Sommelier-Urgestein Jürgen Fendt (Foto: Günter Standl/Bareiss)
Sommelier-Urgestein Jürgen Fendt (Foto: Günter Standl/Bareiss)

„Viele Sommeliers werden verheizt“

Wann ist für Dich die Entscheidung gefallen, Dich ganz auf den Weinbau zu konzentrieren? 
Eigentlich schon vor drei Jahren, allerdings waren da noch zwei Herzen in einer Brust.

Wie schwer fällt Dir der Abschied aus der Gastronomie im Allgemeinen und vom Bareiss im Besonderen?
Lass es mich mal so sagen: Ein Baum wächst und gedeiht und dann stirbt ein Ast ab oder auch ein Sturm kann so einen Baum entwurzeln!

Wie hat sich die Rolle des Sommeliers in den letzten 25 Jahren verändert? Deutlich! Früher war ein Sommelier so was wie ein „must have“. Und auch ein Aushängeschild. Zwischenzeitlich gab es sehr viele gute und ambitionierte Sommeliers, die gar nicht alle eine entsprechende Stelle bekommen konnten. Und heute werden viele Sommeliers von F&B-Managern und Personalbüros einfach aus Personalnot verheizt!

Welche Stärken machen für Dich einen richtig guten Sommelier aus?
Dem Gast zuhören, verstehen, und mit den entsprechend eigenen Mitteln, sprich Weinen, ein unvergessliches Erlebnis bieten.

Was wirst Du am meisten vermissen?
Viele liebe Stammgäste.

Was am wenigsten?
Vielleicht kann ich Dir diese Frage in zwei Jahren beantworten, oder ich merk es auch bis dahin nicht.

Du bist ja Deutschlands hochdekoriertester aktiver Sommelier. Was war für Dich persönlich Dein größter Wettbewerbserfolg?
2007 Trophée Ruinart, die letzte große Veranstaltung. Fünf der Halbfinalisten hatte ich trainiert, drei waren im Finale und eine heute große Weinpersönlichkeit hat gewonnen! (Anm. d. Red.: Gewinner war Dominik Trick)

Vielen Erfolgen stehen auch ein paar knappe Niederlagen gegenüber. Welche schmerzt(e) am meisten?
Nicht doch, alles gut. Gegen meine Trauzeugin, Christina Hilker, habe ich doch auch gerne verloren. (Anm. d. Red.: Trophée Ruinart)

Empfiehlst Du Deinen jungen Kollegen, sich an Wettbewerben zu beteiligen?
Wenn jemand Angst hat, bei der Führerscheinprüfung durchzufallen, muss er sich den Stress nicht geben, ansonsten kann ich nur sagen: Ran an den Speck!

Zum Wein: Warum hast Du Dich entschieden, Dich voll auf den Weinbau zu konzentrieren?
So intensiv und mit ganzem Herzen ich den Beruf des Kellners erfüllte, kann man irgendwann nicht mehr sagen, ich bin auch Winzer/Weinerzeuger im Nebenerwerb. Es gibt kein genaues Datum, nur den Wunsch, möglichst perfekte Weine für unsere Kunden zu produzieren.

Was ist so reizvoll am Winzerdasein?
Schon lange ist meine Aussage, dass ich mit 60 nicht mehr im Restaurant sein werde. Ich liebe die Natur, es ist einfach nur alles naheliegend.

Wollt ihr Euer Sortiment noch ausbauen?
Wir bieten ja neben Weinbau bereits Weinberatung in der Hotellerie und Gastronomie an. Sicherlich wird es noch einige organisatorische Umstrukturierungen geben. Da wir ja als Fendt Weinfamilie offen sind, wird sicher noch was passieren, allerdings mit einem anderen, weiteren Auftritt.

Wie kommt es zu dem Spagat Mosel- Ortenau?
Mosel war der Anfang, allerdings hat ein Freund von uns die Weinberge nach der Geburt von unserer Tochter in Pflege bzw. Bewirtschaftung genommen. Baden und die Ortenau sind und werden auch weiterhin der Schwerpunkt sein.

Wie teilt ihr Euch heute und in Zukunft die Aufgaben in der Weinfamilie Fendt?
Das haben wir noch gar nicht besprochen, sicherlich werde ich genauso im Haushalt helfen, wie meine liebe Frau Maren die Luft und den Weinberg braucht.

Werdet ihr auch fremde Weine vertreiben oder konzentriert ihr Euch auf Eure eigenen Weine?
Vielleicht wird der ein oder andere Winzer bei uns dabei sein, wenn es um Präsentationen geht, aber ansonsten ist der Vertrieb doch besser bei den Händlern oder Logistikern aufgehoben.  Interview: Sascha Speicher

01-24

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