Erster Preis in der Kategorie "Restaurant": Fuji Yama, Nürnberg (Foto: Simeon Johnke)
Erster Preis in der Kategorie "Restaurant": Fuji Yama, Nürnberg (Foto: Simeon Johnke)

Diese Designs sind ausgezeichnet

Das Jahrbuch "Die schönsten Restaurants & Bars 2021" zeigt 50 herausragende gastronomische Interior-Design-Konzepte. Wir präsentieren die Sieger in den Kategorien Restaurant, Bar und Café.

Exklusive Geheimtipps, spektakuläre Neueröffnungen (und das zu Corona-Zeiten!) sowie gelungene Umgestaltungen und Renovierungen - das jüngst erschienene Jahrbuch "Die schönsten Restaurants & Bars 2021" aus dem Callwey Verlag würdigt neben den Gastro-Machern auch die Architekten, Planer und Hersteller, ohne deren Ideen und Fähigkeiten die Betriebe nicht zu den Highlights geworden wären, die sie sind. 

Ergänzend dazu gibt es jede Menge detaillierte Zahlen und Fakten, spannende Hintergrundgeschichten, Grundrisse und Hinweise auf die verwendeten Produkte. Ziel des Buches ist es zudem, bei der Planung und Umsetzung eigener Gastro-Projekte zu unterstützen.

Aus 50 Projekten kürte die Jury in drei Kategorien Sieger und Auszeichnungen, die wir hier präsentieren.

Erster Preis in der Kategorie "Bar": Blau, Stuttgart; Innenarchitektur Somaa, Stuttgart (Foto: Zooey Braun)
Erster Preis in der Kategorie "Bar": Blau, Stuttgart; Innenarchitektur Somaa, Stuttgart (Foto: Zooey Braun)

1. Preis "Bar": Blau, Stuttgart

Blautöne überlagern sich in Flächen, von Tiefblau zu dezentem Lichtgrau lösen sie den Raum auf, verändern die Perspektive und spielen mit der Wahrnehmung. Ein surrealer Ort inmitten urbaner Realität. Ein Ort ohne Bezüge zum Umfeld. Ein Raum als gebaute Stimmung, zeitlos und ruhig, zum Abschalten und Ankommen. Ein Rückzugsort zu sich selbst.

Seit einigen Jahren sind Yilmaz und Belgin Yogurtcu mit ihrer hochfrequentierten „Metzgerei“ an der Schwabstraße hier im Stuttgarter Westen präsent. Nur ein paar Häuserblocks weiter haben sie im Herbst 2019 im ehemaligen „Urban“ eine gänzlich andere Realität geschaffen: Einen dimensionslosen Raum, der den Gast in eine zeitlose Welt entführt. Eine Bar, die zum „loungigen Verweilen“ einlädt, um bei warmen Tapas und Fingerfood als Ergänzung zu Cocktails und Wein den Alltag hinter sich zu lassen und in die sich ankündigende Nacht abzutauchen.

Die Architekten und Innenarchitekten von SOMAA waren auch bei diesem Projekt wieder Partner der Yogurtcus. Für deren beinahe philosophischen Ansatz sahen sie die gestalterische Antwort in den raumbildenden Qualitäten von Farbe, gerade auch in deren Umkehrung. Lassen sich Kubaturen durch grafische Durcharbeitung negieren? Kann auf diese Weise dimensionsloser Raum entstehen? Inspiriert von Caspar David Friedrich, von der Tiefe, die die Landschaftsmaler der Romantik durch das Spiel mit Farbe geschaffen haben, ist ihnen ein außergewöhnlicher Raum gelungen, der mit der Wahrnehmung des Betrachters spielt.

Vom Eingang kommend, einen tiefgrünen Samtvorhang durchschreitend, eröffnet sich dem Gast die surreale Welt im Loungebereich unmittelbar. Filigrane Messingrahmen stehen frei im Raum, gliedern ihn und lassen eine Tiefenstaffelung im Bildaufbau entstehen. Im Zusammenspiel mit den Farben der monochromen, geometrischen Wandflächen und den Spiegelflächen entsteht die gewünschte Irritation. Eine reduzierte Materialwahl – Leder, Messing, Holz sowie haptische und akustisch wirksame Textilien – lassen dem Spiel der Farbwirkung den nötigen Raum.

Nach rechts gelangt man in den Barbereich, die Vielzahl an Einzelbildern des Hauptraums komprimiert sich hier zu einem großen Ganzen. Während hinter der Bar die Farbe Gold dominiert, bestimmt ein tiefes Blau den Bereich davor. Je nach Blickwinkel spielen die großen Spiegelflächen mit den unwirklichen Bildern des Hauptraums. Ein Bühnenbild für eine noch ungeschriebene Geschichte, während vor den Fenstern die Nacht über die Stadt hereinbricht.

Innenarchitektur: Somaa, Stuttgart
Website: https://www.facebook.com/blau.stuttgart
Mehr Impressionen: https://www.meininger.de/gastronomie/locations/blau-stuttgart

Erster Preis in der Kategorie "Bistro & Café": Tankturm Gastwirtschaft, Heidelberg; Innenarchitektur AAg LoebnerSchäferWeber Freie Architekten GmbH, Heidelberg (Foto: Thomas Ott)
Erster Preis in der Kategorie "Bistro & Café": Tankturm Gastwirtschaft, Heidelberg; Innenarchitektur AAg LoebnerSchäferWeber Freie Architekten GmbH, Heidelberg (Foto: Thomas Ott)

1. Preis "Café & Bistro": Tankturm Gastwirtschaft, Heidelberg

Heidelberg. Wissenschaftler, Dichter und Denker. Der Blick vom Philosophenweg auf die andere Seite des Neckars, auf die historische Altstadt am Fuße des Schlossbergs. In den engen Gassen auf den Spuren der Romantik. Die älteste Universitätsstadt Deutschlands kann aber auch anders! Denn flussabwärts hat die Industrialisierung ihre Spuren hinterlassen. Und so erhebt sich der ehemalige Bahnwasserturm als Industriedenkmal zwischen den Bahngleisen – der „TANKTURM“.

30 Meter ragt er zwischen den Gleisen in die Höhe, der quadratische Wasserturm mit seinem Zeltdach, wenige Kilometer westlich vor Heidelbergs Hauptbahnhof. Mit seinen zwei Seitenflügeln für Werkstätten entstand das Bauwerk in den Zwanzigerjahren als Betonkonstruktion mit Ziegelfassade. Nachdem hier bis 1972 Dampflokomotiven mit Wasser betankt wurden – 333 Kubikmeter Speicherkapazität in den oberen Geschossen bei 27 Meter Wasserspiegelhöhe – legte man das Gebäude in den Achtzigerjahren still und stellte es unter Denkmalschutz. Rund zehn Jahre hatten die Architekten Stefan Loebner, Armin Schäfer und Stephan Weber von ihrem damaligen Büro aus den Turm im Blick. 2014 schließlich kauften sie das Bauwerk,
um das Industriedenkmal in ein Kultur- und Veranstaltungszentrum zu verwandeln.

Mit sensiblen Eingriffen in die Substanz konnten die Architekten die markante Kubatur und die Außenhülle nahezu unberührt lassen. Neben ihren eigenen Büroräumen im Ostflügel beherbergt das Gebäude nun Proberäume sowie anmietbare Seminar- und Veranstaltungsräume. Wo einst Eisen lagerte und die Trafostation untergebracht war, verbirgt sich ein kleines Juwel: Über Mittag lädt der „TANKTURM“ in seine kulinarische Kantine, die „Ladestation“. Denn gemeinsam zu essen halten die Eigentümer „für eine zentrale Kultur- und Sozialbefähigung, die es zu pflegen gilt“. So sind Nutzer des Gebäudes wie auch Gäste aus der Umgebung willkommen, sich nicht nur an den Kreationen des Küchenchefs Jens Hoehne zu stärken, sondern auch durch Austausch und gegenseitige Inspiration hier im Untergeschoss.

Von der Galerie mit der Küchenstation gelangt man über wenige Stufen hinab in den fast 4 Meter hohen Gastraum. Dieser überzeugt durch seine warme und besondere Atmosphäre, die die historischen Stampfbetonwände mit ihrer Materialität und Farbigkeit schaffen. Wenige, in dunklem Ton gehaltene konstruktive und technische Elemente stehen in ausgewogenem Kontrast zu den rauen Oberflächen der historischen Wände. Im Dialog mit den glatten Betonflächen des Lichthofs reagieren sie auf das einfallende Tageslicht und die Stimmung hier zwischen den Gleisen.

Innenarchitektur: AAg LoebnerSchäferWeber - Freie Architekten GmbH, Heidelberg 
Website: https://tankturm.de/gastwirtschaft/

Erster Preis in der Kategorie "Restaurant": Fuji Yama, Nürnberg (Foto: Simeon Johnke)
Erster Preis in der Kategorie "Restaurant": Fuji Yama, Nürnberg (Foto: Simeon Johnke)

1. Preis "Restaurant": Fujiyama, Nürnberg

Die Anforderungen waren durchaus anspruchsvoll: Eine ehemalige Bankfiliale – ein konisch zulaufender, länglicher Raum, gut 4 Meter hoch und rund 700 Quadratmeter Fläche. Für die Erdgeschosszone eines Hotelgebäudes in der Nürnberger Altstadt galt es, eine neue Nutzung zu finden. Die Antwort darauf fand die Gastronomin Yongqiao Wu: Im Juni 2020 eröffnete sie ihr Restaurant „Fujiyama“.

Ein großzügig gestaltetes Restaurant mit Barbereich und Lounge, traditionelle japanische Gerichte mit kulinarischem Schwerpunkt auf Sushi, von klassischen bis zu ungewöhnlichen Kreationen – so das Konzept der Gastronomin. Für dessen architektonische Umsetzung erschufen die Architekten von Bermüller + Niemeyer Architekturwerkstatt ein einzigartiges Raumerlebnis gleich einer begehbaren Skulptur. Fuji. Die kartografischen Höhenlinien des Berges scheinen sich in alle Dimensionen aufzulösen. Über 2400 Fichtenholzlamellen ziehen sich im Wechsel mit Filzelementen durch den gesamten Raum. Sie sind mal Decke, mal Wand, fließend, auf dem Weg zum Boden als Sitzbänke Halt findend, Durchgänge bildend.

Vom Eingang an der Längsfassade des Gebäudes kommend verdichtet sich die wellenartige Struktur im rechten Bereich des Gastraums und schafft ruhigere Zonen. Im vorderen Bereich, allseitig von großflächigen Fensterformaten umgeben und so in einem stärkeren Bezug zum Außenraum, herrscht eine offene und lebendige Atmosphäre. Den Übergang zwischen den beiden Bereichen markiert eine in die Holzstruktur einbezogene Stütze, wie ein Stalaktit löst sie sich aus der Gestalt heraus und tropft zu Boden. Ihr gegenüber liegt die Theke, sämtliche Linien an der Decke scheinen hier zusammenzulaufen und Halt an der Wand zu finden, die mit ihren changierenden Farbtönen an den perlmuttartigen Schimmer von manchen Granitarten erinnert.

Die dunkel gehaltenen Wände, der schieferfarbene Estrich und die schwarzen Möbel betonen die Raumfigur der hellen Holzlamellen um so stärker. Das bewegte Bild im „Fujiyama“ ergibt sich aus diesem kontrastreichen Farbspiel, nicht zuletzt aus der stimmigen Kombination mit den grauen filzähnlichen Lamellen – hergestellt aus recycelten PET-Flaschen leisten sie einen hohen Beitrag zum nachhaltigen Design des Ortes. Je nach Tageszeit und Lichteinfall entwickelt die wellenförmige Struktur im Raum unterschiedliche Atmosphären. Und gerade in den Abendstunden, wenn die LED-Leuchten zwischen den Lamellen stärker zu Geltung kommen, zeigt sich das Restaurant von einer anderen Seite. Das Holz beginnt förmlich zu leuchten und greift golden in den Raum hinein.

Innenarchitektur: Bermüller + Niemeyer Architekturwerkstatt, Nürnberg
Website: https://fujiyama-nuernberg.de/

(Text: Cornelia Hellstern)

Cornelia Hellstern
Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (Hrsg.)
Die schönsten Restaurants & Bars
Ausgezeichnete Gastronomie-Designs 2021
2021. 280 Seiten, 443 farbige Abbildungen und Pläne
23 x 30 cm, gebunden
59,95 €, ISBN 978-3-7667-2515-8
Weitere Infos unter https://www.callwey.de/buecher/die-schoensten-restaurants-bars-3/

Schlagworte

fizzz 04/2024

Themen der Ausgabe

Juliane Winkler, Berlin

Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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