Oliver Schwegmann will die Konzernumsatzerlöse 2019 auf zwischen 164,7 und 173,4 Millionen Euro steigern. (Foto: Berentzen-Gruppe)
Oliver Schwegmann will die Konzernumsatzerlöse 2019 auf zwischen 164,7 und 173,4 Millionen Euro steigern. (Foto: Berentzen-Gruppe)

"Wir wollen ein integrierter Getränke-Inkubator werden"

Herr Schwegmann, welche Rolle haben Innovationen bislang bei der Berentzen-Gruppe gespielt?

Wir mussten erst einmal wieder lernen, eine echte Innovationskultur in unserem Hause zu etablieren. Unser Topline-Wachstum hängt vor allem von der Stärke unserer Innovationen ab. Sie helfen uns, eine positive Entwicklung in Märkten wie Spirituosen oder AfG zu erzielen, bei denen es in der Gesamtbetrachtung kaum noch Wachstum gibt. 

Inwiefern ist das Jahr 2018 ein Übergangsjahr für die Berentzen-Gruppe gewesen?

Vergangenes Jahr haben wir intern außerordentlich stark am Thema Innovationen gearbeitet und viel entwickelt. 2019 gilt für uns als Exekutionsjahr, in dem viele Neuheiten das Licht des Tages erblicken werden.

Welche Einzelfaktoren gab es im zurückliegenden Geschäftsjahr, die dafür gesorgt haben, die „ambitionierten“ Wachstumspläne bei den Konzernumsatzerlösen nicht umsetzen zu können?

Was uns 2018 daran gehindert hat, dass es nur ein gutes Plus von 1,1 Prozent geworden ist, waren Einzelfaktoren, mit denen wir in unserer Jahresplanung nicht gerechnet haben. So ist beispielsweise im Bereich der Fruchtpressen der für uns größte Markt in Frankreich um zirka 50 Prozent vom Absatz her eingebrochen. Dies hatte natürlich einen erheblichen negativen Umsatzeffekt. Alle anderen Märkte außerhalb Frankreichs sind in diesem Segment zweistellig gewachsen. Der Markt in Frankreich hat in der Vergangenheit eine derartige Dominanz entwickelt, dass dieser starke Rückgang dazu geführt hat, dass wir insgesamt eine zweistellige Umsatzeinbuße hatten.

Wird sich der Markt in Frankreich nun konsolidieren?

Unser französischer Distributeur hat in der Vergangenheit einen wahnsinnig guten Job gemacht, indem er eine unglaublich gute Marktpenetration und Distribution in Frankreich aufgebaut hat. Nachdem wir 2014 TMP (Technic-Marketing-Products) übernommen haben, fehlten uns danach die Innovationen. Wir vergleichen den Markt der Fruchtpressen mit dem Automobilmarkt. Kommt ein neuer Pkw auf den Markt, wird in der Regel nach drei Jahren das erste Update mit einer besseren Ausstattung erscheinen. Wenn der Hersteller aber kein neues Angebot offeriert, dann kann der Wagen auch gut und gerne fünf Jahre weitergefahren werden. So ist es ungefähr auch mit unseren Maschinen. Sie funktioniert auch über einen längeren Zeitraum. Sie presst problemlos und störungsfrei Orangensaft. Wenn dann die Innovationspipeline in dem Bereich leer ist und der Handelspartner nicht die Chance von uns geboten bekommt, sich für eine neue Maschine mit besseren Features zu entscheiden, dann lebt er mit der alten Maschine eben auch ganz gut. Genau das ist in Frankreich passiert. Im Prinzip sind wir dem Erfolg der vergangenen Jahre zum Opfer gefallen, wenn man so will. In den anderen europäischen Märkten gab es hingegen noch erhebliches Marktpotenzial, so dass wir mit dem heutigen Maschinenangebot sehr starke Wachstumsimpulse setzen konnten. Insgesamt setzen wir mit der Unternehmensgruppe rund 162 Millionen Euro im Jahr um, wovon TMP 20 Millionen Euro Umsatz generiert.

Kommen wir zu erfreulicherem, der AfG-Sparte. Dort legten Sie mit dem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk Mio anfänglich eine großartige Erfolgsstory hin, nur im Süden Deutschlands haperte es. Woran lag’s?

