Kein Gästeraum, keine Möbel oder Einrichtungsgegenstände, kein Servicepersonal, stattdessen die reine Produktion und Auslieferung von Speisen über eine Online-Plattform, in der Regel eine Liefer-App eines Drittanbieters – mit diesem Ansatz haben die Ghost Kitchens einen ganz neuen Betriebstyp geschaffen, der sich – maßgeblich forciert durch die Pandemie – schnell ansehnliche Marktanteile hat erobern können. Akshara Walia, Director Research bei der PKF Hospitality Group, einem international führenden Beratungsunternehmen im Bereich Gastgewerbe und Tourismus, sagt: „Das reine Liefermodell hat sich weitgehend als Notfallreaktion auf die Lockdowns entwickelt, die im Zuge der Covid-Pandemie verhängt wurden. Die Einschränkung der Mobilität führte zu einem exponentiellen Wachstum der Online-Lebensmittellieferungen, wobei die traditionellen stationären Restaurants ihren Betrieb auf Online-Plattformen wie Uber Eats, Doordash und Deliveroo verlagerten.“
Aber auch nach der Pandemie, ohne diesen ungewollten Antriebsfaktor, so Akshara Walia, sei ein nachhaltiges Wachstum für den Sektor zu erwarten. Die zunehmende Digitalisierung und die steigende Anzahl von Smartphones weltweit, gepaart mit der Einfachheit der Anwendung, dem wachsenden Vertrauen in die Technik und dem auf Bequemlichkeit ausgerichteten Lebensstil der Millennials und der Generation Z würden den Online-F&B-Bereich stärken und das Wachstum weiter vorantreiben. Vorteil der Ghost Kitchens: Sie bieten nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für Wachstum, Diversifizierung und innovative Zusammenarbeit. Branchenschätzungen zufolge beläuft sich das derzeitige Marktvolumen auf rund 43 Milliarden US-Dollar, wobei in naher Zukunft erhebliche Investitionen und Erweiterungen geplant sind.
Mega-Investitionen weltweit
Kitchen United – ein Pionier der Geisterküchen mit rund 200 Outlets, die in zwanzig regionalen Märkten in den Vereinigten Staaten betrieben werden – begrüßte neue Investoren wie Kroger, Restaurant Brands International und die HAVI-Gruppe im Rahmen einer 100-Millionen-Dollar-Finanzierung. Das Konzept Kitchen United MIX, das mehrere Restaurants umfasst, soll in Zusammenarbeit mit dem US-Einzelhandelsriesen Kroger expandieren und es den Kunden ermöglichen, während des Einkaufs über digitale Kioske oder eine mobile App Essensbestellungen aufzugeben. Der Anbieter digitaler Restaurants C3 (der derzeit rund 40 virtuelle Restaurantmarken und 250 Ghost Kitchens in den USA betreibt) erhielt eine Finanzierung in Höhe von 80 Millionen US-Dollar, um seine Präsenz in stationären Einrichtungen, Food Halls und Ghost Kitchens zu erweitern. Dem vorausgegangen waren erste Investitionen von Simon Real Estate und Accor Hotels.

Auf den lateinamerikanischen Märkten sicherte sich das Start-up Muncher eine Finanzierung in Höhe von 27 Millionen US-Dollar und beabsichtigt, seine Präsenz in Kolumbien, Mexiko, Peru und Brasilien zu erweitern. Das größte Investitionsvorhaben der letzten Jahre war jedoch zweifellos die beträchtliche Summe von 850 Millionen US-Dollar, die der führende Anbieter CloudKitchens aufbrachte, wobei Microsoft als prominenter Investor und Geldgeber auftrat. Walia: „So expandiert der Markt weltweit weiter – Growth Kitchens in London, MadEats in Manila, Casper in Gent, Rebel Foods in Indien usw. – da immer mehr Start-ups die Möglichkeiten der Ghost Kitchens entdecken.“ Branchenexperten sagen Akshara Walia zufolge bis 2027 ein Marktvolumen von 71 Milliarden US-Dollar für Ghost Kitchens und verwandte Branchen voraus.
Das Wachstum kommt nicht von ungefähr, die Vorteile der Ghost Kitchens liegen auf der Hand. Neben der Flexibilität im Betrieb und dem Zugang zu einem großen Online-Kundenstamm sind dies vor allem Einsparungen bei der Infrastruktur, beispielsweise die Ausstattung des Gästeraums. Da sie nicht auf Laufkundschaft angewiesen sind, können sie außerdem günstigere Mietpreise in weniger gefragten Lagen wie Industriegebieten nutzen. Die Flexibilität der reinen Online-Präsenz ermöglicht es den Ghost Kitchens auch, sich zu diversifizieren, mehrere Marken parallel zu betreiben und das Produktangebot zu erweitern. Die Effizienz und Anpassungsfähigkeit, die dieses Betriebsmodell bietet, ermöglichen eine konsequente Produktoptimierung und schnellere Kurskorrekturen, ohne dass dafür unerschwingliche Kosten anfallen.
Vielfältige Kooperationsmöglichkeiten
Ein entscheidender Vorteil von Ghost Kitchens – nämlich die Nutzung ungenutzter Räume an unkonventionellen Standorten – hat bereits zu einigen spannenden Kooperationen geführt. Diese Zusammenarbeit mit und Integration von Ghost Kitchens wird laut PKF Hospitality deutlich zunehmen. Hotels etwa, die mit niedrigen Belegungsraten zu kämpfen haben, benötigen beispielsweise kein Vollservice-Restaurant mit Speiseraum und könnten in der Vermietung von Küchenflächen an einen Ghost-Cooking-Anbieter eine attraktive Alternative sehen. Die Hotels, so die Einschätzung, würden von diesem F&B-Outsourcing, bei dem die Gäste über den Zimmerservice versorgt werden, profitieren. Sie erzielen ein beständiges Mieteinkommen und sparen sich die Kosten für den direkten Betrieb eines Restaurants auf dem Hotelgelände. Der Ghost-Kitchen-Betreiber wiederum profitiert von einer voll ausgestatteten Küche, vergleichsweise geringen Anlaufkosten und einem breiteren Kundenstamm aus Hotelgästen und externen Lieferaufträgen.
