Ausgabe 25/2015

Gelb wartet auf Blau? - Wachstum um jeden Preis ist das Motiv von Aldi & Co. beim Griff nach Marken. Die Erzeuger sollten aufpassen

Weinwirtschaft Ausgabe 25/2015

Die Discounter suchen Profilierung mit Markenartikeln. Die Gründe für die neue Strategie liegen auf der Hand: Mit zusammen 16.000 Märkten verfügen die sechs bekannten Discounter über ein flächendeckendes Filialnetz. Jeder bundesrepublikanische Einwohner kann den nächsten Markt im Schnitt in weniger als zehn Minuten zu Fuß erreichen. Echte Neueröffnungen und Filialerweiterungen sind daher kaum mehr sinnvoll, allenfalls werden alte Standorte um- oder ausgebaut. Wird ein neuer Standort eröffnet, verliert ein anderer Umsatz. Modernisierung lautet die Losung der Stunde. Lidl allein will im kommenden Jahr mehr als 6 Mrd. Euro in den Umbau investieren. Wachstum, das die Discounter dringend brauchen – soll ihr Geschäftsmodell auch in Zukunft aufgehen – erzielen die Unternehmen nur noch durch Verdrängung der Mitbewerber oder auf Kosten anderer im Markt. Ins Visier rückt der klassische Sortimentshandel, dessen Profilierungspotenzial die Marken bekannter Hersteller sind, denen der Kunde mehr als in der Vergangenheit vertraut.

Das wachsende Interesse an Marken spiegelt aber nicht nur die strukturellen Zwänge der Discounter wider, es zeigt auch, dass die Unternehmen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Die Verschiebung der Alterspyramide, der von Jahr zu Jahr wachsende Anteil an Singlehaushalten und die immer größere Gruppe »50 plus«, die über mehr Freizeit und Einkommen verfügt als jemals zuvor, hat neue Konsumenten hervorgebracht. Sie haben andere Ansprüche als die früheren Großfamilien, die mit No-Name-Produkten oder Windeln und Waschpulver zu Schnäppchenpreisen gelockt werden konnten. Das alles gibt es natürlich noch, und vielleicht bringen die Flüchtlingsfamilien einen Teil davon zurück. Doch in der Tendenz hat sich das Einkaufsverhalten geändert. Convenience und frische Lebensmittel für den täglichen Bedarf sowie Marken, um sich zu profilieren, zählen heute mehr denn je. Das weckt die Begehrlichkeiten der Discounter.

Der ein oder andere Hersteller ist bereits schwach geworden und hat sich mit der Aussicht auf große Absatzvolumen ködern lassen. Pferdefuß der Liaison ist die Preisgestaltung. Die Discounter setzen auf Dauerniedrigpreise, an die sie ihre Kunden in den letzten Jahrzehnten gewöhnt haben. Konsequent wird diese Kalkulation auch bei den Marken umgesetzt und die Preise niedriger als im Regal aber höher als in der Aktion fixiert. Das hat dann zur Folge, dass die Marken für den klassischen Lebensmittelhandel uninteressant werden und das aus nachvollziehbarem Grund: Beim Discounter sind die Marken für gewöhnlich billiger als im Regal des klassischen Lebensmittelhandels, und in der Aktion verdienen die Rewe- und Edeka-Händler kein Geld mehr. Schon heute führt der Handel viele Produkte im Sortiment, bei denen nur Geld gewechselt wird. Sekt ist so eine Kategorie, die fast nur noch in der Aktion nennenswerte Mengen bringt und den Handel zur Wechselstube macht. Wer sich als Markenartikler auf dieses Spiel einlässt, muss wissen, was er tut. In Sachen Preisgestaltung ist mit dem Discounthandel nicht zu spaßen.

Wie unvermindert hart derzeit gerungen wird, verdeutlicht die Schlacht um Prosecco Frizzante. Eigentlich müssten die Verkaufspreise kräftig steigen, von 1,99 Euro um wenigstens 50 Cent auf deutlich über 2 Euro pro Flasche. Lagen die Prosecco-Grundweine vor einem Jahr noch bei 1,20 bis 1,30 Euro pro Liter sind sie nach dem Herbst auf 1,85 und jetzt auf das Rekordniveau von rund 2 Euro geklettert. Seriös lässt sich die Kalkulation nicht mehr nachvollziehen. Die Produzenten liefern inzwischen die laufenden Kontrakte mit Wein aus neuer Ernte aus. Doch am Markt rührt sich nichts. Vermutlich erst im Februar, rechnen Insider, werden die Preise beim Prosecco angepasst. Die Gelben warten auf die Blauen und umgekehrt, heißt es aus der Branche mit Anspielung auf die Logos von Lidl und Aldi. Verkauf unter Einstand ist eigentlich ein Fall fürs Kartellamt. Das hätte damit eine richtige Aufgabe, statt sich um den Verkauf der Tengelmann-Läden zu kümmern, deren Marktbedeutung in den meisten Regionen gegen null tendiert.

Hermann Pilz [email protected]