Ausgabe 13/2020

Oops, da war doch was

Wie aus heiterem Himmel stürzt ein Problem, eine Lösung oder ein sehnlichst erwartetes Geschenk, je nachdem wo man verortet ist, auf den deutschen Wein hernieder. Doch der Reihe nach, die Sache hat eine Vorgeschichte. 

In der vor 18 Jahren erschienen EU-Verordnung 753/2002 zur gemeinsamen Weinmarktordnung und dem Bezeichnungsrecht war noch eine Ermächtigung für die Mitgliedsstaaten für die Erstellung von Lagen- und Großlagenbezeichnungen enthalten, die sich aus Gemeinde- und Lagennamen konstruieren ließen. Mit der Reform der Weinmarktordnung im Jahr 2009, die in die VO (EU) 607/2009 gegossen wurde, fiel diese Ermächtigung ersatzlos weg.

Den deutschen Weinpolitikern und Funktionären, die ganz darauf versessen und fixiert waren, die Praxis der Alkoholerhöhung mit dem Zuckersack ins nächste Jahrzehnt zu retten, fiel das damals gar nicht auf. Der Übergang ins romanische Weinrecht forderte wohl alle Sinne. Die Lagen und Großlagen waren ja in der nationalen Weinverordnung enthalten, es drohte keine Gefahr. Denkste? Denn eigentlich waren dererlei Konstrukte nach EU-Recht gar nicht mehr zulässig. Aber wo kein Kläger, ist eben auch kein Richter.

Erst jetzt im Zuge der 10. Reform des deutschen Weingesetzes und der Weinverordnung präzisiert der im Juni 2020 vorgelegte Referentenentwurf aus dem Hause von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit Verweis auf Artikel 55 der Verordnung (EU) 2019/33 vom 17. Oktober 2018, dass die unionsrechtliche Ermächtigung zur Festlegung von Leitgemeinden in den Fällen von Gemeinde bzw. Ortsteil übergreifenden Lagen (sowohl Groß- wie Einzellagen) nicht mehr zulässig ist. Grübel, grübel, welche Folgen hat das juristische Kauderwelsch?

Es bedeutet nach geltendem Recht, dass bei Angabe von Ortsnamen 85 Prozent und bei gesüßten Weinen 75 Prozent der Weine aus der jeweiligen Gemeinde stammen müssen. Steht Piesporter, Großbottwarer oder Ihringer auf dem Etikett, müssen auch die Weine aus diesen Gemeinden stammen. Vorbei die Zeiten, dass der PiMi, der im Angelsächsischen einst beliebte Wein von der Mosel, aus Rivenich, Minheim oder Niederemmel stammen konnte. Den Oppenheimer Krötenbrunnen wird es auch nur noch geben, wenn der Wein dort gewachsen ist.

Noch hat das nationale Recht Bestand, doch in Wahrheit gilt unmittelbar die EU-Bestimmung und das seit zwei Jahren. Das wollte nur niemand zur Kenntnis nehmen. Während die einen, wie VDP-Präsident Steffen Christmann, mit vornehmer Zurückhaltung, aber unverhohlener Freude jetzt frohlocken, dass der seit Urzeiten beklagte Etikettenschwindel im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Federstrich von der EU beseitigt wurde, wähnen die Weinheroen aus den genossenschaftlich dominierten Südländern den Untergang des Abendlandes. Verständlich, denn in deren Augen besitzen Weine wie Haberschlachter Heuchelberg, Großbottwarer Wunnenstein oder um mal ins Badische zu schweifen, Ihringer Vulkanfelsen, Markencharakter. Soweit ist es mit den Marken allerdings nicht her, wenn man sich mal die Preise zu Gemüte führt, die dem Verbraucher das Surrogat einer Einzellage unterjubeln. 

So gesehen bringt die Weinrechtsreform mit Brüsseler Unterstützung tatsächlich einen Fortschritt ins deutsche Weinrecht.  Ansonsten ist das Werk eher ein Reförmchen und formuliert für die Spitze etwas ehrgeizigere Ziele. Dem eigentlichen Anspruch, »dass mehr Klarheit und Orientierung für den Verbraucher geschaffen und dem Erzeuger die Chance zu besserer Profilierung ermöglicht wird«, bleibt das Werk schuldig.

Es wird dabei bleiben, dass deutscher Wein weiter zur Gänze als Qualitätswein bezeichnet werden kann. Eine erkennbare Differenzierung ist Fehlanzeige. Trotzdem, ich bin mal richtig froh, dass in Brüssel Menschen mit Hirn sitzen und national Engstirnigen den rechten Weg weisen.