Selten erzeugt ein Joint Venture in der Weinbranche so viel Ärger wie der Terre Giunte
Selten erzeugt ein Joint Venture in der Weinbranche so viel Ärger wie der Terre Giunte

Gestern noch auf hohem Rosse

Die Präsentation eines neuen Weines hat in Italiens Weinwelt hohe Wellen geschlagen. Der »Terregiunte« ist ein Gemeinschaftsprojekt von Sandro Boscaini, Präsident des börsennotierten Weinunternehmens Masi Agricola im Valpolicella und Bruno Vespa, prominenter TV-Moderator des Staatsfernsehens RAI sowie seit 2014 Weinproduzent in Apulien. 

In der Kommunikation und auch im Weinbrief heißt es: »Der durchdachte Blend von Costasera, Amarone della Valpolicella Classico 2016 Masi und Raccontami, Primitivo di Manduria 2016 Vespa, ist die Frucht der Sensibilität der Önologen Riccardo Cotarella und Andrea Dal Cin«. Cotarella berät Vespa, Dal Cin ist seit vielen Jahren Masis Hausönologe. 

Die blumige PR-Schreibe ist weniger das Problem. DOC- bzw. DOCG-Weine sind geschützte Herkünfte und können logischerweise per se nicht als solche gemischt werden. Der Wein ist korrekterweise als Vino d’Italia klassifiziert, fast auf der gleichen Qualitätsstufe wie der Tavernello, nur trägt der Terregiunte zusätzlich den Jahrgang auf dem Etikett. 

Aber ein Vino d’Italia darf laut europäischer Gesetzgebung nicht mit geschützten Herkünften beworben werden. Die PR-Aktion sowie die Weinbeschreibung sind also illegal. Die Erwähnung von Amarone della Valpolicella und Primitivo di Manduria rief dann auch die jeweiligen Schutzkonsortien auf den Plan. 

Das Konsortium des Valpolicella reagierte zuerst. »Die geltenden EU-Normen verbieten es, Weine ohne jeglichen geografischen Bezug mit der Erwähnung von Gebieten oder Produkten geschützter Herkünfte zu flankieren, und zwar nicht nur auf dem Etikett, sondern auch in allen Medienkanälen. Nach Auffassung des Konsortiums wurde diese Norm von den entsprechenden Betrieben in den offiziellen Kommunikationen weitgehend missachtet.

Sowohl auf der Webseite (www.terregiunte.it) als auch im Weinbrief, in den Pressemitteilungen und bei der Präsentation des Produktes erscheinen Amarone della Valpolicella DOCG und Primitivo di Manduria DOC zusammen mit ihren Ursprungsgebieten, was Verwirrung verursacht und falsche Information für den Verbraucher bedeutet und diesem Tafelwein zudem ein nicht der Realität entsprechendes Image verschafft. Wir verurteilen diesen Fakt und leiten ihn pflichtgemäß zur Überprüfung an die zuständigen Kontrollbehörden weiter. Der Verwaltungsrat des Konsortiums legt außerdem Wert auf die Feststellung, dass bei einem lediglich vinifizierten Produkt nicht einmal von einem Amarone gesprochen werden kann, da es den Prozess der DOCG-Zertifizierung nicht beendet hat. Es überrascht, wie diese unangemessene Kommunikation von Profis und Unternehmern mit nachweislicher Erfahrung geplant und realisiert werden konnte«, heißt es in der Pressemitteilung, die das Konsortium am frühen Nachmittag des 28.8.2019 verschickte. 

Tatsächlich ist es kaum vorstellbar, dass sich die Protagonisten von Terregiunte nicht in der geltenden Weingesetzgebung auskennen. Sandro Boscaini, trägt als Pionier der Amarone-Herstellung den Beinamen Mister Amarone, und er ist auch Präsident des Wein-, Spirituosen- und Getränkeunternehmerverbandes Federvini. Riccardo Cotarella zählt zu den weltweit renommiertesten Önologen, ist Präsident des nationalen Önologenverbandes Assoenologi und Co-Präsident der Union Internationale des Oenologues. 

»Ich glaube, dass hier bewusst Staub aufgewirbelt werden sollte. Ich ärgere mich, dass das derart unter Niveau und auf provozierende, fast vulgäre Weise geschehen ist. Am meisten stört mich diese Arroganz, sich über dem Gesetz zu wähnen. Wir haben sofort das ICQRF im Agrarministerium informiert (Zentralinspektorat zur Qualitätskontrolle und Betrugsbekämpfung im Lebensmittelbereich, Anm. der Red.),  aber noch keine Antwort erhalten«, informiert der Präsident des Konsortium Andrea Sartori auf Nachfrage der WEINWIRTSCHAFT. 

Die italienischen Weinmedien gaben entweder den Wortlaut der Pressemitteilung wieder oder schrieben süffisant über die nun auch offizielle Vermählung zwischen Amarone und Primitivo. Bei der Präsentation des Weines in Cortina d’Ampezzo gab auch Luca Zaia, amtierender Präsident der Region Venetien seinen Segen, der apulische Amtskollege Michele Emiliano wurde per Videokonferenz zugeschaltet. 

Dem Portal Winenews vertraute Sandro Boscaini im Interview an: »Außerdem ist das Zusammentreffen eines Weines aus dem Veneto mit einem aus Apulien nicht neu: Ohne die Zeiten zu bemühen, in denen der Verschnitt noch zugelassen war, kann es wie Giacomo Tachis sagte, die Lösung für einen großen italienischen Wein sein. Tatsächlich hat der apulische Wein den Weinen im Norden immer geholfen, auch wenn heute dafür weniger Bedarf besteht«. 

Die Betreiber der Webseite von Terregiunte haben inzwischen reagiert. Die Worte Amarone della Valpolicella und Primitivo di Manduria wurden gestrichen und Terregiunte wird nunmehr als Blend von »Costasera Masi 2016 und Raccontami Vespa 2016« beschrieben. Eine neue, überarbeitete Pressemeldung zum Produkt steht aus. 

Jedenfalls hat der Terregiunte eine Auflage von 12.000 Flaschen und 500 Magnums. Er wird ab November erhältlich sein und soll ca. 100 Euro kosten. Marketingfachmann Lorenzo Biscontin (Biscomarketing) rechnete in seinem Schlusssatz zum Thema auf Vinix.com nach. »Welchen Sinn macht es für den Markt 100 Euro für die Flasche eines aus Raccontami von Vespa und Costasera von Masi geborenen Weines zu zahlen, die jeweils ca. 30 und 35 Euro kosten?« Dem Weinbrief ist lediglich zu entnehmen, dass der verschnittene Wein seinen »besonderen Charakter außerdem« einer verlängerten Reifezeit im kleinen Holz und auf der Flasche verdankt. vc

 

Ausgabe 8/2024

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