Fotos: Weingut Dr. Pauly-Bergweiler; Weingut St. Antony; Moselwein e.V./Timo Volz
Fotos: Weingut Dr. Pauly-Bergweiler; Weingut St. Antony; Moselwein e.V./Timo Volz

Weine von Schieferböden

 

 

 

 

SO KOMMT DER SCHIEFER INS GLAS

Allen Terroir-Kritikern und Mineralisch-Zweiflern zum Trotz: Schiefer kann man riechen und schmecken! Wir haben 160 Weine von Schiefer-Böden verkostet und versucht, uns dem Kern des Steines anzunähern.

Text: Michael Hornickel

Gleich vorweg: Offensichtlich ist es nicht so, dass Reben munter über ihre Wurzeln Mineralstoffe aus dem Boden aufsaugen. Diese Fähigkeit ist, verschiedenen Studien zufolge, sehr begrenzt und nur wenige Mineralien sind somit im Wein nachweisbar. Dabei wäre es doch so schön, man könnte alle diese Gesteinsformationen schmecken, die auf zahllosen Etiketten angegeben werden: Buntsandstein, Schiefer, Kalkmergel oder Muschelkalk sind die beliebtesten.

Kurioserweise lassen sich in eher gewöhnlich aussehenden Löss-Lehm-Böden, in denen man sich auch Kartoffelanbau vorstellen könnte, mehr Mineralien nachweisen als in viel spannender wirkenden Schiefer- oder Granitböden. Dennoch wird der Löss-Lehm als weniger mineralisch empfunden, ergibt er doch – Reife vorausgesetzt – eher fruchtbetonte Weintypen mit rundem Körper und ausgewogener Säure. Demgegenüber wirken Weine von steinreichen Böden wie Schiefer, Granit oder Quarzit kühler, säurefrischer, rauer und geradliniger, was man dann gerne als mineralisch bezeichnen möchte.

Aktuell sind aber Zusammenhänge zwischen Bodenbeschaffenheit und sensorischer Ausprägung im Wein wissenschaftlich nicht abgesichert – zumindest nicht umfassend. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle, alle möglichen Studien liefern Anhaltspunkte: So soll für einen Terroir-Effekt die Bodentiefe wichtiger sein als der Bodentyp. Das Wassermanagement, das man zur Not auch beeinflussen kann, gilt als oberster Parameter. Eine französische Studie kommt zu dem Schluss, dass der Wetterverlauf während der Vegetationsperiode (am besten ohne Extreme) für die Weinqualität immens wichtiger ist als der Boden.

WIE KANN MAN STEINE ERFASSEN?

Nun bestehen Steine nicht aus flüchtigen Stoffen, die Aromen transportieren könnten. Man kann Steine also nicht riechen.
Dennoch können wir bei einer Wanderung durch eine Schieferlage den Schiefer erschnuppern, sofern es gerade geregnet hat und er nass ist. Ganz besonders deutlich wird dies in Schiefer-Gewölbekellern, die, etwa an Mosel und Mittelrhein, immer ein bisschen feucht sind. Wer jemals so einen Keller, manchmal tief in den Schieferfels gehauen, betreten hat, wird wissen und nie wieder vergessen, wie Schiefer riecht.

Doch wie kommt nun dieser Schieferton in den Wein? Hier gibt es die verschiedensten Theorien, nichts ist bewiesen. Eventuell sind Boden-Mikroorganismen dafür verantwortlich, so etwa ein Pilz namens Mykorrhizae, der an und mit den Rebwurzeln symbiotisch wächst und der Rebe hilft, Nährstoffe in ihre Wurzeln aufzunehmen und zu transportieren. Bakterien und Pilze beeinflussen stark die chemische Zusammensetzung in einer Traubenbeere. Könnten Sie auch die Transporteure einer gewissen Bodenmineralität sein?

Wie wäre es denn mit Hefen? Sie prägen entscheidend das Geschmacksbild eines Weines und es gibt sie im Weinberg, auf der Traube (wenn auch kaum gärfähig) und im Weinkeller. Dort befinden sich sogar die meisten und gärfähigsten Hefen. Und was ist, wenn dieser Keller auch noch in den Schieferfelsen getrieben wurde, wie oft an Mosel und Mittelrhein, und hier eine reichliche Hefeflora gedeiht. Es ist also nicht auszuschließen, dass diese Hefen, selbst wenn wie meist üblich Fremdhefen zum Einsatz kommen, einen Einfluss auf das Geruchs- und Geschmacksbild ausüben, der in Richtung Mineralität gehen könnte. Was zu beweisen wäre.