Mio Mio ist eine unserer besten Stories, letztendlich aber auch ein entscheidender Faktor, bei dem uns noch Umsatzwachstum fehlte. Wir wachsen mit der Marke seit Jahren stark: in 2018 rund 40 Prozent beim Absatz und rund 50 Prozent beim Umsatz. Wir hatten uns aber noch deutlich mehr versprochen, denn wir wussten, dass Mio Mio in der Lage sein würde, ein starkes, organisches Wachstum zu zeigen. Vor allem hatten wir erwartet, den Distributionsaufbau in Süddeutschland schneller forcieren zu können. Dieses Ziel haben wir leider nicht erreicht, denn der Aufbau im Süden Deutschlands hat sich im Nachhinein als deutlich komplexer dargestellt, als wir es erwartet haben. Das lag an zwei Faktoren: Für den Süden haben wir einen externen Vertriebspartner, bei dem es viele Abhängigkeiten gibt. Unser Ziel ist es hier, in Zukunft die Qualität der Zusammenarbeit zu verbessern. Und dann hat uns paradoxerweise der heiße Sommer einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir müssen im AfG-Bereich zwei- bis dreistufig handeln, was bedeutet, dass noch viele Verleger dazwischengeschaltet sind. Diese Verleger waren schon Tag und Nacht damit beschäftigt, Bier und Wasser in die Läden zu bringen, weil diese permanent einer „Out of Stock“-Situation ausgesetzt waren. Da hatten wir als kleine Marke im Süden absolut keine Priorität. Es mag schizophren klingen: Aber mit Mio Mio haben wir aufgrund der heißen Witterung gelitten, was den Distributionsaufbau angeht, während wir mit unseren Mineralwässern bei diesem Wetter ordentliche Absatzzuwächse verbuchen konnten.

Wie wollen Sie diese Abhängigkeiten besser in den Griff bekommen?

Die Verleger sind für uns die klassischen Geschäftspartner, da gibt es nichts zu rütteln. Wir müssen mit mehr Energie zusammen mit ihnen und den Handelspartnern in Süddeutschland die Erfolgsstory „Mio Mio“ fortzusetzen. Eine Marke mit solch einer rasanten Wachstumsentwicklung finden sie in ganz seltenen Fällen, wenn man sich die vergangenen 5 Jahre betrachtet. Dabei geht es mir nicht nur um das rein physische Wachstum, sondern auch um die Wiederkaufsrate, die bei über 50 Prozent liegt.

Heißt das, dass Sie die Verleger eventuell auch finanziell unterstützen müssen, um mehr Erfolg zu haben?

Diese Diskussionen über eine finanzielle Unterstützung gibt es ja immer. Die Achillesferse der fehlenden Distribution im Süden ist, dass den Verlegern der finanzielle Anreiz fehlt. Wir müssen aber eher daran arbeiten, die Erfolgsgeschichte von „Mio Mio“ viel stärker zu präsentieren. Schließlich wollen Verleger und Händler gleichermaßen gute Geschäfte machen. Außerdem werden wir strukturell im süddeutschen Distributionsgebiet Verbesserungen vornehmen. So werden wir vermehrt eigene Außendienstkräfte in den südlichen Gebieten Deutschlands einsetzen, um unser Vertriebsnetz dort zu erweitern. Mit diesem Bündel an Maßnahmen sind wir sicher, dass wir die Erfolgsgeschichte von „Mio Mio“ weiter fortschreiben werden. Die ersten drei Monate dieses Jahres zeigen auf jeden Fall eine Fortsetzung des Wachstums.

Lassen Sie uns bitte noch mal zum Status Quo der Berentzen-Gruppe zurückkommen: Wo steht das Unternehmen jetzt, wo will es künftig hin?

