Foto: iStock.com/Scukrov
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Spanischer Garnacha

Garnacha aus Spanien: Sensationell

Wir haben so ziemlich alles verkostet, was in Spanien Rang und Namen hat. Tolle Überraschungen gab es vor allem bei einigen erstaunlich günstigen Weinen von Cooperativen.

Text: Jürgen Mathäß

Das schwergewichtige Standardwerk „Wine Grapes“ ortet die lange etwas umstrittene Herkunft der Garnacha/Grenache-Rebe eher in Spanien als in – Sardinien(!), wo die Sorte Cannonau heißt. Frankreich steht als Urheimat gar nicht zur Debatte. Dorthin ist die wärmeliebende Sorte irgendwann ausgewandert und feiert in Südfrankreich und im Rhônetal Erfolge. In ihrer Heimat Spanien war sie bis vor etwa 20 Jahren die meistangebaute rote Sorte. Dann wurde sie vom Tempranillo überholt, weil man die Garnacha zu Unrecht eher mit einfachen, aus Oxidationsgründen wenig reifefähigen Weinen und Rosados in Verbindung brachte.

Erst als der Anbau schon stark zurückgegangen war, entdeckte man ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, die sie nur zeigt, wenn ihr nicht zu viele Trauben abgepresst werden und man der Rebe viele Jahre Zeit gibt. So ergab es sich, dass Garnacha-Liebhaber vor allem in Extremlagen – karge Böden, große Höhen, extreme Gesteinsformen – alte Weinberge aufstöberten und daraus völlig ungewöhnliche Weine erzeugten: mal extrem karge, kräuterige und mineralische „schwierige“ Persönlichkeiten, mal schmelzig-weiche, aber doch in ihrer Aromenstruktur oft zerbrechlich und fein, fast seidig wirkende Schmeichler. Letztere, die tendenziell aus dem Norden stammen, hatten es in der Probe leichter. Vor allem die auf Garnacha spezialisierten Anbaugebiete Campo de Borja, Calatayud und Cariñena stehen für diesen Stil. Er ist zugänglich, weil er mit frischer Frucht, guter Dichte, großer Harmonie und – bei verhaltenen Tanninen und Säure – weichem Nachhall punktet, zeigt jedoch mit erstaunlicher Zartheit, hellen Beerenfrüchten und feiner Würze einen beachtlichen Stil und Finesse. Was hier einige Genossenschaften für wirklich kleines Geld auf die Flasche bringen, ist atemberaubend, vor allem, wenn Preis und Qualität international verglichen werden. Ganz anders die Weine aus Madrid oder Méntrida, wo Tüftler in teilweise winzigen Bodegas aus uralten Reben von Granit- und Schieferböden geradezu anstrengend mineralische Kreszenzen fabrizieren. Sich diesen komplizierten Weincharakteren zu nähern, ist ungleich schwieriger, weshalb einige von unseren Verkostern strittig bewertet wurden.

Zwischen diesen beiden Extremen, die manchmal erstaunliche Parallelen zu großen Pinot Noir-Weinen aufweisen, sollte man die Weine aus Navarra/Rioja und aus dem Priorat/Montsant nicht vergessen, die stilistisch weniger festgelegt sind. Die Katalanen waren möglicherweise etwas unterrepräsentiert, vielleicht, weil dort die Garnacha, auch wo sie dominiert, häufig im Verschnitt auf die Flasche kommt.