Ausgabe 26/2015

Erhobenen Hauptes - Mehr Schein als Sein: Mit Billigofferten ködern die Discounter auch im Weihnachtsgeschäft die Verbraucher.

Weinwirtschaft Ausgabe 26/2015

Man muss Weihnachten nicht mögen und kann dem alljährlichen Trubel rund um Tannenbaum und Rot gekleidete Nikoläuse ins Ausland entfliehen. Immerhin 15 Millionen Deutsche verreisen über Weihnachten und Neujahr und verbringen die Feiertage im Ausland. Allerdings sind nicht alle Weihnachtsmuffel, die das Fest der Liebe fern der Heimat verbringen, denn auch an südlichen Gestaden soll es Deutsche geben, die ihren Weihnachtsbaum neben dem Badetuch in den Sand stecken. Dieses Jahr fühlt sich allerdings auch in Deutschland der weihnachtliche Budenzauber bei Temperaturen im zweistelligen Bereich anders an als gewohnt, und so mancher Händler wird nach den Festtagen noch einiges an Glühwein auf Lager haben.

Die Feiertage bilden wie immer den emotionalen Höhepunkt des Jahres, der die Konsumausgaben auf ein Rekordniveau treibt. Immerhin planen die Deutschen pro Mann und Maus Ausgaben für Geschenke von circa 270 Euro. Der Einzelhandel prognostiziert ein »weihnachtsbedingtes Umsatzplus« in den Monaten November und Dezember von stolzen 85 Mrd. Euro. Für manche Branche liefert das Weihnachtsgeschäft gut ein Drittel des Jahresumsatzes, was für Spielwaren genauso gelten dürfte wie für Wein, Sekt und Spirituosen. Also Zeit, kräftig die Trommel zu rühren.

Am lautesten hauen die Discounter auf die Pauke, die ab und an von dem einen oder anderen Vollsortimenter aus dem Hause Edeka oder Rewe mit leisem Tremolo begleitet werden. Daran kann man erkennen, wie stark sich der deutsche Handel verändert hat. Karstadt, Kaufhof und Hertie das waren vor ein paar Jahren noch die Quellen weihnachtlicher Inspiration und Genüsse. Doch das ist passé. Ihre Handzettel, Werbungen und mehr noch die Online-Angebote gleichen heute einem müden Abklatsch, früherer Hochglanzpostillen. Es scheint sich nicht mehr zu lohnen, und so findet Weihnachten bei Aldi, Lidl und Co. statt. »Unser Gourmet Magazin« heißt der Festtagsprospekt bei Aldi Süd oder ganz simpel »Festtage« bei Konkurrent Lidl. Da wie dort wird dem Kunden gezeigt, wie eine festlich geschmückte Tafel auszusehen hat und was auf den Tisch an Speis und Trank gehört, von der Fonduegabel und dem Krabbenring bis zum Champagnerkelch. Rezepte, als würde Johann Lafer persönlich den Kochlöffel schwingen, gibt’s obendrauf und im Internet abrufbar. Die Discounter machen mutig vor, wie es geht. Ganz anders auf Lieferantenseite: Dort könnten die Signale aus Weinhandel und -produktion kaum verzagter sein. Einigermaßen zufrieden sind die Importspezialisten, die sich auf spezifische Länder und exklusive Lieferanten verlegt haben. Die gastronomie-orientierten Italien-Händler beispielsweise spüren Auftrieb im Vergleich zum Vorjahr. Weniger glücklich sind dagegen die Erzeuger und Vermarkter deutscher Weine. Nicht dass deutsche Weine namhafter Weingüter nicht gefragt wären und in der Gastronomie seit ein paar Jahren zu den Überfliegern gehören. Doch der Anteil der Weine, die zu rentablen Preisen ab Hof, über den Fachhandel und die Gastronomie vermarktet werden, ist momentan auf 30 Prozent der Produktion begrenzt. Die anderen 70 Prozent stehen im Abseits und scheinen vergessen worden zu sein. Die Entwicklung in Rheinland-Pfalz, das mit einem Anteil von zwei Drittel der deutschen Weinproduktion Indikator für den Gesamtmarkt ist, spricht Bände. Das Volumen, das von Kellereien und Erzeugergemeinschaften zur Qualitätswein-Prüfung angestellt wurde und in etwa der Menge vermarkteter Weine entspricht, weist ein Minus von 3 bis 4 Prozent bis Ende November aus. Auch der Dezember wird das Minus nicht in ein Plus verwandeln. Die Zeit drängt. Der Jahrgang 2015 liegt noch weitgehend unberührt in den Kellern. Wenn die Festtage vorüber sind, bleiben noch ganze neun Monate bis zur nächsten Ernte. Wer sich selbst klein macht, der muss sich nicht wundern, dass er übersehen wird. Der deutsche Wein muss sein Haupt erheben und mit Zuversicht ins nächste Jahr gehen.

Ihnen allen wünsche ich, zusammen mit der Redaktion, einen guten Start ins neue Jahr.

Hermann Pilz [email protected]