Prof. Dr. Randolf Kauer, Deutschlands erster Biowein-Dozent, im Bacharacher Schiefer aufgewachsen und selbst engagierter Winzer für Schiefer-Riesling, hält den pH-Wert der Böden für bedeutungsvoll: „Schieferböden liegen in der Regel im sauren Bereich, zum Teil unter pH 6. Dort ändert sich die Nährstoffverfügbarkeit, insbesondere für Spurennährstoffe, die besser verfügbar werden, Hauptnährstoffe weniger. Was an Mineralstoffen aufgenommen wurde, spiegelt sich im Aschegehalt (= Mineralstoffgehalt) beziehungsweise auch anteilig im zuckerfreien Extrakt wider.“ Damit könne man zwar eine mehr oder weniger starke „Mineralität“ nicht umfassend erklären, aber er halte „die saure Bodenreaktion für einen sehr entscheidenden Einfluss“. Die Hypothese: „Je purer der Boden aus einer reinen Schieferverwitterung kommt, desto ‚mineralischer’ der Wein.“ Er selbst beobachte dies an seinen Weinen aus dem Oelsberg (Oberwesel) mit leichten Löss-Anteilen beziehungsweise eingemischtem Lehm, die weicher, runder ausfallen. Demgegenüber zeigten seine Weine aus Bacharacher und Oberdiebacher Lagen eine klarere, feinere „Mineralität“. Dies werde aber auch zum Großteil durch den Ausbau im Keller beeinflusst. Kauer sucht keine „Fruchtbomben, die im Laufe der Jahre immer mehr von den Früchten verlieren“. Er verwende keine „aromatisch laute Spezialhefe sondern lieber ‚neutrale‘ Hefen, die das ‚Terroir‘ nicht kaschieren und auf der sich der Wein mineralisch entwickeln kann.“ Kauer gibt seinen Weinen dafür Zeit, um einen „schlanken, filigranen“ Wein zu erzeugen.

Mineralische Noten scheinen demnach dann erfassbar zu sein, wenn alle Einflussgrößen zusammen passen, wobei die Arbeit des Winzers im Weinberg und auch im Keller einen sehr großen Einfluss hat und entsprechend ausgerichtet sein muss. Beim Schiefer ist das Ergebnis dann am deutlichsten riech- und schmeckbar.

DIE VERKOSTUNG

Wir verkosteten rund 160 Weine von Schieferböden, zwei Drittel aus Deutschland, ein Drittel aus Österreich. Zwei Drittel weiß (vor allem deutsche Rieslinge) und ein Drittel Rote (vor allem Blaufränkisch aus dem Burgenland). Bei vielen Weinen wird auf dem Etikett auf den Schiefer hingewiesen. Meist steht dort schlicht „Schiefer“ oder „Vom Schiefer“, gerne auch Devonschiefer, Grauschiefer, seltener Rotschiefer oder „Vom roten Schiefer“ (Roter Hang). Die Verkoster sollten die Intensität des Schiefertons evaluieren. Des Weiteren sollten sie ihre Empfindungen notieren, beziehungsweise an welchen Merkmalen sie einen Schieferton festmachen. Dies wird sehr individuell erfahren, entweder im Aroma, gleich vorne oder retronasal, oft auch im Mundgefühl, für manche rau, für andere glatt wie ein Stein. Offensichtlich war: weniger Oechsle – mehr Schiefer.


Nase:

  • Feuerstein, Graphit, Metall
  • getrocknete Kräuter, Oregano, Majoran, Nelke, Koriandersamen, weißer Pfeffer, Minze
  • Rauch, Speck, rauchig-schiefrig, verbrannt

Gaumen:

  • kühl, frisch, herb, starr, stahlig, salzartig

 

Wir stellen rund 100 Weine vor. 

Schiefer-Arten, Schiefer-Vielfalt
Schiefer entstand in den deutschen Anbaugebieten vor allem in der Devon-Zeit (vor 350 bis über 400 Millionen Jahren) durch Ablagerung von feinkörnigen Tonschlamm-Massen (Devon-Meer), die sich unter hohem Druck in Tonstein verfestigten. Durch Faltungen aufgrund seitlichen Drucks entstanden die sogenannten Glimmerlagen, die für die typischen, zerbrechlichen oder spaltbaren Schichtungen sorgten.
Es gibt die unterschiedlichsten Schiefertypen, verschiedene kristalline Schiefer (Grünschiefer, Glimmerschiefer ...) und Tonschiefer, die den Großteil der Weinbergsböden an Mosel und Mittelrhein ausmachen, den Oberlauf der Ahr und den Nordwesten des Rheingaus. Diese Tonschiefer sind im Rheinischen Schiefergebirge meist kalkfrei, eine bekannte Ausnahme am Mittelrhein ist der Bopparder Hamm Feuerlay. Kalkfreie lehmige Schieferböden (dunkelgraue Devonschiefer) stellen den Großteil der Weinbergsböden an Mittelrhein (70 Prozent), Mosel (50 Prozent) und Ahr (25 Prozent). Damit werden auch die Dächer gedeckt.
In den weiteren deutschen Anbaugebieten ist Schiefer nur vereinzelt anzutreffen. Am bekanntesten dürfte der Rote Hang in Rheinhessen (nur teilweise schiefrig) und der Burrweiler Schäwer in der Pfalz sein. Gerne werden die verschiedenen Schiefer nach ihrer Farbe benannt: Grauschiefer, Blauschiefer, auch Graublau sind die geläufigsten. Die Gesteinseinheit Rotliegend ist auch schiefrig.