Wir sind in Märkten unterwegs, die sich gegenwärtig derart dynamisch und schnell verändern, dass wir entsprechende Antworten bieten müssen. Das heißt, die Konsumenten möchten viel mehr ausprobieren und verkosten, sie legen mehr Wert auf Höherwertiges, sie sind auch Marken gegenüber nicht mehr so loyal gestimmt wie früher. Das Ganze wird zusätzlich durch eine enorm hohe Innovationsrate befeuert, vor allem im AfG-Bereich. Wir betrachten diese Herausforderungen ganz klar als Chance. Es gibt nicht mehr diese Markenblöcke mit Coca-Cola, Fanta, Sprite wie vor 15 Jahren, die kaum zu durchbrechen waren. Mittlerweile ist die Wettbewerbsintensität derart gestiegen, dass ein Weltkonzern wie Coca-Cola aufgrund des Trends zum Regionalen hin praktisch in jeder Stadt mit anderen Konkurrenten zu kämpfen hat. Da ist eine ganz neue Dynamik entstanden. Selbst der Handel hat mittlerweile gelernt, seine Markteintrittsbarrieren niedriger anzusetzen als früher. Mittlerweile probiert auch der Lebensmittelhandel viel aus, indem er eine gesunde Trial-and-Error-Mentalität entwickelt, um schneller zu werden und um immer wieder Neues zu bieten. Ein gutes Beispiel ist dafür Spar in Österreich: Sie haben sogenannte „Urban-Drink-Shelfs“ gebaut, um moderne Konsumenten neue Getränke mit neuen Konzepten und Ideen anzubieten. Kunden wissen das sehr zu schätzen, weil sie dadurch neue Impulse erhalten und ihre Lust, Neues auszuprobieren, auf inspirierende Weise stillen können. Und der Händler hat gleichzeitig den Vorteil, zu erkennen, welche Produkte laufen nachhaltig, welche nicht.

Warum legt die Berentzen-Gruppe derzeit eine Innovationsfreudigkeit an den Tag, wie es sie lange nicht gegeben hat?

Entscheidend für uns als Unternehmen ist, dass wir die Agilität und Wendigkeit des Marktes auch auf unsere tägliches Arbeiten und Tun übertragen. Da geht es um sehr viele Themen: Wie ist unser Innovationsprozess aufgestellt? Wie sind unsere Unternehmensbereiche untereinander vernetzt? Wie kann beispielsweise die AfG-Abteilung unsere Spirituosen-Abteilung inspirieren? Wir haben uns zum Ziel gesetzt, ein integrierter, moderner Getränke-Inkubator zu werden. Vorher war die Berentzen-Gruppe ein Konglomerat von Einzelunternehmen. Es gab praktisch in den Köpfen und in der Arbeitsweise Mauern zwischen den Unternehmensbereichen wie Pabst & Richarz, Berentzen Spirituosen und Vivaris. Genau diese Mauern wollen wir nun durchbrechen. Denn wir glauben, dass es viele Bereiche in der Gruppe gibt, die wir vernetzen müssen, weil alle davon profitieren können. Deshalb haben wir im Unternehmen eine Matrix-Struktur eingezogen. Es gibt Bereiche, wo die Gruppe voneinander lernen und somit profitieren kann. Wir reden dabei über Themen wie die Supply Chain-Excellenz, Produktentwicklung, Marketingkompetenz und vieles mehr. Diese Matrix haben wir sozusagen über die Gruppe gespannt, damit wir in allen Bereichen den gleichen Exzellenz-Status bekommen. Auf diesem Wege wollen wir aber auch die einzelnen Bereiche durchlässiger machen. So ist der Innovationsprozess, den wir in Gang gesetzt haben, über mehrere Unternehmensbereiche hinweg aufgebaut worden. Wir glauben, dass ein Consumer-Trend etwas Größeres ist, als nur in einzelnen Kategorien zu denken. Wir nehmen also in diesem Innovationsprozess Konsumenten-Bedürfnisse und Trends auf und übersetzen diese in die einzelnen Geschäftsbereiche. Dieser Wandel macht uns in der Gruppe heute schon kommunikativer, agiler und in den Abteilungen durchlässiger. Die Matrix ist letztendlich nichts anderes als eine Kollisionsstrategie, in der die Expertisen unterschiedlicher Spezialisten innerhalb der Abteilungen aufeinanderprallen, so dass am Ende bestenfalls eine exzellente Lösung herauskommt.