Beispiele für eine Zusammenarbeit zwischen Ghost Kitchens und Hotels finden sich mittlerweile zuhauf: Der Ghost-Kitchen-Anbieter C3 kündigte seine Partnerschaft mit Graduate Hotels an, um „Graduate Food Hall“ auf den Markt zu bringen - ein hybrides digitales Küchenkonzept, das sowohl Dine-in-Optionen in Hotels als auch Liefer- und Take-away-Optionen bietet. Im Sandton-Viertel von Johannesburg, Südafrika, arbeitet Hyatt House mit der Ghost Kitchen „Gimba“ zusammen, während eine zweite Kitchen „Dhaba“ in ihrem Rosebank-Gebäude betrieben wird. Walia erklärt: „Solche Fälle sind nicht auf Hotels beschränkt. Theoretisch könnte jeder große gewerbliche Bereich mit einer eigenen Küche – Einkaufszentren, Universitäten, Flughäfen, Krankenhäuser – eine Ghost Kitchen beherbergen.“ Während der Pandemie ermöglichte der Lebensmitteldienstleister Chartwell Higher Education die Einrichtung von Ghost Kitchens an ausgewählten Hochschulen in den USA, darunter die Seattle University, das Buffalo State College, die University of Utah, die University of Texas in Dallas und die San Jose State University. Darüber hinaus wurde am Raleigh-Durham International Airport in North Carolina die „Get Reef Virtual Food Hall“ eingerichtet, die eine Auswahl an Speisen aus neun verschiedenen Restaurants bietet.
Akshara Walia fasst zusammen: „Diese Fälle veranschaulichen den Umfang und das Potenzial von Ghost Kitchens als Einnahmequelle und wertsteigernde Ergänzung zu Großimmobilien. Sie stehen für einen anpassungsfähigen und flexiblen Ansatz in der Gastronomie, der sich auf die Minimierung der Anlaufkosten, die Nutzung ungenutzter Flächen und Vermögenswerte und die Diversifizierung bestehender Produktlinien zur Bedienung von Nischenkunden konzentriert. Ein weiterer interessanter Punkt ist ihr technikzentrierter, datengesteuerter und analytischer Ansatz, bei dem Big Data in Bezug auf Trends, Bestellungen, Leistung der Speisekarte, demografische Daten der Kunden und den Standort analysiert werden, um das Angebot zu diversifizieren, die Produkte zu optimieren, die Speisekarte fein abzustimmen und neue Zielmärkte zu erschließen. Mitarbeiter und Investoren sollten daher die zentrale Rolle von Big Data bei der Etablierung einer erfolgreichen Dark Kitchen berücksichtigen."
Zukunft im Metaverse?
Laut PKF Hospitality ist das Aufkommen des Metaverse ein weiterer Aspekt, der die Betriebslandschaft für Ghost Kitchens erheblich beeinflussen kann. Eine virtuelle F&B-Umgebung, die durch soziale Medien und Blockchain-Transaktionen erweitert wird, könnte in naher Zukunft Online-„Food Halls“ und -„Restaurants“ beherbergen, in denen Nutzer über personalisierte Avatare interagieren, Bestellungen aufgeben und Zahlungen über eine digitale Geldbörse tätigen können. Diese Verbesserungen könnten Ghost Kitchens eine Vielzahl von Möglichkeiten eröffnen, von Werbeeinbindungen und Branding über kreative Partnerschaften bis hin zu Kosteneinsparungen durch die Verschlankung der physischen Infrastruktur.
Trotz der anhaltenden Begeisterung für das Konzept und die ihm innewohnende Effizienz sind Geisterküchen immer noch ein relativ junges Format. Es wurden Bedenken hinsichtlich der geltenden Lebensmittelqualitäts- und -sicherheitsvorschriften sowie der Betriebspraktiken einiger Marktführer laut, die angeblich zu Massenentlassungen und abrupten Schließungen geführt haben. Die abrupte Auflösung des führenden Unternehmens Butler Hospitality im Jahr 2022 unterstreicht die Notwendigkeit, in diesem Bereich vorsichtig zu sein. Darüber hinaus deutet eine „Rückkehr zur Normalität“ nach der Pandemie auch auf eine Veränderung des Betriebsumfelds hin. „Ghost Kitchens müssen sich auf eine stärker vernetzte und weniger isolierte Welt einstellen und Wege finden, den sozialen und erlebnisorientierten Faktor der traditionellen Gastronomie auf ihre virtuellen Einrichtungen zu übertragen“, sagt Walia abschließend.
Die PKF hospitality group ist ein international anerkanntes, führendes Beratungsunternehmen im Bereich Gastgewerbe und Tourismus. Mit einem Team von 100 Beratern in 20 Büros (einschließlich Kiew) auf allen Kontinenten und einer Erfahrung von fast 100 Jahren bietet die PKF hospitality group fokussierte Beratungsleistungen im Umfeld von Hotel-, Serviced Living-, Tourismus- und Freizeitinvestitionen - einschließlich Machbarkeitsstudien, Bewertungen, Betreibersuche, Projektentwicklung, Finanzierungs- und Investitionsberatung, Asset Management, Research & Benchmarking sowie Strategieberatung. www.pkfhospitality.com