Susanne Wege, Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich
Susanne Wege, Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich

„Wir werden nur erfolgreich sein, wenn jeder etwas tut.“

Brand Talk: Susanne Wege, Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich, im Interview über die Zukunft des Kaffeeanbaus, die „Fondazione Lavazza“ und die jüngsten Kaffeetrends.

Frau Wege, die Klimakrise stellt auch insbesondere für den globalen Kaffeemarkt eine Bedrohung dar. Schätzungen besagen, dass bis 2050 klimabedingt auf den aktuellen Anbauflächen nur noch 50 Prozent des jetzigen Kaffees geerntet werden kann. Wird Kaffee in Zukunft ein deutlich exklusiveres Produkt werden?

Wege: Kaffee ist als Naturprodukt sehr stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Wir dürfen Kaffee also nicht als selbstverständlich und als stets verfügbar betrachten. Alle im Kaffeegeschäft Beteiligten sind aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, um solche Szenarien abzuwenden bzw. dort, wo es nicht mehr zu vermeiden ist, die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern.

Wie sieht der Beitrag von Lavazza aus?

Wege: Für uns bei Lavazza ist Nachhaltigkeit kein Trend, es ist bei uns seit der Gründung ein Teil der DNA des Unternehmens. Ich zitiere immer gerne unseren Unternehmensgründer Luigi Lavazza. Er hat 1935, zum 40. Firmenjubiläum, zu einer Zeit also, als Klimawandel noch kein Thema war, gesagt: „Eine Welt, die die Güter der Natur zerstört, ist eine, der ich nicht angehören möchte.“ Das ist zu unserer Handlungsmaxime geworden, über mittlerweile vier Familiengenerationen hinweg. Seit 2004 haben wir die zahlreichen Nachhaltigkeitsprojekte in einer Stiftung gebündelt, der „Fondazione Lavazza“. Die Arbeit in Form einer Stiftung ist insofern wichtig, als dass sie losgelöst ist vom Tagesgeschäft. Es gibt vielfältige Prioritäten im operativen Geschäft, nur die Arbeit an der Nachhaltigkeit darf da nicht hintanstehen.

Was genau unternimmt die „Fondazione Lavazza“ in den Anbauländern?

Wege: Die „Fondazione Lavazza“ betreut heute 32 Projekte in 20 verschiedenen Anbauländern, über 136.000 Kaffeebauern profitieren von der Stiftungsarbeit. Vor Ort arbeiten wir mit NGOs zusammen, zum Beispiel mit der Initiative „Coffee & Climate“ oder auch „Save the children“, wenn es um die Belange von Kindern geht. Die Projekte sind sehr vielfältig, viele sind ökologischer Natur, andere zielen auf soziale Nachhaltigkeit ab. Im ökologischen Bereich geht es sehr stark darum, landwirtschaftliche Praktiken zu vermitteln, damit die Bauern in der Lage sind, unter Bedingungen des Klimawandels Kaffeeanbau zu leisten. Wir vermitteln Fertigkeiten, um unter den veränderten Bedingungen arbeiten zu können. Zum Beispiel widmen sich einige Projekte der Wiederaufforstung oder der Beschattung und damit der Frage, wie man durch große Schattenpflanzen die Kaffeepflanzen schützt. Vielfach ist dieses Know-how noch nicht vorhanden. Es geht im Kern immer darum, ökologische Nachhaltigkeit zu erreichen, um Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.

Lavazza setzt sich für die Rechte von Frauen im Kaffeeanbau ein und fördert das Unternehmerinnentum.
Lavazza setzt sich für die Rechte von Frauen im Kaffeeanbau ein und fördert das Unternehmerinnentum.

Sie sprachen noch die soziale Komponente an…

Wege: Ja, andere Projekte widmen sich der sozialen Nachhaltigkeit. Was viele nicht wissen: 70 % der Arbeit in Kaffeeanbaugebieten wird von Frauen geleistet. In der Regel sind sie allerdings nur einfache Arbeitskräfte, ihnen gehört fast nichts. Es ist ein wichtiges Anliegen der Familie Lavazza, die Rechte von Frauen zu stärken und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie von Arbeiterinnen zu Unternehmerinnen werden können. Wir kümmern uns um eine kaufmännische Ausbildung, damit die Frauen von ihrem Kaffeeanbau eigenständig leben können. Die Projekte sind durchweg langfristig orientiert, wir begleiten sie mindestens drei Jahre. Das ist in etwa der Zeitraum, den eine Kaffeepflanze braucht, um etwas abzuwerfen.

Welche Rolle können Sie dabei als Niederlassung für Deutschland und Österreich übernehmen?

Wege: Wir haben gleich mehrere Aufgaben. Zum einen versuchen wir, bei allen Kolleginnen und Kollegen das Gefühl zu schärfen, dass wir mit einem Naturprodukt arbeiten, das nicht unbegrenzt verfügbar ist. Das geschieht beispielsweise durch Reisen in die Ursprungsländer oder andere Hands-on-Erlebnisse. Zudem haben wir eine wichtige kommunikative Aufgabe. Es geht nicht nur darum, die Marke Lavazza als Botschafter italienischen Kaffeegenusses nach außen zu tragen, sondern all das, worüber wir gerade sprechen, den Kundinnen und Kunden zu vermitteln. Und drittens: Wenn wir über Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sprechen, sprechen wir nicht nur über die Kaffeeanbaugebiete. Soziale Verantwortung tragen wir auch in Deutschland und Österreich. Im Rahmen des Projekts „A cup of learning“ bietet Lavazza Jugendlichen, die am Rande einer Gesellschaft stehen, die Möglichkeit, eine Ausbildung im Kaffeeanbau zu absolvieren. Dieses Projekt haben wir nun nach Deutschland übertragen und ein kleines Pflänzchen gestartet. Wir kümmern uns um junge Leute, bei denen es Hürden beim Start ins Berufsleben gibt, und ebnen ihnen den Weg zur Barista-Ausbildung. Das Lavazza Training Center in Frankfurt, eines von 50 weltweit, bietet dafür die beste Infrastruktur. Dieses Projekt wollen wir nun für uns vorantreiben.

Das nachhaltige Engagement von Lavazza mündet in der Kaffeerange „La Reserva de ¡Tierra!“.
Das nachhaltige Engagement von Lavazza mündet in der Kaffeerange „La Reserva de ¡Tierra!“.

Nun haben wir viel über nachhaltige Projekte gesprochen. Inwiefern spiegeln sich diese Aktivitäten in Ihrem Kaffee-Portfolio wider?

Wege: Beim nachhaltigen Kaffeeangebot liegt unser Fokus auf der Kaffeerange „La Reserva de ¡Tierra!“. Diese Kaffees repräsentieren unsere Aktivitäten in den Ursprungsländern. Der Kaffee La Reserva de ¡Tierra! Colombia etwa stammt aus der kolumbianischen Meta-Region, die nicht unbedingt für den Kaffeeanbau, sondern eher für den Anbau von Coca-Pflanzen bekannt ist. Lavazza organisiert dort ein Projekt mit 100 Kaffeebauern. Die Aufgabe lautet: Den Kaffeeanbau für die Menschen wieder so attraktiv zu machen, dass sie sich vom Coca-Anbau ab- und dem Kaffeeanbau zuwenden. Diese Projekte sind in den Kaffees der La Reserva de ¡Tierra!-Range repräsentiert, die sehr stark auf die Gastronomie ausgerichtet ist. Gerade in der Gastronomie kann man die dahinterstehenden Geschichten transportieren. Dafür entwickeln wir gemeinsam mit den Gastronomen Konzepte.

In den vergangenen Jahren haben vor allem kleinere, regionale Röster das Thema Nachhaltigkeit gespielt und für sich nutzen können. Muss hier seitens der großen Röster wie Lavazza noch mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden?

Wege: Ich finde es ganz wichtig, dass jeder – egal ob kleiner oder große Röster – sich für einen Weg der Nachhaltigkeit entscheidet. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn jeder etwas tut. Wichtig ist, dass wir uns alle gemeinsam für den Erhalt des Planeten einsetzen. Der Unterschied ist vielleicht der: Als großes, international agierendes Unternehmen erreichen wir mit unseren Produkten und Projekten viele Menschen. Wenn wir uns konsequent für Nachhaltigkeit einsetzen, dann haben wir also einen wirklichen Impact. Diese Reichweite müssen wir nutzen, um die Projekte voranzutreiben und noch mehr Mitstreiter und Partner zu gewinnen. Ein wichtiges Tool für diese Kommunikation ist übrigens unser Lavazza Kalender, den wir seit 2015 nutzen, um Nachhaltigkeit zu thematisieren.

Susanne Wege, Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich
Susanne Wege, Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich

"Wir sind kein Massenanbieter in der Gastronomie, wir gehen bewusst einen individuellen Weg."

Susanne Wege
Geschäftsführerin Lavazza Deutschland und Österreich

Was hat Lavazza seinen Gastronomiekunden zu bieten, was sie andernorts nicht bekommen? Was ist der USP von Lavazza?

Wege: Deutschland ist tatsächlich ein sehr kompetitiver Kaffeemarkt. Zuallererst stehen wir für besten italienischen Kaffeegenuss, und das seit mehr als 125 Jahren. Kontinuierlich beste Qualität in der Tasse, kombiniert mit bester Beratung und Top-Service – das ist unser Anspruch. Eine Besonderheit: Wir verfügen bei uns in Frankfurt über eines von weltweit 50 Lavazza Training Center. Unser professionelles Trainerteam schult dort unsere Gastronomiepartner und Kunden darin, den perfekten Kaffee für ihre Gäste zuzubereiten. Das beginnt bei der Bohnenkunde, geht über die Maschineneinstellung und reicht bis zu verschiedenen Zubereitungsarten. Wir verfolgen damit einen sehr individuellen Ansatz, weil jeder Gastronomiepartner von uns eigene Konzepte erwartet, die zu ihm und dessen Kundschaft passen. Wir sind kein Massenanbieter in der Gastronomie, wir gehen bewusst einen individuellen Weg. Das ganze Dreieck muss zusammenpassen: der Anspruch des Kunden, der Anspruch des Gastes und der Anspruch der Marke Lavazza. Wir verkörpern das italienische Lebensgefühl – wenn ein Gastronom sagt, das passt zu mir, dann passt auch Lavazza sehr gut zu ihm.

Wie hat sich das Gastronomiegeschäft in den letzten Jahren gewandelt? Welche Trends bestimmen heute den Markt?

Wege: Während der letzten beiden Pandemie-Jahre ist vielen Menschen wieder bewusst geworden, dass Kaffee nicht nur ein Getränk ist, sondern etwas Verbindendes hat. Dieses Verbindende, Soziale kennt man sonst höchstens noch vom Wein. Kaffee erfährt dadurch heute eine gesteigerte Wertschätzung, mit der Folge, dass die Qualitätsansprüche der Gäste gestiegen sind. Eine weitere Entwicklung: Immer mehr Menschen ernähren sich vegan, gerade in den Metropolen. Deshalb ist es auch wichtig, dass der Gastronom bzw. wir als Anbieter mit Milchalternativen das perfekte Erlebnis bieten können. Ein weiterer Trend: Kaffee wird nicht mehr nur als Heißgetränk wahrgenommen und verzehrt, sondern ist auch als Zutat für Cocktails, die sogenannten Coffeetails, beliebt. Der Espresso Martini etwa lässt sich aus einem guten Barangebot nicht mehr wegdenken. Eine große Chance für alle Gastronomen und auch für uns als Produzent ergibt sich durch die veränderte Arbeitskultur, das Smart Working. Viele Leute sitzen heute über Stunden in Cafés und arbeiten dort. Zudem erlebt auch Frühstück in der Gastronomie eine Renaissance. Und das Kernelement ist der Kaffee. All das haben die letzten zwei Jahre zu Tage gefördert.

Weitere Infos: www.lavazza.de/de/business

fizzz 04/2024

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