Wo liegt nun die Kernkompetenz der Berentzen-Gruppe?

Wir sind ein Spezialist für Getränke und diesbezüglich sehr breit aufgestellt. Unser Ziel ist es, den Konsumenten mit unseren Produkten den ganzen Tag über zu begleiten. Wir erkennen Verbraucherwünsche, wenn es um Getränke geht. Dass die Konsumenten mittlerweile ihre Nachfrage nicht nur auf die Produkte, sondern auch auf die Serviceleistungen rund um den Produktkosmos richten, beschäftigt uns zunehmend. Sodastream mag da ein gutes Beispiel sein, wo es schon lange nicht mehr nur um Wasser geht, sondern um dessen Aufbereitung. Deshalb sind wir mit Citrocasa kein Orangensafthersteller, aber wir bieten unseren Partnern den besten Orangensaft für ihre Konsumenten, weil er mit unseren Fruchtpressen das Bedürfnis nach absoluter Frische erfüllen kann.

Unsere Kernkompetenz ist, dass wir sehr schnell Konsumentenbedürfnisse verstehen und sie marktspezifisch entwickeln können. Aufgrund unserer Unternehmensstruktur und unseres lokalen Standortes nehmen wir ein wenig eine Art Sandwich-Position ein, die zwischen Start-up und Blue-Chip changiert. Auf der einen Seite können aufgrund unser Struktur eine hohe Agilität an den Tag legen, so wie eben ein Start-up-Unternehmen agiert. Andererseits stoßen genau diese Gründungsunternehmen an ihre Grenzen, wenn es um Distributionspower außerhalb ihres Kiezes geht. Da haben wir aufgrund unserer Unternehmensgröße und Erfahrung innerhalb Deutschlands eine viel bessere Vertriebskompetenz.

Wird die Berentzen-Gruppe ähnlich wie andere Getränkeunternehmen Start-ups aufkaufen, um zu lernen?

Wir schließen Übernahmen nicht aus, aber wir sind nicht diejenigen, die einen völlig überzogenen Marktpreis für ein Unternehmen zahlen würden, nur weil es besonders gefragt ist. Wir müssen uns immer selbst fragen, ob wir durch Zukauf einen Vorteil haben oder ob wir diesen Mehrwert nicht selbst erbringen können. Es gibt viele Start-ups, die uns nach Kooperationen oder Hilfe fragen. Aber wenn es unser Unternehmen nicht bereichert, ergibt ein Kauf oder eine Übernahme keinen Sinn. Aber wir beschäftigen uns mit diesem Thema, keine Frage.

Sehen Sie keinen Dissens, wenn Sie sowohl auf Marken- als auch auf Handelsmarkenseite innovativ sein wollen?

