Wein. Vegan?

Sebastian BordthäuserEigentlich, so dachte ich, sei das Thema durch. Was ist eigentlich Wein, gibt es Naturwein und ist bio immer besser? Diese Diskussion ist so 2015. Doch als ich neulich am Rande einer Unterhaltung mitbekam, der vegane Weinbau sei die logische Fortführung der Biodynamie ist mir kurzzeitig wirklich schlecht geworden, bevor ich mich wieder meinem gerechten Zorn widmen konnte.
 
Das bashen von Veganern ist nicht meine Aufgabe. Im Gegenteil, ich liebe Pflanzen und esse große Mengen davon. Ich habe gerade ein Buch über Gemüse und Wein geschrieben. Ernährung ist Privatsache, da soll sich jeder selber drum kümmern.
Die Forderung nach veganem Weinbau aber scheint mir wie die Bestellung eines Jubiläums-Aquavits mit der Bitte, den Kümmel rauszulassen. Unmöglich. 
 
Ich möchte hierbei nicht auf fadenscheinige Argumente eingehen, dass es Käfer und Ohrenkneifer im Lesematerial gibt. Das ist mir zu banal. Auch ob der Winzer Wollsocken trägt, interessiert mich nicht. Inwieweit Pilze zu berücksichtigen sind, kann und mag ich nicht beurteilen, da wird es mir dann auch zu abseitig.
 
Ich halte es dagegen für legitim, wenn jemand wissen möchte, ob der Wein unter Verwendung tierischer Produkte hergestellt wird. Wein, der nach deutschem Weinrecht nur aus Trauben hergestellt werden darf, darf trotzdem behandelt werden mit Produkten auf tierischer Grundlage: Gelatine von Schweinen und Fischen, Asche aus Rindern und Schweinen sowie Hühner- und Milcheiweiss. Wein unterliegt diesbezüglich nicht der Deklarationspflicht wie z.B. Tofu-Grillwurst, da er kein Lebensmittel, sondern ein Genussmittel ist. Informationen über die Herstellung bekommt man als Verbraucher nur schwer, außer man kennt den Winzer, frei nach dem Klassiker: Wer den Koch kennt, braucht vorm Essen nicht zu beten. 
 
Aber: Wein war nie vegan. Er wurde immer unter Einbeziehung von Tieren hergestellt, sei es durch das Pferd, mit dem gepflügt wird, oder mit dem Dung des Stallviehs, mit dem gedüngt wurde. Und er wurde unter anderem mit Eiweiß geklärt. Und so etwas schlägt sich nieder in der Kultur der Regionen. In den Desserts zum Beispiel, die als Folge dessen große Mengen Eigelb verarbeiten, in Bordeaux, im Alentejo, in Sizilien. Das war immer so. Wein entstand immer in einem intakten Biosystem, das stets vom Insekt bis zum Ochsen oder Pferd Tiere in die Produktion mit einbezog. Die Behauptung, der vegane Weinbau würde die Tierrechte berücksichtigen, bringt mich fast zum Kotzen. Und das Statement, er sei die Fortführung der Biodynamie, ist Zeugnis einer Ahnungslosigkeit, die fast an Schwachsinn grenzt. Biodynamie ist mehr als jede andere Bewirtschaftung mit Tieren verbunden. Veganer Wein kann übelst konventionell hergestellt werden, die komplette Klaviatur von Giften spielen, von Glyphosat bis zu Pestiziden. Keine Tiere involviert, versprochen. Es ist wirklich kompletter Irrsinn. Man mag sich vegan ernähren, aber dann kann man halt kaum ordentlichen Wein trinken. Schade, aber nicht zu ändern. Es ist schließlich nicht alles über die eigene Matrix zu brechen.
 
Das gewünschte Label „vegan“ ist so aussagekräftig wie das selbstgemalte Schild meiner Nachbarskinder. Wein ist Eskalation und Bacchus ein fetter römischer Gott mit nem kleinem Mann im Ohr. Die Sehnsucht, Wein in die Nische des Naturproduktes zu rücken, ist ein Politikum. Wein hingegen ist Lust. Der Schrei nach veganem Wein hat jedoch überhaupt nichts lustvolles. Im Gegenteil, es ist ein Hilferuf. Auf den ich keine Antwort habe. 

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote