Ausgabe 06/2020

Salve Corona

Die heutige Situation konnte niemand vorhersagen, und niemand wird sie momentan zu Ende denken können. Die Gefahr, die vom Corona-Virus ausgeht, könnte sich in wenigen Wochen als böser Spuk erweisen, und genauso kann sie in eine Katastrophe größten Ausmaßes münden.

Die jetzt so viel gefragten Virologen sind sich selbst uneins. Während die einen ein Schreckenszenario an die Wand malen, blasen andere zur Entwarnung und halten die Gefahr einer wirklichen Pandemie für gering. In Ländern, in denen das Virus als erstes auftauchte, gehen die Infektionen bereits zurück.

Greifen die Maßnahmen, ist es das mildere Wetter, oder entwickeln sich Immunitäten? Keiner weiß es. Genauso wenig, wie viele wirklich infiziert sind und wie viele bereits immun sind. England fährt eine andere Strategie. Eine Wette mit dem Tod? Man wird am Ende sehen, wer Recht hat.

Es zählen Fakten: Bisher sind weltweit rund 10.000 Menschen gestorben. Die Sterbewahrscheinlichkeit liegt derzeit bei 1 zu 700.000. Die Chance bei einem Verkehrsunfall zu sterben liegt bei 1 zu 15.000 und am Essen zu ersticken bei 1 zu 250.000. Selbst wenn mehr Menschen durch das Virus sterben, es gibt größere Risiken, vor denen wir uns weniger fürchten. Trotzdem ist jeder Tod zu beklagen. 

Den schlimmsten Fall einer Pandemie gab es zuletzt am Ende des Ersten Weltkrieges. 25 vielleicht sogar 50 Mill. Menschen sind damals an der Folge einer Virusinfektion gestorben. Ihren Ursprung hatte die Pandemie wahrscheinlich in Kansas in den USA. Der Krieg brachte die Infektion nach Europa, und eine entkräftete, ausgezehrte Bevölkerung fiel der Seuche massenhaft zum Opfer. Mein eigener Urgroßvater ist daran 1919 gestorben. Er war wie viele andere unterernährt und vom Krieg gezeichnet und gehörte im Alter von 50 Jahren zur Risikogruppe. Wenige wurden damals älter als 60 Jahre. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung etwa 80 bis 90 Jahre, und es sind wiederum die Alten, die am meisten betroffen sind. Die Biologie lässt sich eben nicht aushebeln.

Auf dem Höhepunkt der heutigen Krise werden in Italien Menschen im Alter über 85 Jahren nicht mehr intensiv behandelt. Was in China passiert, wissen wir nicht. Heute wie vor hundert Jahren wird die Menschheit daran nicht zugrunde gehen. Der Tod gehört zum Leben.

Bleibt die Frage, ob Politiker und Gesundheitsämter richtig handeln, die durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der unmittelbaren menschlichen Kontakte versuchen, die Ausbreitung zu verlangsamen bzw. über einen längeren Zeitraum zu strecken. Wir wissen es nicht und die Politiker aller Couleur genauso wenig. Es scheint, dass die Menschheit wie vor hundert Jahren der Krise schicksalhaft ausgeliefert ist. 

Das führt zu der Frage, welche Folgen und Auswirkungen die Maßnahmen haben? Sie werden es vermutlich schon oft gehört haben oder noch hören: Die Welt danach wird eine andere sein. Da ist es fast schon eine Randnotiz, dass so gut wie alle Weinveranstaltungen, Messen und Präsentationen abgesagt wurden.

Die verzahnte, auf Effizienz getrimmte und just-in-time vernetzte Gesellschaft und ihre Wirtschaft stehen vor einem gewaltigen Strukturwandel. Zahlreiche Unternehmen werden die Krise nicht überleben.

Die Gastronomie sowie das Reise- und Tourismusgewerbe stehen auf wackeligen Beinen, wo eine solide, finanzielle Basis fehlt. Auch viele Handelsunternehmen werden die Krise spüren, genauso wie die Landwirtschaft und der Weinbau. Die Schwächsten werden gehen müssen. Auch wenn das fatalistisch klingt, es ist die bittere Wahrheit.

Daran sind die Versäumnisse der letzten Jahre nicht unschuldig. Mit billigem Geld, um Schulden und konsumtive Ausgaben der Staaten zu finanzieren, wurden Strukturen am Leben erhalten, die andernfalls längst verschwunden wären. Die Krise deckt diese Versäumnisse jetzt unerbittlich auf. Bleibt zu hoffen, dass die Gesellschaft und die Politik ihre Lehren ziehen.