Ausgabe 10/2020

Der lange Weg zurück in die Normalität

ddw10-2020

In Niedersachsen sollen vom 11. Mai an Restaurants, Cafés
und Biergärten wieder öffnen dürfen. Die Auslastung müsse
dabei aber auf höchstens 50 Prozent begrenzt werden,
teilte die Landesregierung am Montag mit. Die Kontaktbeschränkungen,
wie etwa die Zwei-Personen-Regel, sollen bis
Ende Mai bestehen bleiben und auch beim Besuch von Gastronomieeinrichtungen
gelten. Bayern zog am Dienstag mit der Ankündigung
eines mehrstufigen Plans zur Wiedereröffnung der
Gastronomie nach. Diese Ankündigungen über erste Pläne zur
Lockerung im HORECA-Bereich hat auch unsere Weinbaubranche
mit Freude aufgenommen. Insgesamt 20 bis 30 Prozent des Weinabsatzes
fließen über diesen Kanal.
Dennoch müssen wir uns weiter in Geduld üben. Weinfeste
und Weinmessen werden als »Großveranstaltungen« erstmal
nicht stattfinden können. Das wird sich beim Weinabsatz in den
nächsten Wochen und Monaten ebenso bemerkbar machen wie
die noch geschlossene bzw. nur eingeschränkt geöffnete
Gastronomie und der ruhende Weintourismus.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die Hochschule
Geisenheim University in ihrer Sonderauswertung
»Die Auswirkungen von Corona auf die deutschen
Weinproduzenten«, die sie im Rahmen ihrer
vierteljährlichen Konjunkturanalyse durchgeführt
hat (ausführliche Darstellung der Ergebnisse in
der nächsten ddw-Ausgabe 11/2020). Die Studie
belegt u.a., was sich in den letzten Wochen schon
angedeutet hat. Die Corona-Maßnahmen haben zu
einer eindeutigen Verschiebung des Absatzes in den LEH und den
Onlinehandel geführt. Stark verloren haben Gastronomie, Export
und Fachhandel. Für das 2. Quartal werden noch deutlich stärkere
Auswirkungen erwartet.
Die Unsicherheit in der Branche wird so lange bestehen bleiben,
bis ein Gesamtkonzept für die langsame Rückkehr zur Normalität
in allen Bundesländern angenommen und umgesetzt wird.
Voraussetzung ist aber immer, dass sich das Infektionsgeschehen
auch nach den schrittweisen Lockerungen weiterhin so moderat
entwickelt wie bisher. Die Branche geht jedenfalls davon aus, dass
die angespannte wirtschaftliche Situation nach Corona starke Auswirkungen
auf den Strukturwandel der Weinbranche haben wird,
so auch die Ergebnisse der Geisenheimer Studie. Wichtig ist daher,
dass uns von der EU eine klare Perspektive gegeben wird, auch für
die schwierige Zeit nach der Pandemie. Soforthilfen und sofortige
Krisenmaßnahmen zur Beseitigung von eventuellen Marktstörungen
sind nicht ausreichend. Vielmehr sollte jedem Mitgliedstaat
längerfristig eine »Toolbox« mit Krisenmaßnahmen zur Verfügung
gestellt werden, aus der er in Absprache mit der Branche die geeignete
auswählen kann. Notwendig ist jedoch, dass die Branche
ein zusätzliches Budget von der EU erhält. Eine Umschichtung von
Geldern aus dem Nationalen Stützungsprogramm, wodurch statt
Umstrukturierungen und Investitionen Maßnahmen zur Marktstabilisierung
finanziert werden, ist nach einhelliger Meinung der europäischen
Weinbaubranche der falsche Weg. Vom Umfang her
wäre der Topf ohnehin zu klein bzw. auch nicht mehr ausreichend
gefüllt. Die Signale aus Brüssel waren jedoch Anfang der Woche
nicht positiv – die vorgeschlagene Ausgestaltung der Maßnahmen
unzureichend und ohne neues Budget. Es geht also in die nächste
Runde mit der EU-Kommission. Die EU-Abgeordneten haben diese
Woche dankenswerterweise erneut ihre Unterstützung
zugesagt.
Mehr Grund zur Freude gibt wohl die aktuelle
Situation der Saisonarbeitskräfte. Die Anmeldung
der insbesondere rumänischen Saisonarbeiter
und die Einreise funktionieren
trotz einiger Zwischenfälle reibungslos. Aus Polen
können die Saisonarbeiter weiter auf dem
Landweg einreisen. Die Branche
ist überwiegend zufrieden
mit der Verfügbarkeit von
Arbeitskräften. Die Politik
richtete nochmals einen deutlichen Appell
an die Branche, die Hygiene- und Quarantänevorgaben
einzuhalten. Mitte Mai wird geprüft,
ob die Einreisebestimmungen
die Aufrechterhaltung
der Plattform erfordern. Klar
ist jedenfalls, dass die Branche insbesondere
auch im Juni Saisonarbeiter braucht und
auch bekommen wird.