Herbst 2015, also vor bald sieben Jahren, deine Bar auf St. Pauli eröffnet hast, überraschte die gleich doppelte Zuspitzung des Konzepts. Zum einen durch das Format der Mini-Cocktails, zum andern durch die Fokussierung auf Tequila. Was hat dich dazu bewogen?

Betty Kupsa: Diese doppelte Spezialisierung geht Hand in Hand. Ausgangsüberlegung war, dass ich den Leuten mit Tequila eine sehr spezielle Spirituose näherbringen wollte und mich fragte, wie ich das am besten anstelle. Ich glaube, unserer Ansatz hat zwei Vorteile. Durch das Format der Mini-Cocktails kann der Gast viel mehr probieren, und gleichzeitig sinkt das Risiko, einen teuren Tequila-Cocktail zu bestellen, den man vielleicht nicht mag. Dank der kleinen Drinks für je 4,50 € kann man sich also vorsichtig herantasten. Das hat uns die Arbeit extrem erleichtert. Bei dem Dreier-Flight muss der noch nicht einmal eine Auswahl treffen. Für 13 € erhält man drei kleine Drinks und kann probieren, ob einem etwas besonders gut gefällt.

"The Chug Club": seit Herbst 2015 Anlaufstelle für alle Tequila-Fans Hamburgs (Foto: Tim Gerdts).
"The Chug Club": seit Herbst 2015 Anlaufstelle für alle Tequila-Fans Hamburgs (Foto: Tim Gerdts).

Wie wichtig ist eine solche Profilierung des Konzepts heute?

Betty Kupsa: Ich glaube, man muss ich heute klar positionieren. Diese Spezialisierung wird in Zukunft noch stärker werden, glaube ich. Kleiner, spezieller, weg von einer Karte mit 100 Drinks... Ich wollte das damals einfach so, obgleich viele Leute das zu Beginn nicht verstanden haben und den Weg für zu risikoreich hielten. Für mich war aber klar, dass die Bar ein klares Gesicht haben soll.

Im Herbst jährt sich die Eröffnung des „Chug Club“ zum siebten Mal. Wie hat sich deine Bar seitdem entwickelt?

Betty Kupsa: Ausgezeichnet. Als ich vor sieben Jahren begonnen habe, war Tequila noch nicht so in aller Munde, wie es nun der Fall ist. Wir mussten also zu Beginn viel Überzeugungsarbeit leisten. Inzwischen kommen die Leute schon sehr interessiert bei uns an und kennen sich aus. Der Südamerika-/Lateinamerika-Boom der letzten Jahre – in Hamburg mit Läden wie der Taqueria „Mexiko Straße“ und „Salt & Silver“ – hat auch dafür gesorgt, dass im Tequila-Bereich viel passiert ist.

Wie macht sich das bei dir in der Bar konkret bemerkbar?

Betty Kupsa: Ich hatte natürlich nicht von Beginn an 400 Flaschen Schnaps bei mir rumstehen. Als ich angefangen habe, war das Angebot an Tequila noch sehr begrenzt. Heute gibt es ein großes Angebot an guten Qualitäten. Auch wenn wir in der Bar zu gut 90 Prozent Drinks machen, so ist zuletzt die Nachfrage nach Pur-Spirituosen stark sehr gestiegen. Das finde ich sehr spannend. Viele Sachen muss ich laufend wiederbestellen, spezielle Mezcals etwa oder die Lieblingstequilas der Teammitglieder, die sie natürlich am liebsten verkaufen. Ich habe dieses Jahr allein schon sechs oder sieben Flaschen Fortaleza Blanco bestellt, was nur pur durchgeht. Die Entwicklung ist auch für mich gut, weil ich mich dadurch immer wieder mit neuen Produkten auseinandersetzen muss und darf.

Spezialität der Bar: Mini-Cocktails, "Chugs" genannt, die vorzugsweise im Dreier-Flight gereicht werden (Foto: Tim Gerdts).
Spezialität der Bar: Mini-Cocktails, "Chugs" genannt, die vorzugsweise im Dreier-Flight gereicht werden (Foto: Tim Gerdts).

Wie hat sich das Publikum mit der Zeit entwickelt?

Betty Kupsa: Mitten auf St. Pauli gelegen, im Schmelztiegel unterschiedlicher Einflüsse, hatten wir schon immer ein sehr buntes Publikum. Wir haben Nachbarn, Connaisseurs, Cocktailliebhaber, viel internationales Publikum und auch viele Kollegen aus der Gastronomie zu Gast . So entwickelt sich – und das finde ich spannend – eine heterogene Masse, die ihrer gemeinsamen Leidenschaft nachgeht. Das macht eine Bar aus. Ich fühle mich in einer Umgebung, wo sehr viel gleiche Leute sind, meist nicht so wohl. Eine bunte Mischung an Leuten betont die Rolle der Bar als Ort für soziale Kontakte und als Kulturort. Das müssen wir in der kommenden Zeit noch viel stärker betonen und hervorheben.

Immer wieder wird dem Tequila der große Durchbruch prophezeit. Wie siehst du das? Und welche Trends zeichnen sich derzeit beim Tequila ab?

Betty Kupsa: Was bedeutet denn der „große Durchbruch“? Dass auf einmal keine Gin Tonics, sondern nur noch Margaritas getrunken werden? Das wird nicht passieren. Man kann die Sachen nicht so strikt voneinander trennen und es muss nicht immer nur eine erfolgreiche Sache geben. Grundsätzlich glaube ich, dass das Interesse an guten Spirituosen, die auch gerne ein bisschen teurer sein dürfen, steigt. Das ist für mich ein Trend, der sich – bezogen auf Fachläden – auch ganz klar beim Tequila abzeichnet. Sowohl Angebot als auch Nachfrage und Qualität steigen. Und was die Bars angeht: Du findest heute kaum noch Adressen, in denen es nicht mindestens einen Tequila- und einen Mezcal-Drink gibt. Das spricht schon eine deutliche Sprache.

Geliebt, gehasst, gehypt: Tequila wird der neue Gin, heißt es immer wieder und die Wachstumsraten untermauern die These. Eine Mischung aus handwerklicher Tradition und Innovationskraft ist das Erfolgsgeheimnis des Tequilas. Wir zeigen die heißesten Agaventrends von morgen!

Vor ein paar Jahren war das große Tequila-Thema immer 100% Agave vs. Mixto – haben wir das hinter uns gelassen und wird heute 100% Agave vorausgesetzt?

Betty Kupsa: Ich glaube, in deutschen Bars ist 100% Agave inzwischen absoluter Standard, an dem man nicht mehr vorbeikommt. Auch wir arbeiten in unserer Bar ausschließlich mit 100% Agave-Tequila. Eine Sache aber darf man dabei nicht vergessen: In Mexiko wird unfassbar viel normaler Tequila getrunken, und ich habe schon sehr viele sehr gute Sachen dort probiert. Eine Zeitlang habe auch ich gedacht, dass alles außer 100% Agave schlecht ist. Nach einigen Mexiko-Reisen muss ich sagen: Das ist nicht wahr.

Gut 400 verschiedene Agavenbrände hält Betty Kupsa in ihrer Bar vor (Foto: Tim Gerdts).
Gut 400 verschiedene Agavenbrände hält Betty Kupsa in ihrer Bar vor (Foto: Tim Gerdts).

Was tut sich aktuell auf der Produzentenseite: Gibt es neue innovative Entwicklungen, etwa Experimente mit verschiedenen Fasstypen?

Betty Kupsa: Es gibt durchaus Brands, die mit unterschiedlichen Fasslagerungen und Fassstärken arbeiten, aber das wird immer eine Nische bleiben. Sehr hip und trendy waren zuletzt die Cristalinos, also gereifte und dann filtrierte Tequilas. Immer mehr Brands bringen Cristalino-Tequilas raus. Dieser Trend wird sich noch fortsetzen, glaube ich.

Wie führst du Bar-Gäste an Tequila heran?

Betty Kupsa: Die meisten Menschen, die Spirituosen pur trinken, sind an den Fassgeschmack gewöhnt. Von daher eignet sich ein gereifter Tequila sehr gut, um Leute an die Spirituose heranzuführen. Anschließend kann man die Leute mit einem Blanco überraschen, um die Vielschichtigkeit und Frische zu demonstrieren. Denn diese Explosion im Mund, diese frische Agave, die Fruchtigkeit und Mineralität, die hast du eigentlich nur bei einem Blanco. „Educated“ Tequila-Trinker etwa bestellen immer erst einen Blanco, um einen Tequila zu bewerten. In Mexiko selbst wird ohnehin fast nur Blanco konsumiert. Wenn wir von einer Marke die unterschiedlichen Qualitäten in der Bar haben, bieten wir einen Tasting Flight an, bei dem es vom Blanco über den Reposado bis hin zum Añejo oder Extra Añejo jeweils 1 cl gibt. Das wird super angenommen.

Lupita Margarita: 100% Agave Blanco-Tequila trifft mexikanische Hibiskusblüten.
Lupita Margarita: 100% Agave Blanco-Tequila trifft mexikanische Hibiskusblüten.
Produkttipp:
Lupita Margarita

In ihrer kleinen Manufaktur neben der Bar „The Chug Club“ bringt Betty Kupsa ihre Leidenschaft für Mexiko und Tequila in die Flasche. Basis für die Lupita Margarita bildet ein Blend aus feinstem 100% Agave Blanco-Tequila, den sie mit mexikanischen Hibiskusblüten aromatisiert. Die Blüten sorgen für die leuchtend rote Farbe, den fruchtigen Geschmack, begleitet von einer leichten salzigen Note. Abgerundet wird der Tequila Based Spirit (20 Vol.-% Alk.) mit ein bisschen Orangenlikör, Zucker und Säure. Jede Flasche ist handabgefüllt und kostet 24,90 € (0,5 l) bzw. 8,90 € (0,1 l). Erhältlich im eigenen Online-Shop.

Was sind die Bestseller-Drinks bei euch?

Betty Kupsa: Unser Dreier-Flight ist unser Topseller. Der ist zwar absolut variabel in der Zusammensetzung, aber im Kern sind es alles fruchtige, frische Drinks. Bei den einzelnen Cocktails im Großformat für 12,50 € sind die Topseller die klassische Margarita, gefolgt von der Buttermilch Margarita und der Pepper La Rita, ein Drink mit frischer roter Paprika, Chili-Ananas-Infusion und gedörrtem Schinken an der Seite. Zu den Top-Drinks zählt außerdem die Lupita Margarita, meine Eigenentwicklung, ein Tequila Based Spirit, den ich auch in Flaschen abgefüllt über einen Online-Shop verkaufe (siehe Produkttipp). Am Ende ist es ein fertiger Drink, der sich aber auch perfekt zum Mixen eignet, was ich zunächst gar nicht auf dem Schirm hatte. Es schmeckt besonders gut mit Grapefruitlimo, köstlich mit Beerenlimonade oder halb-halb mit Schaumwein. Eigentlich hätte ich nicht erwartet, dass das Produkt für die Gastronomie interessant ist, aber die Entwicklung der letzten eineinhalb Jahre hat das begünstigt.

La Catrina ist eine Figur, die symbolisch für den Tag der Toten in Mexiko geworden ist (Foto: Tim Gerdts).
La Catrina ist eine Figur, die symbolisch für den Tag der Toten in Mexiko geworden ist (Foto: Tim Gerdts).
Die klassische Margarita zählt zu den beliebtesten Drinks im "The Chug Club" (Foto: Tim Gerdts).
Die klassische Margarita zählt zu den beliebtesten Drinks im "The Chug Club" (Foto: Tim Gerdts).
In den Rita-Chug kommen Hibiskus-Orange-Tequila Blanco, Zuckersirup, Limette und Limetten-Salzschaum (Foto: Tim Gerdts).
In den Rita-Chug kommen Hibiskus-Orange-Tequila Blanco, Zuckersirup, Limette und Limetten-Salzschaum (Foto: Tim Gerdts).

Drinks mit Bestseller-Potenzial machen eine Spirituose erst so richtig populär und erfolgreich. Tequila spielt gleich in mehreren legendären Drinks die Hauptrolle, wie unsere kleine Zeitreise zeigt.

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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