Ben Pommer, Geschäftsführer BRLO, im Interview über Corona-Wunden, attraktive Foodkonzepte und die Gastro-Pläne der Berliner Brauerei.
Wie geht es BRLO im November 2021?
Ben Pommer: „Die vergangene Zeit war ein ziemlicher Ritt. Und aus dem Tal der Tränen direkt wieder auf 100% zu gehen, ist eine richtige Challenge. In den Innenräumen gibt es nach wie vor keine vollständige Auslastung, weil wir wegen 3G weiterhin anders bestuhlen müssen. Aber der Sommer war ganz hervorragend. Gerade die Biergartenmonate Juni, Juli, August waren wirklich gut, haben Spaß gemacht. Jeder im Team hat sich darauf gefreut, sich wieder zu sehen und gemeinsam zu arbeiten.“
Die Gastro-Branche hat aktuell massiv mit Personalmangel zu kämpfen. Wie sieht es bei Euch aus?
„Auch wir haben damit zu kämpfen. Das liegt primär daran, dass wir nun noch mehr Leute brauchen, als wir durch die Krise gezogen haben. Und wir haben während der Zeit keinen einzigen gehen lassen. Natürlich haben wir uns häufig fragen müssen, ob wir das Geld noch einmal ausgeben können oder nicht. Aber wir haben uns immer dafür entschieden.“
Zahlt sich das heute aus?
„Wir haben uns bei der Zusammenstellung des Teams große Mühe gegeben und sehen auch zu, genug Bierwissen ins Team zu bekommen. Das gibst du dann nicht so schnell auf. Außerdem war klar, dass es irgendwann – mit einem ordentlichen Nachholeffekt – wieder losgehen wird und wir die Leute dann einfach brauchen werden. Es zeigt sich jetzt: Wenn alle gleichzeitig suchen, wird es noch schwieriger, gute Menschen zu finden. Über die Biergartenzeit haben wir trotzdem noch knappe 50 Saisonkräfte eingestellt.“
Du sprichst das Bierwissen an. Wie schult Ihr Eure Leute?
„Ganz unterschiedlich. Teilweise haben wir schon Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Doemens zum Biersommelier ausbilden lassen. Primär organisieren wir viele interne Sensorikschulungen, zum Beispiel rund um unser Pairing-Board, oder widmen uns einem bestimmten Bierstil beim gemeinschaftlichen Verkosten, Probieren und Diskutieren. Als „The way to go“ haben wir aber vor allem die englischsprachige digitale Lernplattform Cicerone.org definiert. In einem ersten Schritt werden die Teammitglieder dabei zum „Certified Beer Server“ fortgebildet. Da geht es um Grundlagenwissen rund um das Produkt, um Bierstile, wie man Bier in welchen Gläsern serviert, wie der Zapfhahn funktioniert etc. Sukzessive wird es dann schwieriger, bis zum Level 4, dem „Master Cicerone“. Ein vergleichbares standardisiertes Verfahren gibt es in Deutschland bislang nicht.“
Wenn man sich den aktuellen Biermarkt, auch gastronomisch, anguckt, gibt es einerseits die bekannten Mainstream-Konzepte, andererseits viele sehr nerdige Läden, die nur eine kleine Zielgruppe ansprechen. Wie findet man da einen guten Mittelweg, wie positioniert man sich heute am geschicktesten?
„Immer mit sehr niederschwelligen Konzepten, in denen das Handwerk und die Produktqualität für sich sprechen und von alleine überzeugen. Gastronomisch setzen wir das stets ähnlich um: Im Fokus steht grundsätzlich hervorragendes und handwerklich produziertes Bier. Zudem arbeiten wir primär vegetarisch, manchmal auch vegan, Ausgangspunkt ist immer, dass wir etwas Spannendes mit Gemüse machen. Bei vegetarischen Speisen muss man per se viel Handwerk anlegen, damit es gut wird. Als Beilage gibt es auf Wunsch gutes Fleisch, weil wir die Leute nicht ausschließen wollen. Unsere Gastronomie soll ein Ort sein, wo sich alle wohlfühlen.“
Mit Eurem BRLO Brwhouse habt Ihr die Brauhausküche erneuert, im BRLO Chicken & Beer im KaDeWe setzt Ihr ebenfalls auf einen starken Foodanteil. Ist ein BRLO-Konzept ohne Food überhaupt denkbar?
„Für uns gehört ein tolles Foodkonzept ganz klar zu BRLO dazu und bietet das perfekte Gegenspiel zum Bier. Das liegt im Kern an zwei Gründen. Erstens: die Verweildauer. Wir kennen das Problem von reinen Bierbars, dass die Leute nach ein, zwei Bieren Hunger bekommen und dann die Location wechseln. Als Gastronom verlierst du schlicht Umsatz. Wir möchten also zum einen die Verweildauer und damit den Umsatz steigern. Punkt zwei: die Menschen, die wir ansprechen, die bereit sind, für ein gutes Bier mehr Geld auszugeben, setzen sich in der Regel insgesamt intensiv mit Geschmack auseinander. Dieses Qualitätsbewusstsein endet natürlich nicht auf dem Teller. Wir haben es mit genussaffinen Menschen zu tun, für die musst du das Bierangebot immer mit einem vernünftigen Foodkonzept untermauern. Das muss nicht immer eine riesige Sache sein, aber es sollte hochqualitativ und handwerklich produziert sein.“
Kürzlich habt Ihr das in Nöte geratene „Kaschk“ in Berlin übernommen, ein eher kleiner Laden. Wie lässt sich in solchen Locations ein attraktives Foodprogramm umsetzen?
„In kleinen Läden wie dem Kaschk müssen wir einen guten Mix finden zwischen Dingen, die wir einkaufen, und Dingen, die wir selber machen. Die grundsätzliche Konzession, dass wir im Kaschk nicht richtig kochen können, bleibt weiterhin. Da wir dort schon morgens um 8 Uhr mit Kaffee starten, gibt es Standards wie Banana Bread, Carrot Cake, Cookies, Muffins und Brownies. Neu gibt es verschiedene Boards, also Bretter mit Brot, Butter und entweder Fleisch, Käse oder veganen Zutaten wie eingelegtem und fermentiertem Gemüse. Ein paar Dinge wie die in Salz gebackene Rote Bete, den im Ganzen geräucherten Sellerie oder das Kürbis-Parfait bereiten wir dafür im Brwhouse vor. Begleitet wird das Ganze durch ein vielfältiges Bierangebot von uns und befreundeten Brauereien.“
Warum habt Ihr Euch für dieses Konzept entschieden?
„Wir wollten ein Angebot haben, das von 8 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts funktioniert und sehr modular ist. So kann man sich die einzelnen Zutaten, etwa Schinken, Wurst oder Käse, auch einzeln aufschneiden lassen und muss nicht gleich ein ganzes Board bestellen. Aus den einzelnen Bestandteilen haben wir logischerweise auch fertige Sandwiches gebaut, die man direkt mitnehmen kann. Bei den Zutaten haben wir den Anspruch, beste Charcuterie von Berliner Manufakturen zu bieten und arbeiten mit Partnern wie dem Affineur Fritz Blomeyer oder der Bio-Manufaktur Havelland zusammen. Die Produkte sind so gut, dass sie im Prinzip nur portioniert und rausgegeben werden müssen. Im Kern geht es darum, einen Effekt wie in einem Pariser Bistro zu erzielen: du gehst nach dem Feierabend für ein, zwei Bier aus und isst dann spontan eine Kleinigkeit.“
Nun war das „Kaschk“ eher ein Zufallszugang – wie sehen die weiteren Gastronomie-Pläne für BRLO aus? Haben sich diese durch Corona verändert?
„Eine spannende Frage. Die letzten eineinhalb Jahre haben viel in Bewegung gesetzt und auch einiges geändert. Wie in der kompletten Branche hat diese nicht ganz einfache Zeit auch bei uns ihre Spuren hinterlassen. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir den großen Laden in Neukölln, den wir machen wollten und wo wir kurz vor Vertragsunterschrift standen, nicht umgesetzt haben.“
Was hattet Ihr da vor?
„Das wäre ein sehr individueller Laden gewesen, der noch eine Ebene über dem Brwhouse angesetzt hätte. Ich will nicht zu viel verraten, weil ich den Laden irgendwann noch machen möchte, aber meine Idee ist, dort das Narrativ von Wein auf Bier zu übertragen, mit einem Sommelier zusammenzuarbeiten, noch stärker in die Erklärung und in die Speisebegleitung einzusteigen und den Leuten zu zeigen, wie spannend Bier in der Begleitung einer größeren Menüfolge sein kann.“
Klingt spannend, aber zurück zu Euren aktuellen Plänen…
„Wir sind über die Zeit grundsätzlich von der Idee weggekommen, immer neue individuelle Konzepte zu machen. Zuvor war unser Ansatz: Wir machen ganz viele unterschiedliche Läden, um zu zeigen, dass Bier immer passt. Die Frage ist, ob diese Strategie die Marke strukturiert voranbringt. Abgesehen davon, dass es natürlich ein ganz anderer gastronomischer Aufwand ist, jedes Mal etwas Neues zu entwickeln, als sich einmal ein Konzept zu überlegen und dieses dann mehrfach umzusetzen.“
Das ist nun eher Euer Plan…?
„Ja, mit der Corona-Krise hat sich das definitiv geändert. Wir verfolgen jetzt einen Konzeptansatz, den wir so auch ein zweites oder drittes Mal reproduzieren können. Dabei überlegen wir, was im Brwhouse und im KaDeWe gut funktioniert und welche Evergreens wir mit in kleinere Läden nehmen können. Ziel ist also ein Extrakt zu schaffen mit einem festen, primär vegetarischen Angebot. Die Pläne, dies umzusetzen, sind schon recht konkret, aktuell fehlt allerdings noch die passende Location.“
Gibt es die aktuell nicht zuhauf?
„Derzeit ist es eher schwierig. Entweder du zahlst in Form hoher Ablösesummen geplatzte Träume oder die Leute haben Überbrückungshilfen bekommen, die sie zurückzahlen müssten, wenn sie den Laden zu früh aufgeben. Vor einem Jahr wäre man günstig an Läden gekommen, da hatten wir aber selbst noch genug eigene Probleme.“
Muss es zwingend Berlin sein? Ist eine BRLO-Präsenz auch andernorts denkbar?
„Als Biermarke funktioniert BRLO ja bereits außerhalb von Berlin. Und ich sehe keinen Grund, warum Hamburg, Frankfurt oder Köln in Zukunft nicht auch eine BRLO-Gastronomie vertragen könnten. Aktuell befinden wir uns aber noch im Aufräummodus und zunächst bildet noch Berlin den Fokus. Ein, zwei Sachen würden wir hier gerne noch umsetzen.“