MEININGERs WEINWELT (03/2014): Cru Bourgeois

Die kleinen, „bürgerlichen“ Brüder der Grands Crus sind recht raue Gesellen. Die Verkoster zeigten sich überrascht von den offensiven Tannin-Strukturen. Wir empfehlen die ausgewogensten Gewächse.
 
 
Rund 140 Crus Bourgeois aus den aktuell verfügbaren Jahrgängen 2010 und 2011 wurden verkostet. Somit waren weit über die Hälfte der aktuellen Crus Bourgeois (je nach Jahrgang um die 250 variierend) bei der Verkostung vertreten, wovon rund die Hälfte hier vorgestellt wird. Der legendäre 2010er schnitt mit mehr höheren Bewertungen (vor allem in der Spitze) besser ab als der 2011er, wobei die bekannt guten Erzeuger eher noch den 2010er einreichten. Insgesamt erschienen die Proben des Jahrgangs 2010 etwas stoffiger als die 11er, was bei den allseits stark präsenten Tanninen von großer Bedeutung ist. Denn die Gerbstoffe brauchen Saft und Extrakt, damit sie entwickelt werden können, um sie zu besänftigen.
 
Man muss sich klar sein, worauf man sich bei den kleineren Bordeaux einlässt: Die Tannine sind meist sehr stark präsent, mehr als man es inzwischen von internationalen Spitzenweinen gewohnt ist. Man wundert sich, selbst in reifen Jahrgängen wie 2010, wie prägend doch das Tanningerüst ist und nicht immer machen die Gerbstoffe den besten Eindruck. So fallen sie mal trocken oder trocknend aus, selten grün zum Glück, aber auch selten feinkörnig gereift oder elegant geschliffen. Das ist den Grands Crus vorbehalten. Außerhalb des Essens sind Crus Bourgeois schlicht ungeeignet, auch wenn sie mit ihrer dunkel funkelnden, dichten Farbe etwas anderes signalisieren.
 
Überraschend übrigens, wie weit verbreitet inzwischen wieder der Petit Verdot ist, der es im Médoc schwer hat zur Vollreife zu gelangen und unausgereift gnadenlos bittere, harte Tannine in den Wein bringen kann. In über der Hälfte der 140 Proben war Petit Verdot Teil der Cuvée, wenn auch immer in der Minderheit, doch interessanterweise bei allen „herausragend“ bewerteten Proben mit dabei. Was kostet das nun alles? Die Crus Bourgeois haben mit den Preisexplosionen der obersten Grands Crus nichts zu tun. Dafür spielen sie auch in einer deutlich kleineren Liga. So liegen die Preise für Cru Bourgeois auf Normalniveau, gehen aber weit auseinander und kosten zwischen zehn und zwanzig Euro. Der beliebteste Preis für Crus Bourgeois liegt zwischen fünfzehn und zwanzig Euro. Das sind auch nur die besten Vertreter überhaupt wert: Zu diesen Kursen gibt es im internationalen Angebot heute geschliffenere Weine. 
 
Michael Hornickel