Alles selbstgemacht!

Sebastian BordthäuserAlles selbstgemacht! strahlt die Verkäuferinin der Pulled-Pork-Bude, als die zwei schwer tätowierten Jungs mit schwarzen Gummihandschuhen langsam beginnen, an einem zwölf Stunden gesmokten Schweinenacken herumzuzupfen. Ich habe 45 Minuten angestanden, um dann nach einem Eintrittsgeld abermals eine halbe Stunde in einer Schlange zu stehen, um Fast Food zu essen. Von den rund 20 Ausstellern des Street Food Festivals sind 15 Burger-Buden. Ist halt im Trend, denke ich. Find’ ich auch gut. Und Nachhaltigkeit ist das Beste überhaupt, schließlich wird heute Politik wohl nur noch über den Einkaufszettel gemacht.

Ich weiß nicht, ob ich mich alleine damit wähne, aber ich fühle mich umzingelt. Denn es scheint so, als gäbe es nichts anderes mehr: Burger, Pizza, Pulled Pork, Pastrami-Sandwich, Sweet Potato Fries, Craft Beer, Fritz Limo. Die Stadt platzt vor Burger-Buden, überall gibt es nur noch Szene Limonaden und Craft Beer. Völlige Gleichschaltung. Neulich mault mich einer von der Seite an, warum ich denn Augustiner trinken würde, er habe doch auch geiles IPA im Kühli. Gibt es nix Normales mehr? Kriegt man nicht irgendwo noch eine Tüte Pommes, die nicht hangeschnitzt oder aus Süßkartoffeln sind und nicht 4,50 kosten? Einfach ’ne Pommes einsfuffzich, kross gebacken in korrekt heißem Öl mit ner kalten Flasche Bier, bei der keiner doziert über die Serviertempertaur? Was soll das Craft-Diktat? Das Diktat generell?

Normale Dinge, normal gemacht, sterben aus. Eine normale Currywurst, mit der Geflügelschere geschnitten, dass sie nicht am Saitling zusammenhält, in einer Schale mit Currysauce, ist heute schwer zu finden. Dafür kann ich in die Curry Boutique gehen und eine Version von Kalb, Lamm oder Huhn wählen, mit verschiedenen Saucen, von fruchtig bis würzig mit Schärfegraden von 1 bis 10 und das Ganze dann getoppt mit Blattgold und einem Glas Champagner zum Weekend-Special-all-in-Tarif für 19,80 Euro. Herzlichen Dank, gut gemacht, Torben! Das Gleiche auch bei den Bäckern: Entweder ist es eine ganz schlimme Ketten-Filiale, die Remoulade statt Butter auf die Brötchen mit Ja-Cervelatwurst schmieren, oder die Bäcker pimpen sich 2.0, und normale Dinge wie Brötchen werden einem wieder zu Boutique-Preisen verkauft. Überall das Gleiche.

Extreme in alle Richtungen. Ich finde es gut, dass es flächendeckend Augustiner zu trinken gibt, dann muss man zumindest nicht mehr die Industrie-Plörre saufen, wenn man Nachts auf dem Heimweg noch ein Bier braucht.

Das, was im Ausland alle so toll finden, die regionalen kleinen Spezereien, gehen hier leider völlig unter. Dafür werden spezielle Trends völlig überjazzed: Fast Food selbermachen. Toll. Hier liegt meiner Ansicht nach die Flinte im Korn: Handwerk stirbt aus. Stattdessen beginnen die Leute, die Industrie nachzuahmen. Das setzt Trends. Was ist der neue Trend? ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Hamburger sind eben letztlich auch nur Frikadellen im Brötchen. Egal, wer die gebacken hat.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote