Verkostung
Verkostung

Leistungstest Deutsche Genossenschaften 2019

Deutschlands beste Genossenschaften

Im Leistungstest der deutschen Winzergenossenschaften fühlt WEINWIRTSCHAFT den Kooperativen auf den Zahn. Dabei beweisen die Betriebe, dass sie sich vor niemand verstecken müssen.

6o Winzergenossenschaften aus allen Teilen Deutschlands stellten sich dem Leistungstest der Winzergenossenschaften, den man als einen modernen Fünf- bzw. Sechskampf der Weinbranche bezeichnen könnte.
In sechs verschiedenen Disziplinen müssen die Genossen gegeneinander antreten. Jeweils einen roten und weißen Basiswein mit einem Verkaufspreis unter 8 Euro müssen sie anstellen, eine regionale Spezialität, einen restsüßen Wein, der maximal 50 Gramm Restzucker aufweisen darf, und als Kür zwei Premiumweine. Aus dem Sechskampf wird ein Fünfkampf, weil die schlechteste Weinbewertung bei jeder Genossenschaft gestrichen wird.
Das Prozedere hat sich bewährt. WEINWIRTSCHAFT führt den Leistungstest der Winzergenossenschaften schon seit Jahren durch, und echte Überraschungen gab es selten. Taucht eine Genossenschaft neu bei den Top-Betrieben auf, ist dies oft das Zeichen einer neuen strategischen Qualitätsoffensive, die in den Folgejahren bestätigt wird. Auch 2019 bestätigen viele Genossenschaften ihr Image und präsentieren großartige Qualitäten.

Der Sieger – Zehn Jahre danach

Meist war es eine Nuance, die der Weinmanufaktur Untertürkheim in den letzten Jahren gefehlt hat, um ganz, ganz oben dabei zu sein. Doch sie war in diesem Jahrzehnt in jedem Jahr in der Liste der besten Genossenschaften und errang neben zwei undankbaren vierten Plätzen auch die Plätze 2 und 3.
2019 geht die Weinmanufaktur Untertürkheim als klarer Sieger aus dem Leistungstest der deutschen Winzergenossenschaften hervor. So beendet sie das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts genauso wie das erste, denn auch 2009 hatten die Untertürkheimer gewonnen.
Dabei hat in diesem Jahr wirklich alles gepasst. Die Weinmanufaktur Untertürkheim stellte neben dem besten Premium-Rotwein auch den besten Basis-Weißwein (gemeinsam mit den Oberkircher Winzern) sowie den besten Basis-Rotwein. Mit einem Basis-Trollinger 88 Punkte zu erzielen, wird dabei außerhalb Württembergs wohl als Sensation angesehen. Es passt jedoch zu der 90 Hektar großen WG, ist Trollinger mit einem Flächenanteil von 20 Prozent doch die zweitwichtigste Sorte nach Riesling.
»Die Premiumweine sind sicherlich von großer Bedeutung und haben eine gewisse Strahlkraft auf das übrige Sortiment. Uns ist es aber ungemein wichtig, den Fokus nicht nur auf das Top-Segment zu legen, sondern gerade auch im Ein- und Zwei-Sterne-Segment mit einem herausragenden Preis-Leistungs-Verhältnis zu überzeugen«, erklärt der Geschäftsführer Stefan Hübner.

Baden erstarkt - Kaiserstühler Dominanz

Zuletzt standen 2015 drei badische WGs in der Top 10. Den zweiten Platz, den die Winzergenossenschaft Achkarren im Kaiserstuhl dieses Jahr erobert, hatte zuletzt 2013 ein badischer Betrieb inne. Wie schon im Vorjahr zeigt sich der Kaiserstuhl als der Bereich mit den besten badischen WGs. Neben Achkarren sind auch die Bickensohler Weinvogtei und der Sasbacher Winzerkeller hier beheimatet. Die Sasbacher punkteten im Basis-Bereich, wo sie sowohl bei Rot- als auch bei Weißwein einen der besten Weine stellten.

