Ausgabe 11/2019

Ende einer Ära

Titel WW 11/2019

Zähneknirschend war an den verbliebenen Messeständen in Halle 1 der Vinexpo immer wieder zu hören, die ProWein habe sich mit ihrer Effizienz und tadellosen Organisation durchgesetzt und sich als weltweit führende Weinhandelsmesse etabliert. Bessere Verkehrsanbindung, besserer Zeitpunkt, weniger teure Messestände. Und so weiter. Doch zumindest das sensible Thema Kosten bereitet den erfolgsverwöhnten, aber doch vorausschauenden Machern in Düsseldorf zunehmend Sorgen. Da sind die rasant gestiegenen und inzwischen horrenden Nebenkosten – Stichwort Hotelsituation – aber auch die erreichte Größe. Längst ist es nicht mehr möglich, an drei Tagen alle interessanten Themen abzuarbeiten, dafür ist die Zahl der Austeller einfach zu groß. Ein Luxusproblem, aber eines, dass sich noch verschärfen wird. Denn die ProWein wird weiter wachsen. Will man nicht riskieren, dass es immer mehr unzufriedene Aussteller gibt, die in Düsseldorf vergeblich auf neue Kontakte hoffen, scheint der vierte Messetag irgendwann unausweichlich. Doch damit einhergehend einfach die Preise um 33 Prozent zu steigern, dürfte schlagartig viele Produzenten hinauskatapultieren. Wie gesagt: Ein Luxusproblem, verglichen mit der Lage der Vinexpo. Aber eben doch ein Problem.
So bleibt den Besuchern der ProWein vorerst nur die Option, sich auf bestimmte Themen und Herkunftsländer zu fokussieren und beispielsweise italienische Weine auszuklammern, um sich diesen dann später auf der Vinitaly zu widmen. Auch bei den auf Qualität und Herkunftscharakter ausgerichteten Weinen des VDP macht es ohnehin mehr Sinn, den neuen Jahrgang Ende April auf der Mainzer Weinbörse unter die Lupe zu nehmen, sofern die Rheingoldhalle irgendwann wieder aufgebaut sein sollte. Ähnliches gilt in geraden Jahren für österreichische Weine, wenn Ende Mai die Vievinum auf dem Messekalender steht. 
Genau in dieser Strategie vieler Besucher sehen der neue Vinexpo-Generaldirektor Rodolphe Lameyse und Pascale Ferranti, Wein-Chefin bei den Wine-Paris-Veranstaltern Comexposium, ihre Chance, die zu einem bemerkenswerten Experiment führt: zwei unabhängige Fachmessen, zeitgleich auf dem gleichen Messegelände. Der Zeitpunkt Anfang Februar in Paris, sechs Wochen vor der ProWein, ist offensiv gewählt. Dass ein solches Arrangement eigentlich nur eine Lösung auf Zeit sein kann, liegt auf der Hand. Im Erfolgsfall wird der eine den anderen früher oder später schlucken. Denn Wettbewerb zwischen den beiden Partnern scheint unausweichlich. Wer lockt mehr Besucher an? Wer ist für die Aussteller attraktiver? Die Vinexpo hat zwar angekündigt, sich auf internationale Premiummarken- sowie auf Spirituosenerzeuger konzentrieren zu wollen, während die Wine Paris den Querschnitt der französischen Weinproduktion abbilden möchte. Dennoch scheint die Schnittmenge an Unternehmen, um die sich beide bemühen dürften, recht groß. Klingt nach einer lustigen Pokerpartie, um die zugkräftigsten Aussteller. Immerhin: In Sachen Verkehrsanbindung und vom Zeitpunkt der Einkaufsentscheidung wird man gegenüber der ProWein Boden gutmachen, auch wenn wirklich gute Weine zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht fertig ausgebaut, geschweige denn abgefüllt sein werden. Doch die machen ja ohnehin nur einen Bruchteil des großen Weinmarktes aus. 
Dafür fällt in Paris ein starker Pluspunkt der Vinexpo Bordeaux weg: die unmittelbare Nähe zur größten französischen Anbauregion von AOC-Weinen. Für Besucher sicher bedauerlich. Anderthalb Stunden nach Reims, zwei nach Sancerre oder Chablis sind dann doch etwas zuviel des Guten nach einem langen Messetag. Andererseits hatte gerade der schleichende Wandel von einer Weinhandelsmesse zu einer Weintourismusveranstaltung den Untergang der Vinexpo eingeleitet. Zumindest diese Gefahr besteht im Düsseldorf im März nun wirklich nicht. 

Sascha Speicher
Stellv. Chefredakteur
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