Foto: Renate Weber
Foto: Renate Weber

Lagenvergleich Mosel

Die Mosel hat den Riesling weltberühmt gemacht. Den schwindelerregend steilen Rebhängen ringen Mosel-Winzer in schwerster Handarbeit unvergleichliche Tropfen ab. Zwei weltberühmte Lagen im Vergleich.

Text: Michael Hornickel

Wer kulturell sozusagen in die Mosel eintaucht, glaubt sich in einer anderen Welt. Nirgends sonst in Westeuropa setzen gebildete Menschen noch auf eine derart archaisch anmutende, schwerste Handarbeit. Im Steillagen-Weinbau überleben auch nur die Stärksten, die Unbeirrtesten, die am besten Vernetzten ... Ein bisschen verrückt sein ist dabei Grundvoraussetzung. Doch heraus kommen mit all den Extremen absolut einzigartige Tropfen: Nirgendwo auf der Welt werden derart filigrane Weine gekeltert, nirgendwo anders schmeckt Süße so kühl.

Wehlener Sonnenuhr

Die Wehlener Sonnenuhr wurde erst über Umwege zu der weltberühmten Lage, die sie bis heute ist – und vermutlich noch lange sein wird. Die namensgebende Sonnenuhr erbaute Jodocus Prüm, Spross einer heute noch aktiven Moselwinzer-Dynastie, im Jahr 1842 in den Schieferfels des Steilhangs bei Wehlen, der damals noch Lammerterlay hieß. Zunächst war die Sonnenuhr nicht als Marketing-Gag gedacht, sondern diente wie üblich einzig der Zeitorientierung, etwa für die Weinbergsarbeiter. Die Sonnenuhr – von weit her zu sehen –, wurde zum Wahrzeichen von Wehlen. Erst um die vorletzte Jahrhundertwende, deutscher Wein genoss damals Weltruf, wurden die um sie herum liegenden Rebhänge, zunächst gerade mal acht Hektar, nach ihr benannt. Im Jahr 1954 wurde die Wehlener Sonnenuhr auf 40 Hektar erweitert, ein relativ homogen aussehender Steilhang mit südsüdwestlicher Ausrichtung. Eindrucksvoll auch, wie sich einige Schiefermauern gegen den Berg stemmen.

Die somit relativ große Lage ist durchaus nicht homogen, auch wenn die hier üblichen Devonschiefer-Verwit terungsböden selbstverständlich vorherrschen, so sind sie doch mehr oder weniger tiefgründig beziehungsweise lehmig. So kommen auch unterschiedliche Stilistiken und Qualitäten zustande. Bekannt sind die Sonnenuhr-Weine für ihre Saftigkeit und ihr Spiel. Eine belebende Säure ist hier selbstverständlich, auch der fruchtige Ausdruck nach gelben Früchten (allen voran Pfirsich, den man schon vor einem halben Jahrhundert in reifen Jahren für Schiefer-Rieslinge zitierte). Wir entdeckten bei unserer Verkostung aber auch des öfteren hellere Aromen, etwa von Kernobst (Apfel, Quitte ...), dies vor allem in weniger reifen, säurebetonten Jahren. Dann sind die Rieslinge hier auch gerne minzig-würzig.

Ürziger Würzgarten

Ein gemütlicher Garten ist der Ürziger Würzgarten eigentlich nicht, sondern ein spektakuläres, schwindelerregend steiles Amphitheater von immerhin 53 Hektar Größe. An manchen Stellen türmt sich der nach Süd und Ostsüdost geneigte Hang nach oben hin immer steiler und steiler auf, so dass man denkt, er könne jeden Moment nach vorne kippen. Kaum zu glauben, dass hier Trauben angebaut werden. Ungewöhnlich ist auch das bräunlich leuchtende Rot des schiefrigen Vulkangesteins, das sich aus dem hohen Eisenanteil des Rotliegenden erklärt. Auch das ist einzigartig an der Mosel.

Ebenso die Rieslinge des Ürziger Würzgarten: Opulent, gelbfruchtig, gerne exotisch und, ja natürlich, würzig! Bisweilen erinnert das oft schwer (und schon gar nicht mit wenigen Attributen) zu beschreibende Aroma an Fenchel oder gleich an das verwandte Anis, in manchen Jahren lässt sich gar ein Hauch von Gewürztraminer ausmachen. Üblicher und leichter nachzuvollziehen ist aber seine üppige Fruchtigkeit, vor allem aus reifen Jahren.

Das Extrakt aus rund 100 Proben

Wir verkosteten 104 Rieslinge, etwa zu gleichen Anteilen aus beiden Lagen. Auch wenn das nicht repräsentativ sein kann, so zeigte der Würzgarten bei den trockenen Weinen leichte Vorteile, während bei den süßen und edelsüßen Tropfen die Sonnenuhr mehr herausragende Spitzenweine vorweisen konnte. In der Sonnenuhr sind auch mehr renommierte Weingüter aktiv als im Würzgarten, die süßen und edelsüßen Rieslinge ohnehin die ganz große Stärke der Mosel. So kamen übrigens auch die Vertreter der weniger renommierten Geschmacksrichtung „feinherb“ oder „halbtrocken“ nur aus dem Würzgarten.

Wir haben die Weine zunächst nach der Restsüße-Klasse (trocken bis edelsüß, laut Angaben der Ansteller) geordnet, da die Süße bei der Weinauswahl sicherlich das erste Kriterium sein dürfte. Schließlich kommt es auf den Trinkanlass an. Innerhalb der Süße-Klassen sind die Weine dann wiederum nach ihrer Lage geordnet, wodurch die Jahrgänge recht durcheinander gewürfelt erscheinen, bei der geringen Anzahl an Weinen aber doch leicht in den Überblick zu bekommen sind.