Sommelier Weltmeister Marc Almert (Foto: Jean-Marc Brasseur)
Sommelier Weltmeister Marc Almert (Foto: Jean-Marc Brasseur)

Unser Weltmeister im Interview

Sein Sieg in Antwerpen kam einer dicken Überraschung gleich. Marc Almert triumphierte als zweiter Deutscher 21 Jahre nach Markus del Monego bei der Weltmeisterschaft der Sommeliers und löste damit Begeisterung aus. Nicht nur in der Sommelier-Szene.

Chefredakteur Sascha Speicher interviewte Marc Almert nach und zu seinem Sieg:

Marc, hat sich inzwischen so etwas wie Normalität eingestellt?
Ja, sicher. Im Baur au Lac passiert sehr viel, insbesondere in diesem Jahr unseres 175-jährigen Jubiläums. Unter anderem hat unser Gourmet-Restaurant Pavillon den zweiten Stern erkocht und wir gestalten unser Fine Casual ­Dining Restaurant komplett um. 

Wie waren die ersten Arbeitstage nach dem Gewinn des WM-Titels?
Intensiv. Das Team hat mich mit einem Champagner-Empfang begrüßt. Und dann ging es recht schnell los mit einer Flut von Mails, Presseanfragen, Briefen und persönlichen Gratulanten. Zuvor war ich durch die WM eine Woche nicht auf der Arbeit, entsprechend voll war auch der Schreibtisch. Was mich besonders berührt hat, war das Feedback, wie viele Kollegen das Finale live verfolgt und regelrecht mitgefiebert haben.

Fiel es Dir schwer, Dich wieder in den Alltags-Rhythmus einzuleben?
Nein, im Gegenteil. Nach so einer verrückten Woche war ich sehr froh, mich wieder meiner eigentlichen Aufgabe – dem Service am Gast – widmen zu können. Und die vielen Glückwünsche geben ja auch positive Energie, die man dann ins Team und an die Gäste weitergeben kann. Einzig die Teildienstpausen fallen derzeit durch die vielen Presse­anfragen etwas kürzer aus als gewohnt.

Wirst Du häufig von Gästen auf den Titel angesprochen?
Besonders gefreut haben mich unsere zahlreichen Stammgäste, die sich auch während der Woche bei meinen Kollegen nach dem Stand erkundigt haben. Entsprechend waren es in der ersten Arbeitswoche fast zwei bis drei Tische pro Service, die mich aktiv darauf angesprochen haben. Die meisten interessiert vor allem, was abgefragt wurde und welche Aufgaben es zu bewältigen gab. Einige sind dann überrascht, wenn sie hören, dass es nicht nur um Wein, sondern auch um Bier, Sake, Zigarren, Käse, Cocktails etc. ging. Ich freue mich, dass solche Wettbewerbe die Vielfalt unseres Berufsbildes in die Welt tragen.

Wie hast Du den Finaltag erlebt? 
Es herrschte eine greifbare Anspannung unter allen 19 Halbfinalisten und ihren Delegationen. Der emotionalste Moment vor dem Finale war der, als nach und nach ausgeschiedene Halbfinalisten aufgerufen wurden und am Schluss nur noch Nina Højgaard Jensen, Raimonds Tomsons und ich auf der Bühne standen. Dort versuchte ich, das Publikum auszublenden und mir vorzustellen, ich sei in einem stressigen Samstagabend-Service mit vielen Stammgästen. So richtig realisiert habe ich das, was da genau passiert ist, erst eine Woche später, als ich mir das Video angeschaut habe. Im Anschluss an die Aufgaben fühlt es sich dann wie eine Ewigkeit an, bis es zur Siegerehrung übergeht. Alles, was dann kam, war ein einziger Freudentaumel, der für mich in einem emotionalen Höhepunkt endete: Ein Gruppenbild mit allen bisherigen Gewinnern sowie der Witwe und dem Sohn von Gerard Basset. Das Foto werde ich noch lange aufbewahren.

Was waren für Dich persönlich die schwierigsten Aufgaben im Halbfinale und im Finale?
Im Halbfinale: Die schriftlichen Fragen zu aktuellen Themen sowie die extrem knappe Zeit beim Service. Zwei Flaschen in sechs Minuten präsentieren, öffnen, karaffieren und servieren. Im Finale: Die genaue Identifikation der zehn Spirituosen sowie der vier „bunten“ Weine, da hier teils sehr abwegige Produkte standen und man nur circa 15 Sekunden Zeit pro Glas hatte.

Wann hast Du geglaubt oder gespürt, dass Du gewinnen kannst?
Für mich war ab der Verkündung der Finalisten klar, dass Raimonds gewinnen würde, zumal ich sein unheimlich starkes Finale in Wien gesehen hatte. Entsprechend locker versuchte ich das Ganze zu sehen und es als Top-Vorbereitung für die EM 2020 in Zypern zu nehmen. Bei den Aufgaben hatte ich wohl auch das nötige Glück. Als Raimonds als Drittplatzierter aufgerufen wurde, war das der erste Moment, in dem ich ernsthaft daran glaubte: „Du könntest der nächste Weltmeister sein!“ Und dann war es auch schon so weit ... 

Wie sehen Deine Pläne für die nächsten Monate aus?
Der Fokus liegt weiterhin auf meiner Arbeit im Baur au Lac. Im August steht der zweite Anlauf auf die Master Sommelier Prüfung an, der mit entsprechend intensiven Vorbereitungen einhergeht. Ansonsten stehen wie üblich diverse Reisen und Wochenend-Trips an, wobei es dabei jetzt ein paar mehr Möglichkeiten gibt als vor der WM.  

 

Vielen Dank für das Gespräch, Marc!

01-24

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