Noch besser waren in diesem Bereich die Oberkircher Winzer, die neben dem besten Basis-Weißwein auch einen Spätburgunder unter den besten Basis-Weinen platzierten, in der Gesamtverkostung aber Pech mit einem doppelten Korkschmecker hatten.
Es ist erfreulich, dass die Nr. 1 in Baden klassisch mit Burgundern überzeugt – und wie! Die Premium-Linie »Edition A« der WG Achkarren kam nicht nur als Spätburgunder an. Der Grauburgunder verdeutlichte, warum die Rebsorte in Baden als »Großes-Gewächs«-tauglich angesehen wird. Und die besten Grauburgunder der badischen Genossenschaften müssen keine Angst vor dem Vergleich haben. 91 Punkte für einen Grauburgunder mag für Wein-Snobs komisch klingen, doch der bestbewertete Wein der Verkostung ist das beste Mittel, um seinen Horizont zu erweitern und zu begreifen, dass Grauburgunder viel mehr als »easy drinking« sein kann.
»Dass ich im Mai 2016 bei der WG Achkarren anfing, war zu einem großen Teil der Lage Achkarrer Schlossberg geschuldet. Meiner Meinung nach eine der besten Lagen Deutschlands. Wir wollen mit der Edition A (nur Handarbeit, beste Schlossberg Steillage, Selektion Masalle, 40 kg/Ar Ertrag, Limousin Eiche, …) einen modernen Stil von Grauburgunder und Pinot Noir unseren Kunden verkaufen«, erläutert Geschäftsführer Denis Kirstein das Vorgehen. »Wir möchten, dass alle Weine, die unseren Keller verlassen so sind, dass wir sie gern selbst trinken. Das bedeutet, das Terroir soll schmeckbar und die Qualität soll immer etwas besser sein. Mit unseren Steillagen und der vielen Handarbeit haben wir auch gar keine andere Chance als auf Qualität zu setzen«, so Kirstein. Die Entwicklung in Achkarren, die sich schon im Vorjahr mit Platz 11 andeutete, ist auf jeden Fall höchst erfreulich.

Württemberg bleibt top – Starkes Zabergäu

Nachdem in den letzten drei Jahren jeweils vier Württemberger Betriebe in der Top 10 waren, könnte man es als Rückschritt erachten, dass es dieses Jahr nur drei sind. Doch neben dem Gesamtsieger stellt Württemberg auch den Dritten mit dem Weinkonvent Dürrenzimmern und als Sechsten die Weingärtner Cleebronn-Güglingen. Das Zabergäu, aus dem die beiden Nachbar-Genossenschaften Dürrenzimmern und Cleebronn stammen, ist dabei der Qualitäts-Hot-Spot Württembergs. Neben Dürrenzimmern und Cleebronn-Güglingen sind die Weingärtner Stromberg-Zabergäu der dritte Betrieb, der drei Weine mit 87 oder mehr Punkten stellt. Das wird nur von der Weinmanufaktur Untertürkheim getoppt, die gleich vier Weine zwischen 88 und 91 Punkten stellt.
Dieses Zabergäu-Hoch ist alles andere als Zufall. Cleebronn-Güglingen stand in den letzten drei Jahren jeweils auf dem deutschen Treppchen, 2016 als Gesamtsieger, und das Weinkonvent Dürrenzimmern ist seit 2015 in jedem Jahr in der Top 10 gewesen, 2016 als Gesamtzweiter.
Dürrenzimmerns Kellermeister Kurt Freudenthaler bestätigt 2019 seinen Ruf als Rotwein-Könner. 90 Punkte für den »Divinus« Cabernet Sauvignon, 89 für den Divinus Portugieser und 87 für den Divinus Lemberger belegen eine besondere Kollektion. »Schon allein aufgrund unserer Größe (186 ha) nehmen die Premiumweine einen großen Stellenwert ein«, erläutert der kaufmännische Leiter Timo Gebert die Strategie. »Die Qualität unserer Weine entsteht nicht erst im Keller, sondern beginnt bereits im Weinberg. Nur aus qualitativ hochwertigem Traubengut kann dann gelingen, was unsere Weine auszeichnet. Elementar wichtig ist hierbei, dass die ›Chemie‹ zwischen Erzeugern und Kellermeister stimmig ist«, erklärt er den Weg zum Ziel.

Pfälzer Aufwind – Neue Spitze

Nachdem sich in den letzten fünf Jahren die Wachtenburg Winzer und Vier Jahreszeiten Winzer als beste pfälzische WG abgewechselt haben, sorgt 2019 die Winzergenossenschaft Herxheim am Berg für frischen Wind an der Spitze. Der Erfolg ist dabei keineswegs überraschend, denn schon im Vorjahr war Herxheim in der Pfalz Zweiter und auch in den Jahren zuvor fehlte den Herxheimern nicht viel. Während die Wachtenburg Winzer in diesem Jahr Dritter sind, hat sich die Weinbiet Manufaktur auf den zweiten Platz vorgeschoben.

Die WG Herxheim überzeugt nicht nur in der Pfalz, in der Deutschland-Wertung erzielt sie den fünften Platz. So gut hatte seit 2014 keine pfälzische Genossenschaft mehr abgeschnitten. Der Erfolg beruht auf Burgundern. Die im Leistungstest in der Vergangenheit beobachtete pfälzische Achillesferse des Rotweins stellt sich bei Herxheim mit der Noblesse Palatrium Rotwein Cuvée als Stärke heraus (89 P). Auch der Noblesse Chardonnay und im Basisbereich der Weißburgunder überzeugen mit 87 Punkten.
Thomas Vogel, Geschäftsführer in Herxheim, sieht eine Vielzahl an Gründen für die Qualität der Weine: »Das fängt im Weinberg an. Die klimagerechte Ernte wird heute immer wichtiger. Dann muss eine sortenspezifische Behandlung der Trauben erfolgen. Wir setzen auf längere Maischestandzeiten, schonende Traubenverarbeitung und ein langes Feinhefelager.« Für die Qualität der Trauben ist die Einbeziehung der Winzer das A und O. »Eine leistungsorientierte Auszahlung hilft, ersetzt aber nicht den Dialog mit dem Winzer. Wir binden sie in die Vermarktung ein, stärken auf Veranstaltungen ein Wir-Gefühl und informieren transparent.«

Große Vielfalt

Abseits der Genossenschaftshochburgen müssen sich die WGs von der Qualität her nicht verstecken. Der Vorjahressieger Mayschoß-Altenahr wird dieses Jahr Vierter, die ebenfalls an der Ahr beheimatete Dagernova kommt auf Rang 8 und auf Platz 9 steht mit den Winzern Sommerach der beste fränkische Betrieb, der 2015 noch den Leistungstest gewonnen hatte. Als beste Gebietswinzergenossenschaft hinterlässt die Winzergemeinschaft Franken auf Platz 15 ebenfalls einen hervorragenden Eindruck und beweist, dass die Betriebsgröße kein Hindernis für Qualität ist. Wie im Vorspann erwähnt, gibt es in der Betriebsrangliste wenig große Überraschungen. Die Verkostung von sechs Weinen ermöglicht Einblick in die Sortimente und zeigt, dass es einen Kreis an Genossenschaften gibt, die Jahr für Jahr konstant gute Qualitäten abliefern. Über Platzierungen entscheiden oft Nuancen, ein Überflieger – wie in diesem Jahr Untertürkheim – ist eher selten. Die 60 teilnehmenden Winzergenossenschaften stehen für ca. zwei Drittel der Kooperativen Deutschlands mit eigener Kellerwirtschaft. Die hohe Beteiligung zeigt, welchen Stellenwert der Leistungstest bei den Genossenschaften genießt.

CLEMENS GERKE