Kalkulation optimieren
Kalkulation optimieren

Im Fokus: Kalkulation optimieren

Wareneinsatz senken!

 

Heute gilt: Geiz ist ungeil, Hochwertigkeit ist hip. Der Wareneinsatz stellt jedoch einen großen Kostenblock in der Gastronomie dar. Wie kann da der Spagat aus Kostensenkung und Qualitätssicherung gelingen? fizzz hat drei Experten gefragt.

Interviews: Jan-Peter Wulf

 

Sandro Ciani, Trainer, Koch und Gastronom, Frankfurt, www.eccolo.org:

Fürs effektive Einsparen ohne Verlust an Qualität sollte man immer an allen Fronten arbeiten. Dazu zählen regelmäßige Preiserhöhungen, Lieferantengespräche und –verhandlungen (wenn es das Konzept zulässt, sollte man mit seinen Lieferanten die Jahresmengen verhandeln und sich Rückvergütungen zahlen lassen, das ist für beide Seiten, fair gedealt, ein guter Ansatz), saisonal arbeiten, wo es nur geht, Vermeidung von Überproduktionen und Überprüfen der Portionsgrößen.

Das Wichtigste ist jedoch das Arbeiten nach Rezepturen und das Nutzen von Waagen – auch während des Services. Das bedarf eines Trainings, ist aber nicht unmöglich. Oft geht man nicht kreativ genug mit Abschnitten und Überproduktionen um, es fehlt an klaren Vorgaben, was zu tun ist oder die Speisekarte lässt es nicht zu. Hier hilft eine kleine Standardkarte mit Tagesangeboten, Wochenspecials etc. Darüber hinaus sollte man sich überlegen, an welchen Stellen sich mit modernen Hilfsmitteln die Mise en Place noch besser von der Servicezeit trennen lässt: Immer wieder kommt es aufgrund von Zeitmangel zu Kompromissen in der Vorbereitung, die unnötigen Warenverbrauch bedeuten. Eine Möglichkeit ist hier der Einsatz von „Cook and Chill“ portionsgenauer Einheiten, die Köche eins zu eins verwenden können. Ein weiterer Ansatz sind Gebinderezepte: Man rechnet die Rezepte so, dass man bei den teuersten bzw. empfindlichsten Zutaten keinen Abbruch hat oder sogar alle Zutaten komplett mit ihrem jeweiligen Gebinde einsetzen kann. Dann muss man auch weniger wiegen, spart Zeit und vermeidet Fehler.

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Cathrin Brandes, Kulinarik- und Kommunikationsberaterin, Berlin, www.tidbits.de:

Erstaunlich viele Betriebe arbeiten ohne genaue Rezepte – hier habe ich schon oft geholfen, Rezepturen aufgeschrieben und optimiert. Es empfiehlt sich, gerade bei teuren Zutaten wie Fleisch die Portionsgrößen festzulegen und diese dann auch im laufenden Geschäft abzuwiegen. Das Augenmaß vertut sich leicht, Ausrutscher nach oben sind programmiert. Auch sinnvoll sind Portionierer wie Eiskugelausstecher. Fonds selbst zu machen und so alle Abschnitte zu verwerten, schmeckt viel besser und kostet wenig! Gut ist es auch, Zutaten in mindestens zwei Gerichten zu verwenden, zum Beispiel Blumenkohl als Rohkost im Salat und in einer Suppe. Wenn viele Zutaten in nicht mehr ganz taufrischem Zustand sinnvoll weiterverwertet werden können, ist das optimal. Es lohnt sich auch, die Größe der Beilagenportionen im Auge zu behalten: Hier kommt oft viel auf dem Teller zurück.

Auch fantasielose Dekoration kann man sich sparen. Es ist zum Teil Wahnsinn, was weggeschmissen wird, dabei lässt sich durch wechselnde Tagesgerichte vieles verwerten. Hier fehlt oft die Kreativität: Aus Obstresten lassen sich Pürees, Sirupe oder Limonaden machen, und kauft man Zitronen in Bioqualität, lässt sich aus den Schalen ein eigener Limoncello-artiger Likör machen. Oft wird aus unüberlegter Angst zu viel produziert. Meiner Erfahrung nach ist es auch in der Kommunikation zum Gast manchmal gar nicht schlecht, wenn ein Gericht „aus“ ist. Es ist zwar im Moment eine Enttäuschung für den Gast, zeigt aber auch: Die Speisen werden frisch zubereitet.

 

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Jörg Disse, Oecotrophologenkoch, Berater und Küchencoach, Fulda, www.joerg-disse.de

Ein niedriger Wareneinsatz lässt sich generell nur über Einkauf, hart geführte Verhandlungen mit Lieferanten, äußerst genaue Kalkulation, penible Einhaltung von Rezepten und/oder saisonale Angebote erreichen. Effektive Einsparung liegt in der prozentualen Höhe der Verwertbarkeit eines Rohstoffes und der gleichzeitigen Innovationsfähigkeit des Gastronomen: Je höher der verwertbare und verwertete Anteil eines Rohstoffes, desto niedriger der Gesamtwareneinsatz eines oder mehrerer Gerichte. Beispiel: Ein Bund Biomöhren lässt sich komplett als Möhrengemüse mit Möhrenkrautpesto oder Schaum für einen Gemüsecappuccino verarbeiten. Selbst Schalen können hier mit verarbeitet werden. Anderes Beispiel: Am Ende einer geschlossenen Veranstaltung zeigte sich eine Überproduktion von Wildschweinragout. Nach fachlich richtigem Schnellkühlen und Wiederaufwärmen wurde es immer faseriger und war somit nicht mehr als Ragout verkaufbar. Da kam uns der Gedanke, einen Pulled-Pork-Burger vom Wildschwein mit Preiselbeerdip anzubieten. Was einmal über eine (in dem Fall verkaufte und abgeschlossene) Veranstaltung kalkuliert wurde und ein zweites Mal verkauft wird, senkt den Wareneinsatz. Allerdings ist die Wareneinsatzreduzierung durch Wiederverwendbarkeit bereits gegarter Lebensmittel aufgrund der lebensmittelrechtlichen Situation sehr begrenzt, und über die dann noch vorhandene Qualität lässt sich streiten. Mit neuer Küchentechnologie lässt sich eine frischere, gesündere und mit höherer Qualität versehene Herstellung von Essen bei gleichzeitiger Reduzierung von Wareneinsatz erzielen – und das bei gleichbleibender oder auch sinkender Mitarbeiterzahl. 

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fizzz 04/2024

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