Ausgabe 18/2020

Der Kompromiss als goldener Mittelweg
ddw18-2020

Das Bundeskabinett hat letzte Woche dem von Landwirtschaftsministerin
Julia Klöckner vorgelegten Vorschlag
zur Reform des Weingesetzes zugestimmt. Das
Weingesetz und insbesondere die Weinverordnung
waren und sind auch in den letzten Wochen Gegenstand
von intensiven Diskussionen bei den Winzern und Winzergenossenschaften.
Bereits Ende Juni hatten sich die Erzeuger
im DWV-Vorstand auf eine gemeinsame Position zu den bezeichnungsrechtlichen
Fragen verständigt. DWV-Präsident Schneider
hat letzte Woche auf der DWV-Mitgliederversammlung alle Mitglieder
nochmals aufgefordert, an einem Strang zu ziehen und
die nach langen Verhandlungen getroffenen Kompromisse auch
an die Basis zu kommunizieren und gegenüber der Politik zu vertreten.
Oft fällt es jedoch nicht nur schwer, Kompromisse einzugehen,
sondern auch diese anschließend umzusetzen.
Was bedeutet eigentlich ... ein Kompromiss?
Der deutsche Politiker und Wirtschaftswissenschaftler Ludwig
Erhard beschrieb den Kompromiss einst als »[...] die Kunst, einen
Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück
bekommen.« Der Kompromiss soll durch eine gegenseitige
Übereinkunft zwischen allen Beteiligten
zur schnellen Lösung eines Konflikts führen.
Der Begriff »Kompromiss« ist jedoch leider für einige
negativ behaftet. Vielleicht weil die Gefahr
des »faulen Kompromisses« droht, wenn die Verhandlungspartner
nicht mit offenen Karten spielen.
Viele empfinden es prinzipiell als Scheitern,
wenn es ihnen nicht gelingt, in einem Konflikt
sämtliche Forderungen durchzusetzen. Die Voraussetzung für einen
Kompromiss ist jedoch gerade der wechselseitige Verzicht auf
bestimmte ursprüngliche Forderungen. In der Geschäftswelt haben
sich Kompromisse als »goldener Mittelweg« bewährt, weil sie
im Vergleich zu anderen Methoden der Konfliktlösung eine konstruktive
und langfristig positive Beziehung zwischen Vertragspartnern
ermöglichen.
Kompromiss der Erzeuger zum Bezeichnungsrecht
Da nicht alle so tief in der Materie sind, nochmal zur Erinnerung,
was Gegenstand des Kompromisses im DWV-Vorstand war: Das
Bundesministerium hatte in seinen Referentenentwürfen klargestellt,
dass die bisherige Verwendung von Gemeindenamen bei
Groß- und Einzellagen, die so genannte »Leitgemeinderegelung«,
nicht mehr mit dem EU-Recht in Einklang steht. Das bedeutet,
dass anders als in der bisherigen Praxis, künftig bei der Angabe
von Ortsnamen 85 Prozent aus der jeweiligen Gemeinde stammen
müssen. Viele Winzer befürchten, dass diese notwendige Regelungsänderung
dazu führen wird, dass bisherige Vermarktungseinheiten
verschwinden. Diesen Bedenken hat der DWV-Vorstand
in seiner abgestimmten Position Rechnung getragen: Zunächst
sollen für die Weinjahrgänge 2020 bis 2025 die Vorschriften zur
Etikettierung von Großlagen, Bereichen und Einzellagen unverändert
erhalten bleiben. Einige Gruppierungen im DWV hätten
sich kürzere Übergangsfristen gewünscht, sie haben aber dann einer
6-Jahres-Frist im Rahmen eines Gesamtkompromisses zugestimmt.
Ab dem Jahrgang 2026 sollen dann die in dem Vorschlag
des Ministeriums und aufgrund des EU-Rechts notwendigen Änderungen
in den Bezeichnungen verbindlich werden. Dabei sollen
gleichlautende Angaben auf Vorder- und Rückenetikett erfolgen.
Der Begriff Bereich soll ab 2026 komplett verschwinden, für
Großlagen und Bereiche soll einheitlich der Begriff »Region« in
Voranstellung benutzt werden. Natürlich weicht auch diese Regelung
von den ursprünglichen Forderungen einiger Gruppierungen
im DWV ab, die sich für die Beibehaltung der Regelungen für die
Großlage eingesetzt hatten. Im Rahmen des Gesamtkompromisses
haben diese Gruppierungen aber letztlich diesen
Regelungen zugestimmt. Auch die Regelung,
dass ab dem Jahrgang 2026 für Großlagen keine
Gemeindenamen mehr verwendet werden dürfen,
wurde ohne Gegenstimme angenommen.
Unser gemeinsames Ziel ist es, die Vermarktungschancen
für unsere Weine zu verbessern
und durch ein Herkunftssystem
mit vier klar unterscheidbaren
Herkunftsstufen dem Verbraucher mehr
Orientierung zu geben. Für diese Orientierung
sollten nach der überwiegenden Meinung
der DWV-Mitglieder auch einige bundeseinheitliche
Kriterien sorgen – wie z.B.
Vermarktungszeitpunkte und ein begrenztes
Rebsorten-Portfolio für die Spitze der Herkunftspyramide.
Lasst uns also den Kompromiss
als goldenen Mittelweg umsetzen und
weiterhin an einem Strang ziehen!