Ausgabe 11/2020

Gewinner und Verlierer

Im Zuge der Corona-Pandemie unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten, mag ungerecht oder unfair sein. Aber was nützt es über Recht und Gerechtigkeit, Glück oder Pech zu lamentieren. An der Tatsache, dass die Aussichten für die nächsten Jahre in Weinbau und Weinhandel durchwachsen sein werden, wird niemand vorbeigehen können. Trotz der misslichen Situation wird man in die Zukunft blicken und sich aufbäumen müssen, so wie es das Dante Alighieri zugeschriebene Zitat auf den Punkt bringt: »Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andre packt sie kräftig an und handelt.«

Ganz unterschiedliche Unternehmen, Selbstständige bis hin zu Privathaushalten werden ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Insolvenzen drohen, wenn Ab- und Umsätze wegbrechen. Auf den Staat vertrauen? Staatliche Hilfen erscheinen in der derzeitigen Ausgestaltung zu viel zum Sterben und zu wenig zum (Über-) Leben. Es sei denn man gehört zum elitären Kreis staatlich Besoldeter, zu systemrelevanten Branchen oder zu Großkonzernen, die schon immer wussten, wie man an staatliche Gelder kommt. Doch auch dort werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten über kurz oder lang zu spüren sein.

Wie immer in solchen Situationen, die einer radikalen Zäsur gleichen, wird es Gewinner und Verlierer geben. Im Aufwind wähnen sich im Weingeschäft die Onliner. Die Zuwächse in den ersten Monaten sind vielversprechend. Umsatzsteigerungen im zweistelligen Bereich zeigen, dass die Konsumenten dem Wein nicht untreu werden, aber notgedrungen auf andere Quellen umsteigen. 

Gekauft wird Alltagsware: italienische, spanische und französische Rotweine der schweren und deutsche Weißweine der milden Art. Günstig muss es auch im Onlinehandel sein, genauso wie bei den Lebensmittelhändlern oder den Discountern. Vorbei die Experimente in höheren Preisbereichen. Die Kunden kaufen, was billig und einigermaßen trinkbar ist. Ein Trend, der sich jetzt noch verstärkt. Die Basisqualitäten der Land- und Tafelweine reichen vielen. Der seit Jahren anhaltende Trend zu einfachen Weinen abseits der höherpreisigen Herkunftsweine verstärkt sich in Zeiten schmaler Budgets. Auf Extratouren haben die Verbraucher keine Lust. Bei manchen Produktkategorien fehlen schlicht die Anlässe in diesem Frühjahr. Wenn Festtage, Familienfeiern und Hochzeiten ausfallen, bekommen das die Sekthersteller zu spüren.

Auf der anderen Seite können Kellereien, Importeure und der Lebensmittelhandel mit billigen Weinen Absatz generieren, wohingegen die Umsätze eher stagnieren oder sogar rückläufig sind. Mit Weinen unter 3 Euro ist kaum was zu verdienen. Die Parallele zum Gesundheitswesen ist frappierend. Mit Kassenpatienten verdienen die Ärzte nichts und limitieren den Zugang. Das Geld bringen diePrivatpatienten. Die kommen selten, zahlen dafür aber besser oder anders gesagt, sie lassen sich leichter schröpfen. So ist die Welt, nüchtern betrachtet. 

Dort, wo bisher in der Weinbranche von Erzeugern und Händlern noch Geld verdient wurde, in der Gastronomie und im Direktvertrieb, liegt das Geschäft brach. Zwar kann sich manches Weingut über steigenden Absatz im Versandhandel oder der Zustellung von Weinen im Privatkundenkreis freuen, doch das ist nicht überall der Fall.

Zu einem Rettungsanker für viele Weingüter und Winzer, die ihre Weine über den Handel vermarkten, ist die Vielzahl selbstständiger Einzelhändler von Edeka und Rewe geworden, seit sie Wein als Mittel zur Profilierung entdeckt haben. Dort tummeln sich nun munter auch Winzerweine und machen der Kellereiware auf der einen und dem Fachhandel auf der anderen Seite das Leben schwer. Der jetzt wieder beginnende Tourismus und die Öffnung der Gastronomie könnten für Gastwirte wie Winzer das Licht am Ende des Tunnels sein. Hoffen wir, dass es so kommt. In wenigen Tagen beginnt die Rebblüte und in 100 Tagen folgt ein neuer Herbst.