Ich würde das Nebeneinander von Marke und Handelsmarke nicht als Dissens bezeichnen, sondern als ganz normale Marktentwicklung betrachten. Diese Begebenheit birgt schließlich auch jede Menge Chancen in sich. Das Gute dabei ist, dass wir auf der einen Seite seit etlichen Jahren Markenartikler sind und auf der anderen Seite sind wir mit unserer Unternehmenstochter Pabst & Richarz ein sehr erfahrener und vertrauter Partner des Handels als Handelsmarkenhersteller. Das befruchtet sich gegenseitig, weil wir direkte Impulse aus dem Handel mit unserem Wissen über Konsumentenbedürfnisse und Trends verbinden können. Dies wollen wir für die Entwicklung echter Innovationen nutzen Wir haben zwar nach wie regelmäßig neue Produkte und neue Sorten kreiert, aber wirkliche Innovationen und neue Marken hat Berentzen schon länger nicht mehr entwickelt. Jetzt haben wir vor kurzem beispielsweise mit „Tres Paises“ einen Premium-Rum als eigenständige Marke entwickelt. Dem Trend zum stark wachsenden Ready-to-Drink-Markt folgend, haben wir insgesamt drei neue Sorten in der 0,33-Liter-Slim-Line-Dose im Bereich Flavoured-Wodka-Mixgetränk von Puschkin für den Markt entwickelt. Außerdem reagieren wir auf den Trend zu Premiumisierung. Daher sind wir schon seit einigen Wochen mit dem Berentzen Signature am Markt aktiv, weil der als Premiumprodukt eine reifere Zielgruppe anspricht. Die klassischen „Berentzen Fruchtigen“ in unserem Portfolio, sprechen eher eine jüngere Zielgruppe an. Mit dem „Signature“ haben wir nun einen hochwertigen Fruchtlikör auf Obstbrandbasis entwickelt, der höher in der Grädigkeit ist, aber keinen zu hohen Alkoholgehalt aufweist, nicht zu süß schmeckt, mehr Charakter hat und insgesamt erwachsener ist. Wir nehmen somit unsere Zielgruppe der „Berentzen Fruchtigen“, wenn sie reifer geworden ist und ihren Geschmack weiterentwickelt hat, mit dem „Berentzen Signature“ mit.  Bei„Mio Mio“ gibt es seit Februar zwei neue Sorten. Unsere neuste AFG-Innovation seit Mai ist unsere Limonadenmarke „Kräuterbraut“. Sie ist modern im Auftritt und in der Ausstattung und eine auf Kräuter basierte, natürliche, vegane Limonade mit unter 5 Gramm Zucker je 100 ml. Sie sehen, bei uns ist praktisch in jedem Unternehmensbereich Innovation spürbar. Das fängt mit unserer Mentalität an, mehr zu wagen, sich wieder mehr mit dem Konsumenten zu beschäftigen, Marktforschung zu betreiben, zu investieren, um Neues zu schaffen. Insofern war das Jahr 2018 ein Vorbereitungsjahr, da es diese Art von Innovationsprozess zuvor noch nicht gegeben hat.

Kommen wir zu den Handelsmarken…

Der Bereich der Handelsmarken ist für mich ein unglaublich wichtiger und spannender Unternehmensbereich. Früher war dieser Bereich sehr stark preisgetrieben. Die wichtigste Kompetenz, die wir dafür entwickeln mussten, war die Kostenführerschaft in der Supply-Chain. Dieses Geschäft haben wir auch sehr erfolgreich ausgebaut. Das war auch der Grund, warum bis vor einem Jahr der Geschäftsführer von Pabst & Richarz ein Supply-Chain-Mann gewesen ist. Jetzt geht es darum, unsere Premiumisierungsstrategie auch im Handelsmarkenbereich nach vorne zu entwickeln. Englische Handelsketten haben diesen Trend vorgemacht, zumal sie in Sachen Handelsmarken schon seit mehr als 15 Jahren eine Vorreiterrolle gespielt haben. Der Handelspartner weiß heute, dass er sich bei den Top-A-Marken immer in einem Preiskampf befinden wird. Wenn er nun den Vorteil erkennt, dass er ein sehr hochwertiges Produkt mit einer sehr hohen Ausstattung für sich exklusiv bekommen kann, weil er mit uns exklusiv zusammenarbeitet, dann wird es spannend. Denn jetzt reden wir von der Transformation des Handelsmarkengeschäftes: Natürlich wollen wir dem Handel weiterhin unsere Preiseinstiegskompetenz beweisen und diese Disziplin weiterhin beherrschen. Durch dieses gewonnene Vertrauen wollen wir ihm darüber hinaus strategische Partnerschaften anbieten, indem wir ihm sagen, dass wir das Markengeschäft verstanden haben, weil wir es im Unternehmen haben. Als Markenartikler haben wir die notwendigen Marktdaten, wir kennen die Konsumenten und wir können ihm darüber hinaus bei Handelsmarken eine hundertprozentige Servicelösung bieten, und zwar vom Konzept über das Packing und die Rezepturen bis hin zum fertigen Produkt im Regal. Der Handel bekommt von uns eine maßgeschneiderte Lösung bei Spirituosen auf Premium-Niveau angeboten, ob es sich nun um Rum, Gin oder Kräuterlikör handelt. Und das ist ein klarer Trend: Denn eigentlich ist die Handelsmarke der große Innovationsmotor, weil im Handel Konzepte viel schneller umgesetzt werden können. Davon möchten wir profitieren, indem wir den Handelspartnern unsere Kompetenz anbieten, uns als strategischen Co-Pilot zu nutzen.

Heißt das, dass der Lebensmitteleinzelhandel echten Marken in Zukunft keine Chance mehr haben wird?

Überhaupt nicht. Aber man hat als Hersteller eine viel geringere Markteintrittsbarriere, wenn man dem Handelspartner sagt, dass es die Handelsmarke exklusiv für ihn gibt. Auf diesem Weg erreichen wir auf einen Schlag eine hundertprozentige Distribution. Davon profitiert das gesamte Handelsmarkengeschäft. Wie positiv hat der Handel auf Ihre Premium-Strategie bei Handelsmarken reagiert?

Das Geschäftsmodell leben wir in dieser Form erst seit rund einem Jahr. Wir befinden uns noch in der strategischen Akquisephase, dennoch haben wir schon einige Projekte erfolgreich umgesetzt, wie den Gin „Ruby of Rangoon“, der im vergangenen Jahr in zwei Aktionszeiträumen gelaufen ist und es laut Nielsen-Daten aus dem Stand in die Top 10 der meistverkauften Gins in Deutschland geschafft hat. Und auch in diesem Jahr werden Sie sehr viele Konzepte aus dem Premium-Bereich bei unterschiedlichen Handelspartnern sehen.

Lassen Sie uns noch einmal zurückkommen auf ihre Spirituosenmarken, in denen Sie einige klassische Schwergewichte wie Doornkaat, Bommerlunder oder Stonsdorfer haben, die der „Generation Golf“ noch wohl bekannt sind. Wie viel Innovationspotenzial steckt noch in diesen Marken?

Das sind nach wie vor alles großartige, renommierte und etablierte Marken. Dennoch müssen wir beim Umgang mit ihnen sehr behutsam vorgehen. Auf der einen Seite sprechen wir heute eine viel jüngere Zielgruppe an, die sich zum Teil dieser verschiedenen, tradierten Marken-Historien gar nicht bewusst ist. Bommerlunder ist kein Selbstläufer mehr, nur weil ihn die „Toten Hosen“ besungen haben. Es gibt Segmente, die wie Aquavit nicht mehr wachsen, eher rückläufig sind. Deshalb müssen wir beim Investieren in solche Marken sehr selektiv vorgehen und uns hinterfragen, wie wir Ressourcen einsetzen, um wieder zu wachsen oder welche Marken vom Geschäft nach wie vor stabil sind und damit noch ein wichtiger Bestandteil unseres Spirituosen-Portfolios.

Soziale Medien wandeln sich zu Verkaufsplattformen, der E-Commerce wächst, viele Hersteller treten mit Endkonsumenten digital direkt in Kontakt – wie will sich die Berentzen-Gruppe den Zugang zum Kunden für morgen sichern?

Tatsächlich gibt es heute viele Produktkategorien, die viel online affiner sind als andere. Auf der anderen Seite sehen sie einen Online-Händler wie Amazon, der plötzlich einen physischen Lebensmittelhändler wie „Wholes Food“ kauft, also ins stationäre Geschäft investiert. Ich will nicht schwarz oder weiß denken. Ich glaube aber, dass es zweifelsohne ein neues Eco-System geben wird, das aus beiden Welten bestehen wird, also E-Commerce und stationärem Handel. Um sich den Zugang zum Kunden auch in Zukunft zu sichern, sind auch Kooperationen denkbar.

Insgesamt hat sich die Berentzen-Gruppe sehr breit aufgestellt. Gibt es für Sie noch Produkt-Kategorien, die Sie sich für die künftige Marktbearbeitung ausgeschaut haben?

Ich werde Ihnen selbstverständlich nicht alle Details über unsere Zukunftspläne verraten. Aber Sie können sicher sein, dass ein Unternehmen mit dieser Historie und dieser Kompetenz nicht untätig bleiben wird. Das zeigt schließlich auch die Weiterentwicklung der Berentzen-Grupp vom reinen Spirituosenhersteller zum kompetenten Getränkekonzern. Sonst hätten wir den österreichischen Fruchtpressenhersteller „Citrocasa“ 2014 nicht gekauft und uns auf ein völlig neues Geschäftsfeld begeben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Pierre  Pfeiffer

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.