Macht

Sebastian BordthäuserLetztens verfolgte ich eine Diskussion am Nebentisch, bei der es um die Entwicklung der Gastronomie ging. In diesem Fall war es die Vorauskasse. Das schlage nun wirklich dem Fass seinen Boden aus, empörte sich die Runde und pflichtete sich schulterklopfend bei, während sie noch eine Runde Schnaps bestellte. 

Ich glaube nicht, dass auch nur einer der teilnehmenden Diskutanten des Nebentisches, selbst ohne Vorauskasse, jemals einen Fuß in besagtes Restaurant setzen würde. Aus verschiedenen Gründen. Trotzdem wird sich sinnlos echauffiert. Anscheinend bringen die Frauen die Hemden der Herren in die Reinigung, sonst wüssten sie, dass auch dort ohne Vorauskasse gar nichts läuft. 

Während im Ausland Reservierungen per Kreditkarte seit Jahren gang und gäbe sind, ist das in Deutschland offensichtlich immer noch eine Meldung wert. Die Kollision der deutschen Gemütlichkeit vs. Wirtschaftlichkeit. Treibende Kraft ist die Angst – von beiden Seiten. Die Angst des Wirtes, man könne das nicht bringen, und die Angst der Gäste, man wolle nur an ihre Kohle. Aber das ist ja klar wie Kloßbrühe, was denn sonst? Zahlen müssen wir eh, die Frage ist nur: wann? Die Diskussionsrunde jedenfalls fühlte sich übervorteilt, ja entmündigt. Der Gast, so kommt es unausweichlich, sei immer noch König. Oder wie es neulich in einer Radiosendung als Frage an den Präsidenten der deutschen Sommelier-Union gerichtet wurde: Der Gast hat doch in jedem Falle immer Recht, oder?

Recht ist in diesem Zusammenhang ein heikles Thema. Riskant würde ich sogar sagen, wenn das die Prämisse ist, unter der man ein Restaurant betritt. Und niemand geht mit der Einstellung zum Bäcker oder zum Friseur. Das Lustige ist: Es ist völlig wurst. 

Ein befreundeter Gastronom erklärte kürzlich Gästen, die am gleichen Abend reserviert hatten und absagen wollten, dass dann eine No-Show-Gebühr fällig wird. Die Gäste sind dann ganz regulär gekommen. Man muss es offenbar nur durchziehen. Auch die Abfragerei nach Allergien endet oft in Unschärfen, denn es werden Abneigungen als Allergien deklariert. Letztens bei einem Supper Club rumorte es im Vorhinein: Was, wen Zutat xyz dabei ist, das mag doch keiner. Letztlich wurde alles gegessen wie serviert. Auf die Nachfrage kommt die übliche Worthülse: Normalerweise esse man das nicht, aber hier habe es sehr gut geschmeckt. Surprise! Sollte man eigentlich erwarten, dass es schmeckt, wenn man in ein Restaurant geht, oder? Das alles ist jedoch eine Frage der Begegnung – der Augenhöhe. Dann stellt sich auch nicht die Frage, ob man zu seinem Recht kommt, denn Ausgehen funktioniert so nicht. Und während man sich hier noch über eigentlich völlig normale Gegebenheiten empört, versuchen die ersten Gastronomen in den USA, ihre Lokale nach dem Prinzip der Fluggesellschaften auszubuchen: Freitags und Samstags zu Stoßzeiten zu normalen Preisen, am Dienstagmittag mit Discount. Mit Vorauskasse natürlich. Ein sinniges Konzept. Bin gespannt, ob es das bis nach Deutschland schafft. Es könnte zumindest die Schnäppchenjäger locken …

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote