Rioja Gran Reserva

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Fast konnte man nach dieser Verkostung wieder sagen: Hier stand das Beste aus der Rioja auf dem Tisch. Fast, denn da wären ja noch die seit den 90er Jahren entstandenen Topweine gewesen, die nicht in der Tradition des Gran Reserva auf den Markt kommen, weil die Bodegas sich nicht für diese Bezeichnungen interessieren: Weine von Artadi, Finca Allende, Pujanza, Benjamin Romeo oder Roda. Auch die modern gearbeiteten Spitzenweine von Muga (Torre Muga, Aro), Murrieta (Dalmau), Sierra Cantabria (El Bosque, La Nieta, Amancio, San Vicente), Ganuza (Trasnocho) oder C.V.N.E (Real de Asua). Die waren natürlich nicht dabei, denn sie sind keine Gran Reservas.
 
Machte aber gar nichts, denn was auf dem Tisch stand, fanden die Verkoster beeindruckend. Nicht nur, weil es die umfangreichste Verkostung von Gran Reservas war, die jemals im deutschsprachigen Raum stattfand. Sondern weil die fast schon als altmodisch abgestempelten Klassiker die Verkoster begeisterten – sowohl in ihrer verhalten modernisierten traditionellen wie in der modernen Art. Mit solchen Weinen, geprägt von atlantisch-frischem Klima, feinster Säure und perfekt durch geduldiges Holzlager verarbeiteten Gerbstoffen bewahrt die Rioja ihren einzigartigen Stil auf höchstem Niveau. Von insgesamt 65 Weinen machte nicht einmal eine Handvoll einen gezehrten oder oxidativen Eindruck.
 
Eine der Fragestellungen der Probe war die Eignung der Weine zum Essen. Deshalb waren drei Sommeliers aus der Top-Gastronomie unter den sieben Verkostern (Thomas Sommer, Andreas Weber und Alexander Wahl). Dabei wurde schnell deutlich, dass wenige Weine sich so umfassend als Weinbegleitung eignen wie gereifte Gran Reservas, auch wenn man vielen Gästen die Vorzüge der komplexen, vielschichtigen und nicht alleine auf Frucht und Holz aufbauenden Weine vielleicht erst vermitteln muss. Tatsache ist: Die verhaltene Gerbstoffstruktur, die feine Säure und das Aromenspiel von würzigen, röstigen, ledrigen und fruchtigen Bestandteilen passt sich vielen Braten- und Schmorgerichten hervorragend an, ohne – wie viele moderne Fruchtbomben – das Essen zu stark zu dominieren.
 
Jürgen Mathäß