Das Azubi-Team der Berliner "Ganymed Brasserie". (Foto: Selina Schrader)
Das Azubi-Team der Berliner "Ganymed Brasserie". (Foto: Selina Schrader)

Raus aus dem Personalmangel!

Nach den Corona-Lockdowns ächzt die Gastro-Branche unter zu wenig Personal. Nun starten erste Betriebe eigene ehrgeizige Ausbildungs- und Personaloffensiven.

Text: Benjamin Brouër

Rund 2,2 Millionen Beschäftigte arbeiten in der Gastronomie. Eigentlich. Denn in kaum einem anderen Bereich wirken sich die Corona-Folgen so dramatisch aus wie im Gastgewerbe. Angaben des DEHOGA zufolge hat die Gastronomie bis zum Frühjahr 2021 mindestens 154.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und somit 15 Prozent der gesamten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren. Längst müssen zahlreiche Betriebe ihre Öffnungszeiten runterfahren, zusätzliche Schließtage in Kauf nehmen, um die Belastung für die verbliebenen Beschäftigten nicht abermals zu steigern. Wie viele der Abgewanderten – sei es in den Handel, in die Gesundheitsbranche etc. – in die Gastro zurückkehren werden, weiß niemand. Angesichts der weiterhin unsicheren Aussichten fallen die Prognosen diesbezüglich eher düster aus.

Doch mit dieser trüben Stimmung möchte sich nicht jeder abfinden, einige Betriebe nehmen das Problem nun selbst in die Hand und blasen zur Ausbildungs- und Personaloffensive. „Wir wollen nicht nur Personal Lücken stopfen, sondern für gut ausgebildeten Nachwuchs und handwerklich perfekte Fachkräfte sorgen“, sagt etwa der Berliner Gastronom Michael Pankow, der in der Hauptstadt die „Ganymed Brasserie“ und „Brechts Steakhaus“ betreibt. Von seinen derzeit 60 Mitarbeitern sind beachtliche 20 Auszubildende. Pankow schafft für die Azubis Anreize, wie eine übertarifliche Bezahlung, ein hochwertiges Ausbildungsprogramm und qualifizierte Ausbilder, die sich selbst dank Weiterbildungen als Fachkräfte breit aufgestellt haben. Zusätzlich stellt Pankow sogar Wohnungen zur Verfügung, bis die Auszubildenden auf eigenen Beinen stehen. Ein Plus, das vor allem Neu-Berlinern den Anfang erleichtert.

Der Berliner Gastronom Michael Pankow setzt in seinen Betrieben auf viele Auszubildende. (Foto: Selina Schrader)
Der Berliner Gastronom Michael Pankow setzt in seinen Betrieben auf viele Auszubildende. (Foto: Selina Schrader)

Auf dem Weg zur Fachkraft

„Um das hohe Niveau in unseren Restaurants, das nachhaltige Wirtschaften und die Arbeit mit frischen Produkten garantieren zu können, brauchen wir Mitarbeiter, die ihren Beruf beherrschen“, erklärt Michael Pankow: Deshalb lernt jeder bei uns von der Pike auf.“ Vom effektivem Gemüseschnibbeln bis zur großen Fleischkunde in der Küche oder vom Einsetzen am Tisch bis zur Weinberatung im Service: Jeder Mitarbeiter erhält von den Grundlagen bis zur Meisterschaft das handwerkliche Rüstzeug, um sich in den Restaurants der Welt behaupten zu können.

Bei der Personalsuche arbeitet Michael Pankow eng mit dem DEHOGA und der IHK zusammen. Insbesondere der DEHOGA verfügt über gute Kontakte zur Vietnamesischen Botschaft, wo Pankow auch nach Bewerbern aus dem südostasiatischen Küstenstaat gesucht hat. Derzeit sind elf der Auszubildenden mit einem B2 Sprachlevel aus Vietnam. „Wir haben mit vietnamesischen Mitarbeitern nur gute Erfahrung gemacht: Sie sind im richtigen Maß ehrgeizig, dabei höflich und teamfähig. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Teil der vietnamesischen Kultur“, meint Michael Pankow. Bisher hat der Berliner Gastronom alle Auszubildenden, die die anspruchsvolle Ausbildung durchgehalten haben, übernommen. „Auch bei uns gibt es Stress zu Stoßzeiten viel Arbeit, weil es frisch am selben Tag erledigt wird und die Arbeitszeiten sind nicht immer familientauglich“, gibt Pankow offen zu, „aber mit Fairness und hohem Ausbildungsniveau gehen wir gegen den schlechten Ruf der Gastronomie als Arbeitsplatz vor.“

Das MAHAVI-Trio Markus Bauer, Hans Schmölz und Viktor Fischer startet eine Ausbildungsoffensive.
Das MAHAVI-Trio Markus Bauer, Hans Schmölz und Viktor Fischer startet eine Ausbildungsoffensive.

Wider den schlechten Ruf

Exakt das ist auch Ziel der Ausbildungs- und Personaloffensive, die die MAHAVI Group im September gestartet hat. Sprüchen wie „In der Gastronomie/Küche findet man kein Personal“, „In der Gastronomie wirst du eh nur ausgebeutet“ oder „Da hast du ja keine Freizeit mehr“ will das Führungstrio Markus Bauer, Hans Schmölz und Viktor Fischer entgegenwirken. „Wir möchten in unserer Branche eine Bewegung auslösen“, erzählt Markus Bauer. „Das wird aber nur gelingen, wenn gastronomische Unternehmen diesbezüglich handeln und anfangen neu zu denken.“ In den Betrieben „Wirtshaus Marthabräu“, „Parkcafé“, „Strandhotel Berg“ sowie in der MAHAVI Zentrale in Fürstenfeldbruck werden insgesamt 16 Azubi-Lehrstellen besetzt. Ausgebildet wird in den Bereichen Hotelfach, Restaurantfach, Koch, Büromanagement, Veranstaltungskauffrau sowie als Fachkraft im Gastgewerbe. An Bord ist dabei auch die IHK München in Oberbayern. „Es sollen Bildungspartnerschaften mit Schulen geschlossen werden, um die jungen Menschen schon früher anzusprechen“, erläutert Markus Bauer.

Markus Bauer, MAHAVI Group
Markus Bauer, MAHAVI Group

„Es ist an der Zeit, den Mitarbeitern von morgen wieder eine zukunftsorientierte Perspektive zu geben!“

Markus Bauer
Geschäftsführer MAHAVI GmbH

Attraktiv auf Bewerberinnen und Bewerber soll sich unter anderem das Angebot auswirken, dass die Auszubildenden in den anderen Betrieben rollieren können, um unterschiedliche Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Zudem hat MAHAVI mit anderen Partnerbetrieben Kooperationen geschlossen. Ziel dieser Aktion ist es, ein breites und fundiertes Fachwissen zu erlangen. Sogar ein Aufenthalt in einem der Betriebe in Spanien/Ibiza ist möglich. Und noch ein anderes Versprechen geben die erfahrenen Gastronomen aus Fürstenfeldbruck bei München ab: Kein Geschreie, keine Ausbeutung, keine Diskriminierung, keine falschen Versprechungen, keine „billige“ Arbeitskraft. Zur wertschätzenden Unternehmensphilosophie zählt ferner die sichere Aussicht darauf, nach der Ausbildung übernommen zu werden, sofern man sich als Azubi denn dafür entscheidet. Markus Bauer gibt sich optimistisch und kämpferisch gleichermaßen: „Es ist an der Zeit, den Mitarbeitern von morgen wieder eine zukunftsorientierte Perspektive in unserer Branche zu geben!“

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

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