...auch toll zur asiatischen Küche

Sebastian Bordthäuser

Seitdem es sogar ein Buch über Deutschlands berühmtesten Chinesen, Herrn Wu in Berlin, gibt, ist chinesisches Essen auch überregional ins Bewusstsein der Menschen getreten. Dank seiner ausufernden Weinkarte von gereiften, meist restsüßen Weinen und seiner Liebe zu deutschem Riesling scheint sich die alte Lehrmeinung zu bestätigen: Asiatisches Essen, süßer Wein.
 
Ich bin es so leid. Sogar bei Weinproben, wann immer ein Wein etwas Restsüße hat (ob sie da nun hingehört oder nicht) oder aus einer Aroma-Sorte gekeltert ist (bestenfalls mit Restsüße on top) kommt bereits von Winzers Seite die Empfehlung: Besonders gut zur asiatischen Küche. Noch besser: Zur Asia-Küche. Mir wird wirklich schlecht. 
 
Leute, die sich von Berufswegen mit Wein auseinandersetzen und die Bereitschaft mitbringen, dies bis zur Selbstaufgabe zu praktizieren, werfen hier mit Worthülsen um sich, dass es nur so kracht. Asia-Küche? Soso. Asien beginnt am Bosporus und zieht sich bis nach Nordkorea. Klar, da gieß ich ’ne Flasche Kabinett drüber. Easy. Asia-Küche. Man ersetze dies bitte durch Europa. Dann sind wir bei der Europa- oder Euroküche. Nordfinnisches Winteressen, wie Bär, langsam geschmort, oder lieber Sizilianisch, so mit Kapern, Orangen und Olivenöl? Oder einfach alles in einen Topf, mit Käse überbacken und die Wachteleier obendrauf?
 
Die unterschiedlichen Länderküchen des Kontinents Asien sind sehr komplex: China, Japan, Indien, Thailand, immer eingedenk, dass auch dort Landesgrenzen Konstrukte sind, die verschiedene Küchen durchqueren. Die Küche der Turk-Völker bis hin zu der Mogulküche Persiens, die sich bis in den Norden Indiens erstreckt. Allen gemein ist nur eins: Es wird kein Wein dazu getrunken. Nun, Wein ist unsere Berufung, unsere Liebe. Warum gehen wir dann so verantwortungslos mit der Näherung an dieses weite Feld um? Warum ist die einzige Antwort immer die Restsüße? Wieso zum Teufel sollte ich Zucker zu Sushi trinken? Es handelt sich um Proteine und etwas Reisstärke, die wirkt bereits süß. Was wir dort brauchen ist Säure und Mineralität. Fragt man einen Japaner, was der von restsüßem Wein zum rohen Fisch hält, wird er freundlich lächeln, sich innerlich aber biegen vor Lachen. Der Sichuanese aus Chengdu zieht direkt los und überfällt Tibet, wenn man versucht, die Schärfe seines Essens mit Restsüße zu „puffern“. 
 
Deutschland hat nun mal Weine, die oft einen Ticken höher im Zucker liegen. Das bedeutet aber nicht, dass dies die Antwort auf alle Fragen ist. Zucker hat die Eigenschaft, andere Aromen und je nach Gradation auch Texturen zu überlagern. Cocktail zu sauer? Mehr Zucker rein. Kaffee zu bitter? Zucker rein. Dressing zu salzig? Zucker rein. Zucker ist der einfachste Weg, weil er der große Nivellierer ist. 
 
Die meisten der Küchen, die wir hier unter „asiatisch“ zusammen fassen (bisschen Soja, irgendwas mit Zitronengras, Curry und Kokosmilch), sind hoch komplex und beschränken sich oft nicht allein auf das Wechselspiel süß-sauer-salzig-bitter-umami (und das im übrigen auch viel differenzierter als in Europa), sondern es kommen noch die Texturen mit dazu: adstringierend, scharf, kühlend, ätherisch. Eine Steilvorlage, ein riesiges Spielparadies, ein Ikea-Bälleland für Sommeliers, mit Hüpfburg. Statt dessen wird die Jahrtausende alte Lehrmeinung mantramäßig weiter herunter gebetet, ganz im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung: dem Hang zu immer mehr Zucker. Ich plädiere für die Abkehr vom europäischen Vinozentrismus, des feinherben und rufe die trockene Begleitung zur Asia-Küche auf. Und da ist dann (zum Glück) auch Bier und ungesüßter Tee mit dabei.
 

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote