Döner-Fan Cihan Anadologlu (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Döner-Fan Cihan Anadologlu (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)

Cihan Anadologlu: Zwischen Rotations-Verdampfer und Döner-Spieß

Der erfolgreiche Gastronom, Consulter und Autor Cihan Anadologlu über moderne Döner-Kultur, sein Konzept „Hans Kebab“ und die auf Eis liegenden Bar-Pläne.

Wer Cihan Anadologlu zuletzt bei der Arbeit zuschauen wollte, musste einige Hürden überwinden. Seine Bar „Circle“ befand sich im Private Member-Club „Hearthouse“ in München, zu dem eben nur die zahlenden Mitglieder Zutritt haben. Für Bartender, die ein gewisser Grad an Selbstdarstellung qua Beruf(ung) begleitet, mitunter ein wenig unzufriedenstellend. Zumal wenn es sich um einen so renommierten und ambitionierten Kopf wie Cihan Anadologlu handelt. Zwar hat es seine Bar auch ohne die große öffentliche Bühne zu beachtlicher Bekanntheit und auch zu einigen Auszeichnungen gebracht, doch nach fünf Jahren „Hearthouse“-Refugium stand für Cihan fest, „dass ich die Kunst, die ich zelebriere, jedermann zugänglich machen möchte“. Also verkaufte er – im Guten, wie er sagt – die Bar zum 1. Januar 2020 und machte sich an neue Pläne. Pläne, die aktuell in der Schublade liegen und stattdessen von anderen, neuen überholt wurden, denn es begann ein turbulentes Jahr für Cihan Anadologlu.

Was waren deine Pläne, als du zu Beginn des Jahres 2020 aus dem „Hearthouse“ ausgeschieden bist?
Mein Plan war, mit einem Drei-Sterne-Koch, den ich kennengelernt habe, in München ein Bar-Restaurant zu eröffnen. Wir haben ein spannendes Konzept ausgearbeitet, das erstklassige Drinks mit hochwertigem Bar-Essen verbindet, kein Sterne-Laden, sondern eine einfache, coole Bar, in der die Qualität der Produkte im Fokus steht. Das Konzept ist klar, wir wissen, was wir wollen, wie das Design aussehen soll. Dann, mitten in den Planungen, kam Corona und der erste Lockdown. Zunächst haben wir das Projekt auf Oktober verschoben, nun erst einmal auf unbestimmte Zeit. Das wird wohl erst 2022 wieder spruchreif, zumal in diesem Jahr andere Sachen anstehen.

Trotz Pandemie, Lockdown, Gastro-Schließung hat sich bei dir in 2020 einiges getan…
Ja, zunächst einmal ist im März mein zweites Buch im Callwey Verlag erschienen…

… bei dem es überraschender Weise nicht um Cocktails geht…
Richtig, nach der „Bar Bibel“, die ich 2017 veröffentlicht habe, heißt mein neues Buch „Einmal mit alles“ und dreht sich um den Döner und seine Verwandten.  

Wie kommt ein Bar-Profi auf die Idee, ein Buch über den Döner zu veröffentlichen?
Zum einen bin ich ein totaler Döner-Liebhaber. Überall, wo ich hinkomme, probiere ich einen Döner, es sei denn es hängt ein Hackfleisch-Spieß im Laden, denn drehe ich direkt um. Zum zweiten bin ich halb Türke, halb Deutscher und damit prädestiniert für Deutschlands beliebtestes Fastfood mit türkischen Wurzeln. Zum dritten habe ich durch meine Arbeit im „Circle“ viel Kontakt zu Köchen gehabt, was enormen Einfluss auf meine Bildung im Food-Bereich hatte. Schließlich hat eine Recherche ergeben, dass es tatsächlich noch kein Buch über den Döner gibt. Das konnte ich kaum glauben und habe mir dann zur Aufgabe gemacht, den Döner qualitativ auf eine neue Ebene zu heben.

Was fasziniert dich so am Döner?
Ich habe mich immer gefragt: Warum heißt Döner häufig „5 Uhr morgens nach der Disco“? Warum findet man Döner-Läden fast nur am Hauptbahnhof und in türkisch geprägten Vierteln? Warum hat er einen Ruf als einfaches Imbiss-Essen? Döner ist doch an sich von der Qualität her gar nicht so schlecht, du hast Salat, Tomaten, Zwiebeln, Fleisch, Weizenbrot, am Ende des Tages ist es eigentlich nichts anderes als ein Burger.

Better Döner á la Cihan Anadologlu (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Better Döner á la Cihan Anadologlu (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)

Du warst für die Recherche lange Zeit in der Türkei, hast mit Food-Historikern gesprochen, unzählige Döner-Läden besucht. Die intensive Beschäftigung blieb nicht ohne Folgen.
Kurz nachdem das Buch erschienen war, kam der erste Lockdown und es zeichnete sich ab, dass mein neues Bar-Projekt erst einmal auf Eis liegt. Dann kam mir die Idee mit dem Dönerladen. Eigentlich spukte mir die Vision, den krassesten Dönerladen nach meinen Vorstellungen zu kreieren, schon länger durch den Kopf. Im Lockdown war das dann einfach das beste Projekt, das ich entwickeln konnte, denn selbst wenn man aktuell inhouse nichts verzehren kann, funktioniert solch ein Fastfood-Konzept an einem strategisch günstigen Standort auch auf Basis von Delivery und To-go. So war die Idee für „Hans Kebab“ geboren, das am 9. März in der Leopoldstraße in München eröffnet.

Ein Kebabladen, den man nicht (nur) um 5 Uhr morgens nach dem Club ansteuert?
Meine Idee war von Anfang an, den produktbezogenen und qualitätsorientierten Ansatz aus dem „Circle“ in den Döner-Bereich zu übertragen. Das ist beim Döner gar nicht so einfach, denn bei jedem Fastfood-Produkt stellt sich natürlich auch immer die Preisfrage. Wie weit kann man mit dem Preis hochgehen, dass es sich noch jeder leisten kann? Wo fange ich preislich an, wo höre ich auf, wo ist meine Mitte? Wie weit kann ich mich aus dem Fenster lehnen und bleibe dennoch authentisch ein Dönerladen?

Cihan Anadologlu, Bar-Betreiber, Consulter und Autor (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Cihan Anadologlu, Bar-Betreiber, Consulter und Autor (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)

Ich wollte schon seit langem einen richtig krassen Dönerladen nach meinen Vorstellungen entwickeln. 

Cihan Anadologlu
Gründer "Hans Kebab"

Wie löst du diese Herausforderung?
Es gibt im „Hans Kebab“ sechs verschiedene Döner, darunter einige Rezepte aus meinem Buch und auch einen Original Döner anno 1972 aus Berlin, als die deutsche Döner-Geschichte begann. Fünf Kreationen bewegen sich in einem normalen Preisniveau, dazu plane ich einen Döner namens „A tribute to Guide Michelin“, der mit Kobe-Fleisch gemacht wird und 35 Euro kostet. Der ist dann auf zehn Stück am Tag limitiert. Allen gemein ist aber, dass die Qualität des Produktes in den Vordergrund gestellt wird und es immer wieder Überraschungsmomente geben wird.

Kannst du uns ein Beispiel nennen?
Ich habe keinen Gas-Anschluss im Laden und in Bayern dürfen wir auch keine Kohle zum Befeuern des Spießes verwenden. So habe ich eine Idee aus dem „Circle“ entliehen. Japanische Binchotan-Kohle, mit der wir im „Circle“ Wasser filtriert haben, brennen wir etwas an und legen sie in Butterschmalz ein. Vor dem Schneiden streichen wir den Spieß damit ein, das verleiht dem Fleisch einen angenehm rauchigen Geschmack. Ideen vom Bar-Bereich, in den Food-Bereich implementiert. Egal was ich mache, es geht grundsätzlich immer darum, die bestmögliche Qualität und kreative Ideen an den Gast zu bringen. So war für mich ein Drink auch nie ein reines Getränk, sondern immer stark mit Handwerk und Entertainment verbunden.

Cihan Anadologlu, Gründer "Hans Kebab" (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Cihan Anadologlu, Gründer "Hans Kebab" (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Cihan Anadologlu, Gründer "Hans Kebab" (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)
Cihan Anadologlu, Gründer "Hans Kebab" (Foto: Daniel Esswein, www.danielesswein.com)

Was sind deine Pläne mit „Hans Kebab“?
Mir schwebt vor, dass sich „Hans Kebab“ zu einer kleinen Kette entwickelt. Drei bis vier weitere Standorte in Süddeutschland, zum Beispiel in Nürnberg, Ingolstadt, Rosenheim und Ulm könnte ich mir vorstellen. Allerdings will ich noch stets den Überblick behalten.

Zurück zu deinen Bar-Plänen. Inwiefern arbeitest du an einer Fortsetzung dessen, was im „Hearthouse“ gelaufen ist?
Anders als im „Hearthouse“ werden wir im neuen Objekt nicht mehr mit Rotationsverdampfer und anderen Gerätschaften arbeiten. Ich werde mich stärker auf das Ausgangsprodukt konzentrieren und dieses nicht mehr so stark verkünsteln. Mein Ziel ist es, mit dem, was ich habe, die bestmögliche Qualität in den bestmöglichen Drinks zu bieten. Ich glaube, dieser Ansatz wird einen neuen Trend in der Barkultur setzen.

Welchen Einfluss hat die Corona-Zeit auf die Konzeption deines Bar-Projekts? Wie muss eine Bar in der Post-Corona-Zeit aussehen?
Ich habe mich selber gefragt: Habe ich mich geändert während Corona? Ja, habe ich. Wird sich dadurch auch die Barkultur ändern? Ja, meiner Meinung nach wird sie das – zumindest für eine ganze Weile. Dementsprechend habe ich auch mein Konzept im Laufe der Zeit etwas angepasst. Ich glaube beispielsweise, dass wir im letzten Jahr nachdenklicher geworden sind und mehr Wert auf unsere Gesundheit legen. So wird es in der neuen Bar sehr viele Low-ABV-Drinks geben und auch die Öffnungszeiten passen wir an. Um spätestens 0.30 Uhr ist Schluss.

Hans Kebab
Leopoldstraße 182
80804 München
www.facebook.com/hanskebabofficial/
instagram.com/hans_kebab_official

Noch mehr Insights in moderne Döner-Konzepte liefert die Februar-/März-Ausgabe der fizzz, die Ihr hier auch als Einzelheft ordern könnt: https://www.meininger-online.de/de/fizzz/abonnieren

 

Buchtipp: Einmal mit Alles

„Einmal mit Alles“, hört man regelmäßig an deutschen Straßenecken. In der Mittagspause oder auf dem Heimweg einer Partynacht ist der Dönerstand häufig unser liebstes Ziel. Doch wie viele haben tatsächlich schon einmal daran gedacht den Döner selbst zu machen? Cihan Anadologlu lüftet den Mythos Döner und erklärt wie man ihn ganz einfach selbst zu Hause zubereiten kann. Über 50 Rezepte wurden dazu entwickelt. Ob in der Pfanne oder am Spieß, mit Hühnchen oder Kalb, im klassischen Dönerbrot oder Dürüm… Das Buch zeigt alle Möglichkeiten rund um das Thema Döner auf und verfolgt seine Geschichte und Herkunft bis in die alte Türkei. Callwey Verlag, 192 Seiten, 39,95 Euro.

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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Die Aperitif-Kultur ist auf dem Vormarsch – wir zeigen brandaktuelle Gastro-Beispiele.

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Der neue Hamburger Food-Markt setzt Maßstäbe − auch bei der Zusammenarbeit der Betreiber.