2020 war laut Radeberger Gruppe bereits ein "rabenschwarzes Jahr" für die Brauer – und das Jahr 2021 startet ebenfalls unter schwierigen Vorzeichen. (Foto: Radeberger Gruppe)
2020 war laut Radeberger Gruppe bereits ein "rabenschwarzes Jahr" für die Brauer – und das Jahr 2021 startet ebenfalls unter schwierigen Vorzeichen. (Foto: Radeberger Gruppe)

Radeberger Gruppe bilanziert 2020 als "Marathon mit vielen Härten"

In einem schwierigen Marktumfeld hat sich die Radeberger Gruppe eigenen Aussagen zufolge besser als die Branche entwickelt: Als Spiegel des Marktes mit Engagements in allen Segmenten spüre aber auch sie nach eigenem Bekunden die massiven Einschläge der Corona-Krise umsatz- und ergebnisseitig deutlich.

Der Blick von Guido Mockel, Sprecher der Geschäftsführung der Radeberger Gruppe, fällt entsprechend nüchtern aus: „Die Opfer, die auch die deutschen Brauer seit nun schon nahezu zehn Monaten als Beitrag zur Pandemiebekämpfung bringen, waren und sind enorm." Als einer von zahlreichen Partnern des Außer-Haus-Marktes leide die Unternehmensgruppe mit ihren Kunden in Gastronomie und Eventgeschäft: „Wenn Menschen nicht mehr zusammenkommen dürfen und alles Gesellige nicht möglich ist, hat das zwangsläufig dramatische Auswirkungen auf den Absatz unserer Produkte. Und auf die wirtschaftliche Substanz allerUnternehmen, die direkt und indirekt im Außer-Haus-Markt tätig sind.“

Schmerzhaftestes Jahr der Geschichte der Braubranche

So wird das vergangene Jahr nach Einschätzung Mockels für die Branche als eines der schmerzhaftesten in die Geschichte eingehen: Seit langer Zeit verliere der deutsche Biermarkt aufgrund des demographischen Wandels und sich ändernder Konsumgewohnheiten jährlich bis zu einer Million Hektoliter Absatz. Guido Mockel: „Schon dieser Absatzverlust trifft die Branche hart. Das Jahr 2020 war allerdings eine Zeitmaschine, die den bestehenden Druck noch einmal dramatisch erhöht.“ Insider rechnen infolge der Corona-Krise mit einem Absatzverlust von mindestens 5 Millionen Hektolitern oder – anschaulicher – 500 Millionen Maßkrügen, die leer blieben. „Unsere Branche musste also in 12 Monaten einen Absatzrückgang verkraften, der organisch erst über einen Zeitraum von schätzungsweise 5 Jahren eingetreten wäre. Das war – und bleibt – ein exogener Schock für die Brauwirtschaft. Es wird einen langen Atem viel Geduld und ordentlich Kraft benötigen, bis sich die Branche von diesem Einschlag erholt haben wird. Wenn dies denn überhaupt vollumfänglich gelingen kann …“

Radeberger Gruppe liefert, spürt aber Auswirkungen der Krise

In diesem schwierigen Fahrwasser habe sich  die größte private Brauereigruppe auf denm deutschen Biermarkt bewährt, obwohl auch das Unternehmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich spüre. So habe sich die Radeberger Gruppe mit einem Absatzrückgang von minus 4,7 Prozent besser als der Markt entwickelt (Gesamt- Umsatz Gruppe: minus 8 Prozent, 1,6 Milliarden Euro**), Marktanteile hinzugewonnen und die Stärken ihres breiten Portfolios regionaler, nationaler und internationaler Marken "ausgespielt". „Mit einer starken Mannschaftsleistung und viel Engagement unserer Beschäftigten ist es uns trotz der Krisensituation und massiver Vermarktungsbeschränkungen gelungen, unsere Marktposition zu festigen und sich bietende Marktchancen erfolgreich zu ergreifen“, so Guido Mockel. Im Inland wie im Ausland habe die Brauereigruppe insbesondere mit regionalen Marken, alkoholfreien Bieren und Neuprodukten punkten können, meldet die Unternehmensgruppe. „Das war keine Selbstverständlichkeit und zeigt uns: Unsere Entscheidung, auf ein breites Sortiment starker Marken mit attraktiven Sorten zu setzen, bewährt sich auch und gerade jetzt.“ Die Radeberger Gruppe sieht auch in diesem fordernden Umfeld viele Chancen: „Bei allen Schwierigkeiten, mit denen unser Markt konfrontiert ist, gilt: Bier bleibt ein hoch spannendes Produkt, das mit Sortenvielfalt, Trends wie Regionalität und einer Rückbesinnung auf Marke Raum für außerordentliche Entwicklungen bietet“, ist Mockel überzeugt.

Gestiegener Flaschenbierabsatz federt verlorenen Fassbierabsatz lediglich ab

Dabei sei der Blick auf den Absatz jedoch nur eine Messgröße für Markterfolg, betont Mockel: Während viele Brauer wie auch die Radeberger Gruppe den massiven Einbruch des Fassbierabsatzes durch einen Zuwachs bei Flaschenbier zumindest nominal etwas abfedern konnten, reißt das entfallene margenträchtigere Fassbiergeschäft schmerzhafte Lücken in die Unternehmensergebnisse. „Wir sind einer der größten Fassbiervermarkter in Deutschland und beliefern weit über 40.000 gastronomische Objekte mit unseren Bieren und alkoholfreien Getränken. Entsprechend hart trifft uns deren monatelange Schließung, die zu einer Halbierung unserer Fassbierabsätze geführt hat.“

Krise in anderen Gastronomiebereichen noch deutlicher

Doch die Krise im Außer-Haus- Markt beschäftige die Frankfurter Brauereigruppe eigenen Angaben nach nicht nur im Bier- und Getränkeabsatz. Ihre Engagements im gastronomieorientierten Getränkefachgroßhandel oder bei Plattformen für die Gastronomie spüren die Krise noch deutlicher. Doch Guido Mockel bestätigt die Unternehmensstrategie: „Natürlich vergrößert eine breitere Aufstellung in einem Marktsegment in einer außerordentlichen, nicht vorhersehbaren Krisensituation wie dieser auch punktuell das Risiko. Da wir aber mit vielen Standbeinen an verschiedenen wesentlichen Schaltzentralen des Marktes aktiv sind, greift hier unsere diversifizierte Aufstellung: Einerseits spüren wir die Breitseiten der Krise, aber wir können gleichzeitig über einige
unserer Tochtergesellschaften profitieren und somit Verluste teilweise ausgleichen. Eine aussagefähigere Belastungs- und Bewährungsprobe für unsere Strategie könnte es also gar nicht geben.“ Entsprechend unterschiedlich falle die Bewertung der Sparten aus: Während die zugehörigen gastronomieorientierten Getränkefachgroßhandlungen unter dem monatelangen Entzug ihrer Geschäftsgrundlage leiden würden und sich auf ein mittelfristig reduziertes Geschäftsvolumen einstellen müssten, hätten sich andere Töchter und Beteiligungen der Radeberger Gruppe erfreulich entwickeln können. So habe insbesondere die zugehörige größte deutsche Getränkefachmarktkette, Getränke Hoffmann, die verstärkte Verbrauchernachfrage in diesem Absatzformat optimal nutzen können: Sie konnte laut Radeberger Gruppe nicht nur deutliche Umsatzzuwächse verzeichnen, sondern habe auch nachhaltig neue Verbraucher für ihr Angebot begeistert. Mehr noch: Getränke Hoffmann habe sich sogar über dem Marktdurchschnitt in dem unter dem Einfluss der Corona-Krise flächig gestärkten Absatzkanal Getränkefachmarkt entwickelt - und habe so Marktanteile hinzugewonnen.

Heimlieferdienst auf gutem sehr gutem Weg

Das Liefergeschäft mit Getränken, das die Radeberger Gruppe vor gut drei Jahren unter der Marke Durstexpress auf- und ausgebaut hat, habe in der Krise von dem verstärkten Trend zu E-Commerce profitieren können, meldet das Unternehmen: Mit einer "perfekten Lösung" für den kontaktlosen, schnellen und bequemen Getränkeeinkauf habe der eigene Heimlieferdients Durstexpress auch und gerade in der Krise eine stetig steigende Zahl von Kunden nachhaltig für sein Angebot begeistert, heißt es: So habe der Getränkelieferdienst seinen Kundenstamm dynamisch ausbauen und seinen Umsatz weiter steigern können. „Der Durstexpress belegt eindrucksvoll: Die Verbraucher suchen nach neuen Wegen, ihre täglichen Bedarfe zu decken. Unsere Entscheidung, uns in diesem Feld zu engagieren, war goldrichtig. Hier haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine zukunftsweisende Lösung geschaffen, die zeigt, dass E-Commerce auch für Getränke funktioniert“, betont Guido Mockel. Auf den Kauf der Flaschenpost Anfang November vegangenen Jahres ging Mockel nicht ein. Auch das Streckengeschäft der Unternehmensgruppe, insbesondere unter dem Dach der Deutsche Getränke Logistik (ein Joint Venture mit der Brauerei C. & A. Veltins) profitiere von einer gestiegenen Flaschenbier-Nachfrage im Lebensmitteleinzelhandel und in Getränkeabholmärkten, während der führende deutsche Leergutlogistiker H. Leiter sich auch in der Krise als "wichtiger Pfeiler" eines funktionierenden Mehrwegsystems erweise.

Ausblick auf das Jahr 2021

„Wir arbeiten also mit Licht und Schatten, atmen sprichwörtlich mit den Maßnahmen der Bundesregierung zur Pandemiebekämpfung, wissen aber auch: Selbst, wenn wir diese Phase als Unternehmensgruppe durchstehen können – jeder Tag mehr, an dem der Außer-Haus-Markt geschlossen bleibt, zieht strukturelle Veränderungen, kaum aufholbare Absatzverluste sowie langfristig reduzierte Geschäftsvolumina für alle Akteure dieses Marktes nach sich“, so Guido Mockel. Der Blick des Marktführers auf das Jahr 2021 bleibe daher zurückhaltend, werde jedoch immer deutlicher: Eine Wiedereröffnung des Außer Haus-Marktes sei laut Mockel kurzfristig nicht absehbar, sogar eine Ausdehnung des Lockdowns bis in die Saison könne heute nicht mehr ausgeschlossen werden. „2020 war bereits ein rabenschwarzes Jahr für die Brauer – und das Jahr 2021 startet ebenfalls unter schwierigen Vorzeichen“, so Guido Mockel. Nun gelte es, die Zeit, bis es wieder möglich sein werde, Freunde in der Gastronomie zu treffen, Konzerte, Feste oder Sportereignisse zu besuchen und Geselligkeit zu erleben, in der Branche bestmöglich zu nutzen: „Auch, wenn es schwerfällt, das derzeit im Blick zu behalten: Diese Krise wird vorübergehen. Dann werden wir uns auch in unserer Branche die Wunden lecken – und mit unseren Partnern in der Gastronomie wieder kraftvoll durchstarten“, prognostiziert der Unternehmenschef. Die Radeberger Gruppe werde ihre breite Aufstellung optimal ausspielen – und Marktchancen weiterhin beherzt ergreifen: „Wir stehen in allen Teilen unserer Unternehmensgruppe bereit und planen weiterhin mit Zuversicht, Mut und frischen Impulsen, im vollen Bewusstsein, dass sich der Biermarkt in einem dynamischen Veränderungsprozess befindet – und dies nicht nur wegen Corona“, betont Guido Mockel. Und ergänzt: „Klar ist: Das wird kein Spaziergang, das wird ein Marathon mit vielen Härten. Aber wir haben einen langen Atem und viel Kondition.“ //pip

GZ 07/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Markt-Macher Tilman Ludwig-Munzig

Mit der Bierkiste wagt Tilmans Biere, mit Gründer und Braumeister Tilman Ludwig-Munzig, den für München untypischen Mix aus Getränkemarkt, Kiosk und Kneipe. Aus der Idee vom bezahlbaren Bier mit Freunden haben Ludwig-Munzig und sein Team ein Erfolgskonzept gemacht.

Gastkommentar: Uwe H.F. Hölzer

Uwe H.F. Hölzer, Co-Founder und CEO der Magaloop GmbH, sieht den unabhängigen Handel stärker denn je. Kioske, die den Generationenwechsel geschafft sowie risikofreudiger und innovativer agieren, seien am erfolgreichsten. Spätestens seit Corona und der Schließung der Gastronomie haben nahezu alle FMCG-Hersteller den Impulshandel Absatzkanal (wieder-) entdeckt, sagt Hölzer.

Aktuelles Interview: Anne Mantel, Danone Deutschland

Anne Mantel ist Head of Away From Home (AFH) bei Danone Deutschland. Vor drei Monaten nahm das Unternehmen die Akquise von Imbissen, Kiosken in die eigene Hand. Im Interview mit der GZ berichtet Mantel, wie Danones AFH-Start gelang und welche Ziele sich das Unternehmen gesetzt hat.