Text: Emmelie Öden
Bis zu 70 Prozent der bestellten Drinks seien an manchen Sommerabenden alkoholfrei gewesen. Viele Gäste hatten die „Bar am Steinplatz“ sogar speziell wegen ihrer alkoholfreien Signature Karte aufgesucht. „Mit dem Einzug der kalten Jahreszeit gehen wieder verstärkt die alkoholhaltigen Kreationen über den Tresen. Eine spannende Beobachtung, wie ich finde.“ Willi Bittorf weiß, wann und bei wem Sober Drinks am besten ankommen. Im Sommer 2020 hat der Barchef der „Bar am Steinplatz“ eine rein alkoholfreie Getränkekarte präsentiert. Alkoholische Drinks können Gäste weiterhin direkt beim Personal bestellen. Nach eineinhalb Jahren zieht er ein Resümee: „Die hohe Nachfrage in der wärmeren Jahreszeit hat mich darin bestärkt, dass unser Schritt richtig war. Vielleicht wird ein Sober Summer zum neuen Dry January? Das wäre doch mal was!“
Ob nüchtern im Januar oder Juli, das spielt im „Zeroliq“ kaum eine Rolle. Auch hier gibt es das ganze Jahr hindurch alkoholfreie Getränke – und zwar ausschließlich. Eröffnet hat die erste echte Sober Bar Deutschlands im März 2020 in Berlin. Geschäftsführer Viet Anh Ngo hat das Konzept nach rund einem Jahr übernommen. Die Zielgruppe habe sich in dieser Zeit kaum verändert, erzählt er. Noch immer seien fast 90 Prozent der Gäste weiblich. Angewachsen seien die alkoholfreien Trinker auch in der „Bar am Steinplatz“ nicht spürbar, findet Bittorf. Allerdings stellt er fest: „Unsere Karte motiviert definitiv mehr Gäste dazu, alkoholfreie Optionen zu testen.“ Wer No-ABV verkaufen will, muss es eben gezielt anbieten.

„Der Gast merkt, ob etwas sein Geld wert ist oder nicht. No-ABV zwingend günstiger zu gestalten, nur weil Prozente fehlen, halte ich für den falschen Ansatz."
Messbar und merklich wächst hingegen das Angebot an alkoholfreien Produkten. „Zu Beginn war die Auswahl an alkoholfreien Destillaten begrenzt, aber mittlerweile bekommen wir monatlich mindestens zwei, drei Anfragen von neuen Produzenten, die uns Proben schicken wollen“, berichtet Ngo. Entwicklungen beobachtet er vor allem in den Kategorien alkoholfreie Destillate sowie Naturessenzen. Dadurch kann der Barbetreiber immer wieder Anpassungen in der Karte vornehmen. Zum Beispiel gibt es im „Zeroliq“ endlich einen Whiskey Sour mit einer alkoholfreien Bourbon-Variante, die Ngos Ansprüchen genügt. Dieses Jahr soll die Getränkekarte schließlich rundum erweitert werden: Gemeinsam mit Mixologen und neuen Partnern wird das Team weitere Signature Drinks kreieren.

Mit "Siegfried Wonderoak" gehen die Rheinland Distillers drei Jahre nach Wonderleaf den nächsten Schritt und erweitern das Spektrum um ein weiteres alkoholfreies Destillat. Wonderoak bietet eine neue warm-aromatische Aromenwelt: Tonkabohne, Muskat und Eichenholz sorgen für volle, runde Noten. Bockshornklee, Limette und Curaçao für Komplexität und einen Hauch Exotik. Das Geschmacksbild geht mit der Farbe einher: Der dunklere Ton entsteht durch die Naturfärbung natürlicher Extrakte und Eichenholz.
Wonderoak ist kein Rum, kann aber in Rezepten statt Rum eingesetzt werden. Und wer es nicht komplett alkoholfrei möchte, der kann auch nur einen Teil des Rums in einem Drink gegen Wonderoak tauschen und erhält so einen leicht alkoholischen Drink. Frei nach dem Motto “Du entscheidest!”.
Eine Hürde tut sich im Zusammenhang mit Sober Drinks immer wieder auf: ihr Preis. Ob die Akzeptanz gestiegen ist, für einen alkoholfreien Cocktail 11 Euro zu bezahlen? „Der Gast merkt, ob etwas sein Geld wert ist oder nicht. Bei uns meckert niemand über die Preise“, berichtet Bittorf. Wenn die Qualität überzeugt, scheue er sich nicht davor, alkoholfreie und alkoholhaltige Getränke preislich gleichzusetzen. „No-ABV zwingend günstiger zu gestalten, nur weil Prozente fehlen, halte ich darüber hinaus für den falschen Ansatz“, stellt er klar.
Auch im „Zeroliq“, erzählt Ngo, habe noch kein Gast gesagt, es sei ihm zu teuer. Rückfragen zur Preisgestaltung hingegen kamen schon vor, aber die konnte Ngo dann auch beantworten. Zudem verkaufe er nicht nur einen Drink, sondern ein Komplettpaket: „Im Fokus steht das Bar-Ambiente. Das zusammen mit dem Getränk macht den Preis aus.“

„Wir sind die erste alkoholfreie Bar in Deutschland. Da haben wir keinen Vergleich, wie es andere machen. Wir müssen uns wandeln, flexibel sein – wir sind der Maßstab!“
Was mit und in alkoholfreien Bar-Konzepten noch alles möglich ist, konnte noch nicht annähernd ergründet werden. Schließlich fällt die Eröffnung der ersten Objekte in Deutschland vor bald zwei Jahren genau mit der Covid-Pandemie zusammen. Und sowohl das „Zeroliq“ als auch die alkoholfreie Karte der „Bar am Steinplatz“ kennen bisher nur diesen Ausnahmezustand.

- 5 cl Wonderoak
- 1 cl Jamaika-Rum
- 2,5 cl frisch gepresster Limettensaft
- 1,5 cl Cointreau / Triple Sec
- 1 cl Mandelsirup
- 1 cl Zuckersirup
- Dekoration: Zitrusfrüchte
Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis shaken und in ein mit Eiswürfeln gefülltes Glas doppelt abseihen.
Was also erwartet die Gäste der No-ABV-Bars in Zukunft? Am Steinplatz werden alkoholfreie Drinks auch weiterhin von alkoholischen ergänzt. „Eine gerechte Symbiose finde ich erstrebenswert und zeitgemäß. Letztlich sind wir keine Sober Bar und ich bin ebenso ein großer Fan der klassischen Cocktail-Schule“, verrät Bittorf. Zu hundert Prozent nüchtern geht es hingegen im „Zeroliq“ weiter. Das ist aber wohl die einzige Grenze, die Ngo sich für seine Bar setzt, denn: „Wir sind die erste alkoholfreie Bar in Deutschland. Da haben wir keinen Vergleich, wie es andere machen. Wir müssen uns wandeln, flexibel sein – wir sind der Maßstab!“