Topswonje!

Peter H. MüllerDie Alarmglocken sind an. Der, und das allein ist kurios genug, mit Pauken und Trompeten angekündigte Testerbesuch steht ins Haus und hat den halben Stall aufgescheucht.

In einem konzerngesteuerten Betrieb kommen dann gerne mal eine Woche zuvor der Vizepräsident und der Direktor, essen das aktuelle Menü (das können sie nämlich gut) und beraten (das können sie nämlich noch besser). „Den Gang“, der zufälligerweise einer der stärksten der letzten Monate ist und des Koches Handschrift auf‘s Feinste widerspiegelt, „lassen wir weg. Verstehen sie nicht. Machen wir stattdessen lieber etwas Klassisches. Steinbutt. Trüffel. Kaviar. Das mögen die.“ Aha.

Dann wird der Sommelier samt Weinkarte ins Büro zitiert; am besten während eines laufenden Services für „normale“ Gäste. „So. Was können wir denen machen?“ „Das, was wir sonst auch machen“, will man sagen, als auffallend klar wird, dass die offensichtlich rhetorische Frage eigens beantwortet wird. „Erstmal einen Jahrgangschampagner. Dann mindestens Premier Cru Weiß aus dem Burgund. Dann Bordeaux. Ein Großer!“

„Spannend. Und dann vielleicht Yquem, gereift aus der Magnum. Das mögen die bestimmt“, blitzt im Kopf ein Hauch von Sarkasmus auf. Da wir selbstredend davon ausgehen können, dass gerade die laut hörbaren Individuen, die auf etlichen Diners Amicales ihre Restaurantkritikervisitenkarten um sich werfen, ein tiefgehendes Verständnis und über alle Tellerränder blickendes Gespür für Speisen und Wein haben; da das natürlich vorausgesetzt ist, habe ich da eine ganz verrückte Idee.

Wie wäre es, wenn wir sie, wie alle anderen auch, herzlich bei uns willkommen heißen. Mit ihnen sprechen. Sie fragen, was sie gerne möchten. Ihnen Speise- und Weinkarte reichen und, Vorsicht, jetzt wird’s ganz abgefahren, sie sich daraus etwas aussuchen und bestellen lassen. Sie auf Wunsch gerne beraten, Empfehlungen aussprechen und ihnen naturgegeben und stolz zu Diensten sind.

Obacht! Es kommt noch hanebüchener: ihnen das, und nur das, was sie bestellt haben, servieren und zur Gänze in Rechnung stellen, damit sie, akribisch wie sie sind, die Relation zwischen Preis und Leistung bewerten können. Das wär‘ mal was. Allein beim Schreiben dieser Zeilen läuft mir der kalte Schauer der Erkenntnis dessen über den Rücken, dass dieser gedankliche Mumpitz wohl entschieden zu weit geht. Wo kämen wir denn da hin? Naja. Wahrhaftigkeit, vielleicht …

Topswonje = Gastro-Begriff für VIP-Gäste und dass alles glatt laufen muss

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote