Text und Interview: Mia Bavandi
Genießer des „flüssigen Goldes“ aus Kanada verstehen ihn auch als Süßungsmittel oder Zutat in Glasuren, Marinaden, Fleisch, Fisch oder Gemüse oder Milchprodukten. Dass das vegane Naturprodukt aus den Ahornbäumen auch als Mix-Partner in Cocktails gute Figur macht, ist nicht allseits bekannt, in Kanada und in Nordamerika jedoch gängige Praxis am Tresen. Als Ahornsirup-Botschafter der Québec Maple Syrup Producers widmet Sternekoch René Stein aus dem Nürnberger Tisane dem Sirup mit Umami-Geschmack seine volle Aufmerksamkeit. Nicht nur am Herd - auch am Tresen, wo er Maple Syrup zum kongenialen, geschmackstiefen Teamplayer inszeniert.
Woher rührt denn Ihre Passion für Ahornsirup?
"Ich habe Ahornsirup immer schon benutzt und auch gerne und viel mit diesem reinen Naturprodukt gekocht. Ich habe einige Jahre lang in den USA, unter anderem in New York oder Wyoming, gearbeitet. Dort bin ich immer wieder über Ahornsirup gestolpert und habe das so genannte flüssige Gold in allen seinen Facetten und Einsatzmöglichkeiten noch besser kennengelernt. Als ich aber vor zwei Jahren mit einigen Kochkollegen auf Besuch im kanadischen Montréal gewesen bin, ist es um mich und Ahornsirup geschehen. Seither bin ich als Botschafter für Ahornsirup neben meinem Beruf und im Restaurant Tisane im Einsatz. In meiner Küche gibt es Gerichte mit Ahornsirup als Hauptdarsteller, aber auch solche, in denen er die Nebenrolle spielt."
In Montréal haben Sie also richtig Feuer gefangen für den nährstoffreichen Sirup?
"Die Reise nach Montréal hat mein Interesse für dieses natürliche Produkt unterstrichen, intensiviert. Es war schön zu sehen, woher das Produkt kommt und wie es gewonnen wird. Mein Bezug zu Ahornsirup hat sich vertieft, ich habe ein noch besseres Verständnis dafür und auch die Kultur im Herstellungsland Kanada, das 80 Prozent des weltweiten Ahornsirups gewinnt, erfahren. Es hat mich sehr berührt. An unserem letzten Abend in Montréal hatten wir ein Menü mit einem fabelhaften Dessert, das ich nun auch im Tisane anbiete. Es heißt „Week in Montréal“, soll meine Reiseerinnerungen widerspiegeln und vor allem Gästen die süße Verlockung von Ahornsirup vermitteln. Als mir einer meiner Koch-Mentoren die Möglichkeit zum Ahorn-Botschafter und die damit verbundene intensivere Beschäftigung mit dem kanadischen Aushängeschild vorgeschlagen hat, konnte ich diese nicht ausschlagen."
Wie sieht Ihre Tätigkeit als Ahorn-Botschafter aus?
"Wir laufen nicht in Ahorn-T-Shirts durch die Gegend oder singen Lieder. Wir kochen damit quer durch alle Menüfolgen und zeigen, was man mit dem Produkt als Süßungsmittel und Zutat in unterschiedlichsten Gerichten alles machen kann. Meine Küche basiert auf Saucen und Aperitifs, in denen Ahornsirup eine Rolle spielt. Eine Sauce, die ich immer im Restaurant habe, basiert auf Ahornsirup mit brauner Butter und Sherry-Essig. Als Botschafter des kanadischen Ahornsirups versuche ich den Stellenwert von Ahornsirup aufzubauen. Er sollte genauso wie Balsamico-Essig, Salz, Pfeffer und Öl in jeder Küche dazugehören. Das habe ich mir auf die Fahnen geschrieben. Ich habe sehr viele Rezepte zum Nachkochen zuhause entwickelt. Rezepte beispielsweise, in denen Zucker und Honig komplett durch Ahornsirup ausgetauscht werden können. Aber Maple Syrup ist nicht nur eine Multifunktionswaffe in der Küche, sondern auch in der Bar."


An hiesigen Bars taucht Ahornsirup vergleichsweise selten auf. Welche Rolle spielt Ahornsirup in amerikanischen Bars?
"Durch meinen langjährigen Aufenthalt in den USA habe ich viele Kontakte und Freundschaften aus dem Berufsumfeld geknüpft. Dazu gehören auch Bartender, die dort sehr viel zu Ahornsirup greifen, um mit ihm den einen oder anderen Cocktail zu mixen. Der Stellenwert von Ahornsirup ist an amerikanischen und kanadischen Tresen viel, viel höher. Greift man beispielsweise zu Honig, erreicht man Süße und Tiefe und schmeckt die Honignote. Nimmt man aber an Stelle von Honig Ahornsirup, bekommt man meiner Meinung nach mehr Tiefe, aber ohne prägnante Honignote. Ich kann diesbezüglich nur für mich sprechen, aber ich finde Geschmack und Tiefe von Ahornsirup zugänglicher. Ich persönlich mag den Cocktail Old Fashioned sehr. Wenn man, wie es Bartender-Kollegen in den USA gemacht haben, darin Zuckersirup durch Ahornsirup ersetzt, schmeckt der Drink um Welten besser, hat mehr Tiefe. Und es geht doch um die Tiefe. Aber als Koch gehe ich an das Mixen anders heran als Bartender mit ihrem Fachwissen und Repertoire an Spirituosen es tun können. Ich habe lediglich einige wenige Whiskys gespeichert, die ich abrufen kann und gehe nach 20 Jahren Küchenerfahrung rezepttechnisch wie bei einem Gericht an die Sache heran."
Das heißt, Sie widmen sich dem Ahornsirup auch auf trinkkulinarische Herangehensweise. Haben Sie Rezepte entwickelt?
"Das kam durch Corona, es war Sommer, und ich wusste nicht, wohin mit meiner Kreativität. So habe ich mich auf die Cocktail-Schiene begeben und versucht, den Ahornsirup in Szene zu setzen. Dabei ist zum Beispiel ein Maple Sour entstanden, der gerade im kanadischen Raum einen Klassiker am Tresen abgibt. Ich habe mich an einen Ahorn-Feigencocktail mit Schlehenlikör, Feige, Zitronen- und Apfelsaft, Angostura Bitter, Pfeffer und natürlich Ahornsirup herangewagt. Aber auch alkoholfreie Drinks mit verschiedenen Zutaten sind zustande gekommen, die leicht replizierbar sind. Das hat Spaß gemacht und mir auf diese Art die Bar-Facette des Ahornsirups schmackhafter und plausibel erscheinen lassen."
