Allzu wohl am Steuer

Jeder Sommelier kennt die Situation: Du servierst den sympathischen Gästen von Tisch drei den ganzen Abend über eine ausgewachsene Weinbegleitung zum großen Menü. Alle erfreuen sich am Genuss erlesener Speisen und geselliger Trunkenheit. Bis kurz vor dem Dessert eine Person beim achten Wein abwinkt, einen doppelten Espresso bestellt und erläutert, dass sie den letzten Wein weglasse, da sie ja noch fahren müsse. Und wirkt diese Person noch so eloquent und souverän – das war’s dann mit der Sympathie.

Nun erdreiste ich mir die wagemutige Behauptung, dass kaum ein Mitglied unserer ehrenhaften Zunft seiner Pflicht nachkommt und in jenem Moment diesen Menschen seines Autoschlüssels entledigt, um ihn davon abzuhalten, über den nächtlichen Straßenverkehr herzufallen. Mein aufrichtiger Dank gilt jenen, die es tun.

Auch ich habe mich schon „überschätzt“, was mich glücklicherweise nur teuer zu stehen kam: mehrere Monate ohne Führerschein, horrende Bußgelder, Verwaltungsgebühren und dergleichen. Doppelte Mietbelastung, um in einer tristen, gottverlassenen Ein-Zimmer-Wohnung in direkter Nähe des Arbeitsplatzes mein Dasein zu fristen, da dieser sonst nur mit dem Auto zu erreichen war. Damit einher ging auch die schlimmste Strafe: Nacht für Nacht nicht neben meiner Frau schlafen zu dürfen. Diese wurde zudem sowieso schon in Mitleidenschaft gezogen für eine Dummheit, für die nur ich etwas konnte. Nichtsdesto­trotz bin ich noch mal glimpflich davon gekommen. Nun kennt aber jeder von uns mindestens eine tragische Geschichte, in der das nicht der Fall war und dennoch findet immer wieder die Überlegung statt, ob man nicht doch über diesen kleinen Umweg nach Hause fahren sollte, bei dem man nur einmal die Hauptstraße kreuzen muss. Jeder vierte Verkehrstote in Europa ist Opfer dessen, dass irgendwo irgendein Vollpfosten einen zu viel gehoben hat und sich dann in seine Karre setzt. Jeder vierte!

In Skandinavien haben alle öffentlichen Verkehrsmittel eine Alkohol-Zündschlosssperre, die schlichtweg verhindert, dass das Fahrzeug sich starten lässt, wenn der Falsche ins Röhrchen pustet. In logischer Konsequenz wäre es wohl kein Problem, ein solches Gerät serienmäßig in alle Fahrzeuge einzubauen und das auch gänzlich ohne Aufpreis für den Endkunden, mit Hilfe staatlicher Subventionen, wenn man bedenkt, wie viel Unheil und, nüchtern betrachtet, Kosten damit gespart werden könnten.Scheint aber wohl jemand was dagegen zu haben.
Wer sich übrigens gerade denkt: „Jetzt mach’ aber mal halblang, Müller!“, denke noch mal darüber nach.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote