Ausgabe 07/2019

An einem »Runden Tisch« ist jeder Platz der erste

ddw07/2019

Wenn ich an drei aufeinanderfolgenden
Tagen auf unsere Landwirtschaftsministerin
treffe, ist eins klar: Es ist gerade Bewegung
in der Weinbranche. Wie jedes
Jahr im März stellten Weinerzeuger aus
Deutschland und der ganzen Welt auf der ProWein einem
breiten Fachpublikum ihre Weine vor. Julia Klöckner verschaffte
sich bei ihrem Eröffnungsrundgang einen Eindruck
über aktuelle Trends. Nur zwei Tage zuvor hatte die Ministerin
Vertreter der gesamten Weinbranche nach Bonn eingeladen,
um an einem »Runden Tisch« über die Zukunft des
deutschen Weins zu diskutieren.
»Runder Tisch« – sucht man diesen Begriff auf Wikipedia,
so ist von einer symbolischen Sitzordnung die Rede. So z.B.
bei einer Konferenz zur Klärung abweichender Interessen
oder zur Bewältigung von Krisen, in der Vertreter verschiedener
Institutionen gleichberechtigt, ohne Hierarchiestufen
oder Vorsitzenden, einen von allen Seiten anerkannten
Kompromiss finden wollen. Mit der Wahl
dieses Formats verfolgte Klöckner gerade
das Ziel, sich einen Überblick zu verschaffen,
inwieweit unterschiedliche Interessenlagen
und damit Knackpunkte in der
anstehenden Weingesetzreform bestehen,
um vielleicht auch schon erste Kompromissansätze
zu erörtern. Das Format war
zunächst mit Skepsis betrachtet worden.
Neben dem DWV-Präsidenten hatte die Ministerin
auch die regionalen Weinbaupräsidenten als Teil des
DWV-Vorstandes sowie den Raiffeisenverband, die Vertreter
von Wein- und Sektkellereien, des Weinfachhandels und der
Prädikats-Weingüter nach Bonn eingeladen. Aufgrund der
unterschiedlichen Interessenlagen war im Vorfeld in Frage
gestellt worden, inwieweit ein zweistündiges Gespräch in
dieser Runde ohne das Vorliegen eines konkreten Arbeitspapiers
sinnvoll sein kann. Gespannt durfte man daher auf
Verlauf und Ergebnis sein, was für manchen dann überraschend
war.
Die verschiedenen Erzeugergruppen zeigten, dass sie bereits
in einem intensiven Dialog stehen und ihre Positionen
regelmäßig austauschen. Dem ersten Anschein nach können
sie also zumindest teilweise miteinander versöhnt werden.
Ein neues herkunftsorientiertes Qualitäts- und Bezeichnungssystem,
in dem die Angabe einer kleineren Herkunft
ein größeres Qualitätsversprechen beinhaltet, soll nach den
Vorstellungen des Weinbauverbandes Teil eines rechtlich
systematischen Aufbaus einer Angebotspyramide von Weinen
mit und ohne geschützte Herkunftsangaben sein. In
oder neben diesem Konzept wäre durchaus auch Platz für
geänderte Rahmenbedingungen in den Bereichen »Landwein
« (Stichwort Anhebung des zulässigen Alkoholgehalts
nach Anreicherung) oder im Bereich des Deutschen Weins.
Jeder Erzeugergruppe geht es schließlich nicht darum, für
die jeweils anderen gute Rahmenbedingungen zu verhindern,
sondern für ihre eigenen Geschäftsmodelle einen idealen
gesetzlichen Rahmen zu erhalten.
Miteinander versöhnbare Positionen – das klingt doch
positiv für die Zukunft – auch für den Verbraucher, für den
gerade ein transparentes und leicht verständliches System
entstehen soll. Blickt man in der Geschichte zurück, so werden
Gespräche am »Runden Tisch« oft als
Auslöser von großen Entwicklungen identifiziert.
So leiteten z.B. Gespräche am »Runden
Tisch« in Polen im Februar 1989 eine
Verfassungsreform und die Einführung von
freien Parlamentswahlen ein. Wir dürfen
also gespannt sein, ob dieser
»Runde Tisch« später
einmal als Meilenstein
in der Entstehungsgeschichte
des neuen Weinbezeichnungsrechts
bezeichnet wird, der den
in Brüssel seit 2008 eingeleiteten Paradigmenwechsel
in der EU-Qualitätspolitik
auch in Deutschland etabliert. F